Kapitel 30

259 24 1
                                    

Er hatte ihr Zeit gegeben. Es waren etwas mehr als fünfzig Stunden vergangen und er hatte vergeblich auf eine Antwort ihrerseits gewartet. Hayden platzte beinahe vor Nervosität. Die Ungewissheit machte ihn wahnsinnig und so hatte er seinen Nachmittag mit der alten Clique spontan abgesagt, um sie endlich zur Rede zu stellen.
Eilig sprang er aus seinem Auto, durchquerte den Vorgarten und ignorierte die Tatsache, dass er penetrant die Türklingel des Wohnheims betätigte. Es dauerte nur wenige Sekunden ehe eine hochgewachsene Schwarzhaarige die Tür aufriss und ihn finster aus ihren nussbraunen Augen ansah. „Was soll das?"
„Ist Mary da?" Die Schwarzhaarige ließ sich mit der Antwort Zeit.
„Nein, Mary ist nicht da", kam ihr eine vertraute Stimme zuvor und er blickte Ruby, die sich an der anderen Frau vorbeidrängte und sich lässig mit überkreuzten Armen in die Tür lehnte.
„Wo ist Mary denn? Ich muss ganz dringend mit ihr sprechen."
Ruby musterte ihn kritisch von Kopf bis Fuß. „Sie ist beschäftigt."
Die Blauhaarige ließ ihm keine Chance etwas zu erwidern, da knallte sie ihm bereits die Tür vor der Nase zu und war verschwunden. Hayden atmete tief durch, bevor er sich ab wand und die Treppe in den Vorgarten hinunter ging. Er glaubte Ruby nicht eine Sekunde. Mary war da. Sie versuchten lediglich zu verhindern, dass er zu ihr gelangte.
Grinsend blickte er zu dem Baum, kletterte rasch hoch und lächelte siegessicher, als er Mary in ihrem Zimmer hastig auf und ab gehen sah. Sein Herz setzte einen Moment zu schlagen auf, als sein Blick die leeren Regale und Schränke erfasste. Ihr Schreibtisch war ebenfalls leer und das Bett war abgezogen. Zog sie wirklich aus? Würde sie wegziehen ohne ihm davon zu erzählen? Diese Situation kam ihm bekannt vor und Adrenalin schoss durch sein Blut. Ohne groß drüber nachzudenken, wagte er sich von dem starken, dicken Stamm auf die dünnen, weniger belastbaren Äste, klopfte an das Fenster und hielt nach einem Punkt Ausschau, an dem er sich festhalten konnte.
Es dauerte nicht lang, als das Fenster aufgerissen wurde und eine Hand nach vorne schnellte.
„Was tust du denn da? Du brichst dir noch das Genick", rief Mary entsetzt, umfasste eine seiner Hände und zog ihn herein.
„Ziehst du weg ohne mir Bescheid zu sagen?", platzte es aus ihm heraus, woraufhin sie erschrocken die Augen aufriss.
„Ja. Nein .. Nein." Sein Herz schlug schneller und er musste sich zusammenreißen nicht auf sie zu zustürmen und zu schütteln, um ihr diesen Gedanken auszutreiben. Er hasste es, wenn Menschen ohne ein Wort zu sagen verschwanden.
„Was Ja? Nein?"
Mary holte tief Luft. „Ja zu ich ziehe um und nein zu ohne das ich es dir sage."
„Du hättest eine SMS schreiben können."
Langsam trat sie einen Schritt zurück, zuckte mit den Schultern und faltete eine weitere Bluse zusammen, bevor sie diese in einem Briefumschlag schob. „Ich musste heute meine Sachen packen und andere Dinge erledigen. Ich hab keine Zeit gehabt, um mich mit meinem Handy zu befassen."
Er beobachtete sie einen Moment und versuchte zu verstehen, was sie in diesem Augenblick tat. „Was wird das?"
Mary hielt inne, strich mit den Fingern über den seidigen Stoff und seufzte. „Ich habe mein gesamtes Ersparnis für die Mietskaution verwenden müssen und muss mir nun eine neue Rücklage zulegen, weswegen ich meine Markenkleidung verkaufe."
„Wo ziehst du hin?" Mary biss sich auf die Unterlippe, bevor sie den Kopf schüttelte. „Mary? Rede doch mit mir. Ich .. Ich halte diese Ungewissheit nicht aus."
Langsam drehte sie sich zu ihm um, hob den Blick und sah ihn mit einem so traurigen Blick an, dass sich sein Herz diesmal schmerzlich zusammenzog. Ihre Sorgen standen ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben und es bereitete ihm Kummer sie so zu sehen. „Ich kann dir im Moment nicht die Antwort geben, die du hören möchtest. Ich muss erst einmal mein Leben auf die Reihe bekommen, bevor ich mich auf dich einlasse."
„Lass mich dir doch helfen. Gemeinsam ist man immer stärker." Zögerlich machte er einen Schritt auf sie zu, legte seine Hände an ihre Wangen und blickte in ihre betrübten Augen.
„Ich muss das alleine schaffen, Hayden."
„Nein, das musst du nicht. Ich bin für dich da und möchte dir beistehen. Lass mich dir helfen."
Sie schüttelte den Kopf, schlug seine Hände weg und wand ihm ihren Rücken zu, um einen weiteren Brief zu verschließen. Der Stapel mit den Kleidern wurde immer weniger und es brach ihm das Herz ihr zuzusehen wie sie ein Kleidungsstück nach dem Anderen und in mancher Hinsicht auch ein Teil von sich selbst aufgab. Es dauerte einige Minuten bis der Stapel abgearbeitet war, Mary sich mit beiden Armen auf dem Schreibtisch abstützte und laut seufzte.
„Es tut mir alles so leid, Hayden", schluchzte sie.
„Was tut dir leid?"
Sie wand sich zu ihm um und er sah ihr an wie schwer ihr alles in diesem Moment fiel. Er würde ihr so gern helfen, wenn sie nicht so dickköpfig wäre. „Alles."
„Was heißt alles, Mary?"
Mit großen Schritten kam sie auf ihn zu, schlang ihre Arme um seine Taille und vergrub ihr Gesicht in seiner Brust. Sanft strich er mit seinen Händen über ihre Rücken, drückte sie dichter an ihn und presste einen zärtlichen Kuss auf ihren Kopf. „Alles bedeutet Alles. Ich bereite dir so viel Kummer und du hast so viel mehr verdient als ich dir bieten kann. Ich ..."
„Was redest du denn da, Mary? Glaub mir, du bist genau das, was ich verdiene und ich will auch keine andere Frau."
„Ich bin nicht gut für dich, Hayden." Sanft zwang er sie zu sich aufzusehen und blickte ihr ernst in die tränenverschleierten Augen.
„Stimmt, du bist nicht gut für mich. Du bist perfekt, Mary." Schluchzend wand sie ihren Blick ab und schloss die Augen.
„Hayden."
„Nein, Mary. Ich möchte nicht, dass du weiterhin diese Dinge sagst. Du und ich, wir sind ein verdammt gutes Team und ich möchte nicht, dass sich das ändert. Erzähl mir bitte, was los ist, damit ich dir helfen kann."
Sie atmete einige Male tief durch, ehe sie wieder die Augen öffnete und zu ihm aufblickte.
„Ich ..", stotterte sie, schüttelte den Kopf und stellte sich schließlich auf die Zehenspitzen, um ihm einen sanften Kuss auf den Mundwinkel zu geben. „Ich kann nicht, Hayden. Ich kann es einfach nicht. Es tut mir unendlich leid, Hayden."
Damit löste sie sich von ihm, verschränkte die Arme vor der Brust und wand ihm wieder den Rücken zu. „Es wäre besser, wenn du jetzt gehst."
„Ich weiß, dass du im Moment viele Probleme hast, aber lass uns wenigstens kurz über uns sprechen."
„Nein, Hayden. Ich", schluchzte sie und es tat ihm weh, sie so zu sehen und nicht helfen zu können. „Geh einfach. Ich kann jetzt nicht mit dir reden."
Es war aussichtslos. Er konnte noch länger bleiben und sie versuchen auszuquetschen, aber es würde ihm absolut nicht weiterhelfen. Möglicherweise würde es genau die gegenteilige Reaktion von dem, was er sich wünschte, erwirken. Seufzend machte er auf dem Absatz kehrt, verließ das Zimmer und wand sich ein letztes Mal auf der Türschwelle um. Mary stand noch immer mit dem Rücken zu ihm und wirkte völlig verloren. Hayden zwang sich den Blick abzuwenden, die Tür leise hinter sich zu schließen und zu gehen. Rasch eilte er die Treppe herunter und war erleichtert keiner ihrer Mitbewohnerinnen zu begegnen, bevor er sein Auto erreichte, in den Ledersitz glitt und nachdenklich die Stirn auf das Lenkrad legte. Ihm blieb nichts anderes übrig als zu hoffen, dass Mary wieder Vernunft annahm und ihn nicht aus ihrem komplizierten Leben verbannte.

