Kapitel 37

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Mercedes atmete den vertrauten Duft des Kopfkissens tief ein und seufzte, als ein wohliger Schauer über ihren Rücken jagte. Langsam öffnete sie die Augen und blickte hinaus auf die Stadt. Die Kopfschmerzen waren verschwunden und sie fühlte sich wohl und voller Energie. Gähnend fuhr sie sich mit den Händen über das Gesicht, warf die Decke beiseite und schwang die Beine aus dem Bett. Ihr Blick wanderte durch das Zimmer und erst da wurde ihr bewusst, wo sie sich befand und mit der Erkenntnis kamen die Erinnerungen an den gestrigen Tag wieder.
Liam. Es war Liam gewesen, der Hayden und sie auseinander gebracht hatte. Liam hatte sie entzweit, weil er selbst sie haben wollte. Es war Liam gewesen, von dem sie es niemals erwartet hätte.
Seufzend stand sie auf, ging ins Bad und spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Sie war blass. Ihr Gesicht war schmal und unter ihren Augen zeichneten sich noch immer deutlich dunkle Ringe ab. Mercedes fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, bändigte die Mähne mit einem Haargummi und rückte ihr Top zurecht, bevor sie das Schlafzimmer mit der schlafenden Phoebe hinter sich ließ. Barfuß durchquerte sie den Flur und blickte sich prüfend in der Küche um. Ihr Blick wanderte weiter zum Wohnzimmer und ihr Herz zog sich beim Anblick des Mannes, der auf einem der Sofas lag zusammen. Hayden hatte seinen Kopf auf einem seiner Arme gebettet und eines seiner langen Beine hing hinab. Unwillkürlich blieb ihr Blick an seinem durchtrainierten, nackten Oberkörper hängen, wanderte von seiner Brust zu seinem flachen Bauch und verweilte letztlich an der deutlichen Wölbung seiner Hose. Mercedes biss sich auf die Unterlippe und musste ein Seufzen unterdrücken, als sie sich daran erinnerte, wie Hayden und sie früher durch den Sex am Morgen in den Tag gestartet waren.
Laut ausatmend ging sie auf ihn zu, hob die Decke vom Boden auf und breitete sie über ihm aus, wobei sie den Anblick seines friedlichen, schlafenden Gesichts in sich aufsog. Wie würde es nun mit ihnen weitergehen? Nach allem was geschehen war, könnte er sich erneut in sie verlieben oder war es zwischen ihnen nun endgültig vorbei und Liam hatte tatsächlich sein Ziel erreicht?
Traurig wand sie sich ab, tapste zurück in das Schlafzimmer und setzte sich neben Phoebe in das Bett.
„Mercedes, was hast du?", krächzte Phoebe, setzte sich gähnend neben ihr hin und streckte sich. „Du siehst traurig aus."
„Ich weiß nur nicht, was ich jetzt tun soll. Wie wird es mit Hayden weitergehen? Ich meine ..."
Phoebe legte ihr lächelnd eine Hand auf die Schulter. „Es ist ein gutes Zeichen, dass du dir genauso Gedanken über deine Beziehung zu Hayden machst wie er sich."
„Wie meinst du das?"
„Oh Mercedes. Für Hayden hat sich gestern die gesamte Welt auf den Kopf gestellt. Er hat gestern erfahren, dass sein bester Freund ihn derartig manipuliert hatte, dass er mit dir Schluss gemacht hat. Er hat seinen besten Freund verloren. Die Situation ist für ihn genauso schwer wie für dich."
„Ich wünschte, es wäre anders gekommen."
„Nun es ist so gekommen und wir können nichts mehr daran ändern. Das Einzige, was du tun kannst, ist mit Hayden darüber zu reden und zu sehen, ob eure Liebe zueinander all diese Hindernisse überstanden hat."
Ihre Liebe zueinander? „Liebe? Denkst du, dass er .. nach allem, was ich getan habe."
Phoebe zwinkerte ihr zu. „Ich muss jetzt leider gehen, Mercedes. Aber du solltest mit Hayden reden."