Keuchend warf er die Boxhandschuhe in eine Ecke des Arbeitszimmers, durchquerte mit großen Schritten sein Appartement und stellte das Wasser in der Dusche an. Sie ging ihm einfach nicht aus dem Kopf und jede Minute, die ohne eine Nachricht von ihr verging, war qualvoller als jeder Schmerz zuvor.
Wütend entledigter er sich seiner Klamotten und stieg unter den eiskalten Wasserstrahl. Die kühlen Tropfen auf seiner erhitzten Haut schienen ihn allmählich zu beruhigen. Mit in den Nacken gelegten Kopf genoss er das Gefühl des auf sein Gesicht prasselnden Wassers und kam nicht drum rum sich an jenen Moment mit Mary unter der Dusche zu erinnern.
Es wäre so leicht gewesen sie an der Duschwand zu vögeln und doch hatte er der verlockenden Versuchung widerstehen können. Irgendwie hatte er dem Drang sich ihren leidenschaftlichen Küssen, ihren fordernden Händen und ihre sündigen Hitze, die nur wenige Millimeter von seinem lüsternen, harten Glied entfernt gewesen waren hinzugeben sich erwehren können.
Er könnte sich ein Stöhnen nicht verkneifen, als die Erinnerung ihn völlig einnahm. Er konnte beinahe spüren wie sie ihn liebkoste, anflehte und begehrte. Ihre weiche Rundungen, die sich in seinen Rücken drückten und schließlich ihr feuchtes Zentrum, dass ihn einlud. Sein Schwanz wurde wieder hart und beinahe automatisch schloss sich seine Hand um das pralle Glied.
Hayden stellte sich vor wie es wohl gewesen wäre, wenn er sie tatsächlich an der Wand genommen hatte. Doch bevor er seinen Gedankengang zu Ende denken konnte, unterbrach das Klingeln der Haustür seine frivolen Gedanken und ließen ihn in der Bewegung innehalten.
Wütend biss er die Zähne zusammen, stellte das Wasser ab und schlang sich ein Handtuch um die Hüfte, bevor er zur Tür ging und den ungebetenen Störenfried zur Schnecke zu machen. Wer auch immer es war. Hayden hoffte, dass er für die Unterbrechung eine verdammt gute Erklärung hatte.

UnverhofftWhere stories live. Discover now