Seufzend ließ sich Mercedes wieder in die Kissen fallen und starrte an die Decke bis die Tür des Schlafzimmers hinter Phoebe ins Schloss fiel. Langsam raffte sie sich auf, schnappte sich ihren Rucksack und kehrte ins Bad zurück, wo sie sich auszog und erst einmal eine Dusche nahm. Das Wasser rieselte auf sie hinab und Mercedes legten den Kopf in den Nacken, um das Gefühl voll und ganz zu genießen. In ihrem Wohnkomplex gab es meistens nur kaltes Wasser. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, wann sie zuletzt warm geduscht hatte.
Genussvoll seufzend griff sie nach ihrem Schampoo, schäumte ihre Haare ein und wusch den Schaum schließlich aus. Eilig stellte sie das Wasser aus, wickelte sich in ein großes Handtuch ein und verließ vorsichtig die Duschkabine.
Mercedes würde sich jetzt etwas frisch machen und in frische Kleidung schlüpfen, ehe sie Hayden wecken und frühstück machen würde. Grübelnd blickte sie sich im Spiegel an und wog die Pros und Contras ab. Letztlich überwog die Proseite und entschlossen schlüpfte sie in eine kurze Shorts, streifte sich ein einfaches, weißes T-Shirt über und tapste auf nackten Füßen mit noch nassen Haaren in das Wohnzimmer.
Tief durchatmend ging sie neben dem Sofa auf die Knie, legte ihre Hand sanft auf seine Schulter und rüttelte ihn. „Hayden, wach auf. Es ist Zeit zum Aufstehen."
Hayden drehte sich grummelnd auf die andere Seite und drückte sich das Kissen auf das Gesicht. Mercedes konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, rollte mit den Augen und begann ihn zu kitzeln.
„Hey, aufhören!" Gespielt böse schlug er die Hand weg, drehte sich wieder auf den Rücken und runzelte die Stirn, als er sie erkannte. Ihr Lächeln verblasste und ihr Herz begann schneller zu schlagen. „Guten Morgen, Mercedes."
„Guten Morgen, Hayden", erwiderte sie flüsternd.
„Was macht dein Kopf?"
„Ihm geht es gut." Schweigend blickte sie einander einen Moment an. „War das Sofa nicht ungemütlich zum Schlafen?"
Hayden zuckte mit den Schultern, während sein Blick sie von Kopf bis Fuß musterte. Abrupt setzte er sich auf und wenn er nicht ihre Hand festgehalten hätte, wäre sie überrascht von der ruckartigen Bewegung umgekippt. „Willst du schon gehen?"
„Nein. Ich .. Ich wollte dich wecken, um mit dir zu frühstücken und zu reden", gestand sie leise und Hayden atmete laut auf.
„Ich hatte schon Angst."
„Wieso?"
„Weil wir darüber reden sollten, was geschehen ist."
Mercedes wand nickend ihren Blick ab, stand auf und drehte ihm ihren Rücken zu. „Ich decke den Tisch, während du duschst und dich anziehst."
Rasch verschwand sie in der Küche und ignorierte seinen Blick in ihrem Rücken, während sie die Türen der Schränke auf der Suche nach Geschirr aufzog. Angestrengt blickte sie in den Kühlschrank, als er an ihr vorbei zu seinem Schlafzimmer schlürfte. Die Tür fiel laut hinter ihm ins Schloss und Mercedes schloss den Kühlschrank, um die Stirn daran zu lehnen. Sie hatte keine Ahnung, was sie Hayden sagen und wie sie überhaupt das Gespräch beginnen sollte. Am Liebsten würde sie Holly um rat bitten, doch diese saß bestimmt gerade in einer Vorlesung. Immerhin war es schon kurz nach halb Zehn am Morgen.
Kopfschüttelnd machte sich Mercedes daran weiter den Tisch zu decken, als es an der Tür klingelte. Zögernd hielt sie in der Bewegung inne, warf einen Blick in Richtung des Flures und lauschte, ob Hayden das Klingeln vernommen hatte und bereits auf dem Weg zur Tür war. Als jedoch kein Laut ertönte, machte sie sich rasch auf den Weg und spähte durch den Türspion draußen in den Flur. Sie erkannte Rayan sofort.
„Guten Morgen", begrüßte sie Haydens Teamkollegen, der sie überrascht ansah, als sie die Tür öffnete.
„Oh hallo, Mary."
Verlegen biss sie sich auf die Unterlippe. „Mercedes. Ich heiße Mercedes."
„Mercedes?", ertönte die vertraute Stimme von Hayden hinter ihr und sie drehte sich zum Wohnzimmer um.
„An der Tür."
Binnen Sekunden kam er auf sie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter, als hätte er Angst, dass sie verschwinden würde. „Guten Morgen, Rayan."
„Komme ich ungelegen?"
„Wir wollten gerade frühstücken", antwortete Hayden und warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. Sie kannte diesen Blick. Es war dieser Es-tut-mir-leid-aber-ich-kann-ihn-nicht-wegschicken-Blick, den er ihr in den letzten Wochen ihrer Beziehung andauernd geschenkt hatte. Wortlos wand sie sich aus seinem Griff und kehrte in die Küche zurück, wo sie sich mit den Händen durch das noch leicht feuchte Haar fuhr und seufzte. „Komm doch rein, Rayan. Du kannst dich an den Tisch setzen. Ich muss nur kurz etwas mit Mercedes besprechen."
Rayan schenkte ihr eine bedauerndes Lächeln, als er die Küche betrat und er sich auf einem Stuhl niederließ. „Es ist schön dich hier zu sehen, Mercedes. Wenn du da bist, wird Hayden wohl bald wieder bessere Spiele an den Tag legen."
„Kommst du kurz?" Schweigend folgte sie ihm in sein Zimmer und blickte mit vor der Brust verschränkten Armen zu Boden. „Ich weiß, wir wollten reden, aber ich muss gleich zum Training und ..."
„Du musst dich dafür nicht entschuldigen. Ich .. Ich muss auch gleich arbeiten."
Hayden holte tief Luft. „Kann ich dich nach deiner Arbeit abholen?"
„Ich wollte zu mir nachhause. Ich danke dir, dass du mich für eine Nacht aufgenommen hast, aber .."
„Ich hole dich nach deiner Schicht ab und wir fahren hier her. Ich möchte nicht, dass du dort wohnst, wo du wohnst."
Mercedes schluckte. „Wir sind kein Paar, Hayden. Ich kann nicht hier bleiben."
„Entweder du schläfst hier oder ich komme mit zu dir, aber ich werde dich unter keinen Umständen dort alleine lassen." Hayden trat einen Schritt auf sie zu, hob die Hand und verharrte in der Luft. Wütend presste er die Lippen zusammen, ballte die Hand zur Faust und ließ sie langsam wieder sinken. „Wer weiß, ob Liam dort wieder auftaucht. Es wäre auch sicherlich in Phoebes Interesse, wenn du hier bleiben würdest."
Mercedes holte tief Luft. Mit Hayden zu diskutieren machte keinen Sinn und ehrlich gesagt, fühlte sie sich bei dem Gedanken dorthin zurückzukehren auch nicht wohl. „Ich bleibe nur, wenn ich auf dem Sofa schlafen darf."
„Nein. Dort schlafe ich", entschied Hayden bestimmt.
„Du musst körperlich fit sein und kannst dort nicht schlafen. Ich bin nicht so groß und brauche nicht viel Platz."
„Lass uns das später klären."
Mercedes nickte und machte auf dem Absatz kehrt. Eine Hand legte sich um ihren Oberarm und sie drehte sich mit einer in die Höhe gezogenen Augenbraue zu Hayden um. „Ja?"
„Wir reden auch heute Abend über uns. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben."
„Ja, Hayden."

UnverhofftWhere stories live. Discover now