Kapitel 35

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Gedankenverloren blickte Mercedes hinaus in den schönen Garten des Cafés, während sie einen Schluck von ihrem Tee nahm. Irgendwie hatte sie ein komisches Gefühl im Bauch. Irgendwas irritierte sie, aber sie konnte nicht erfassen was.
Die Klingel über der Tür läutete und verkündete, dass ein weiterer Gast soeben das Café betreten hat. Mercedes blickte auf und hob die Hand, als sie Liam entdeckte, der seinen Blick durch das Café schweifen ließ. Mit einem Lächeln auf den Lippen kam er auf sie zu, drückte ihr einen Kuss auf die Wangen und setzte sich ihr gegenüber auf den freien Stuhl direkt am Fenster.
Ihre Kollegin Ellie kam lächelnd auf sie zu, nahm Liams Bestellung auf und verschwand dann rasch wieder. Mercedes hatte den Kopf auf die Hände gestützt, sah aus dem Fenster und dachte darüber nach, was sie sagen sollte.
„Ich habe mit Hayden gesprochen", sagte Liam leise, warf ihr einen entschuldigenden Blick zu und griff sanft nach ihrer Hand. Zärtlich strich er mit den Fingern darüber und schenkte ihr ein zartes Lächeln. Ihr Herz wurde schwer und rutschte ihr in den Schoß. Das ungute Gefühl in ihrer Magengegend wurde schlimmer.
„Und?" Liam schüttelte den Kopf.
„Es tut mir leid, Mercedes, aber das Thema ist für ihn durch. Er möchte nichts mehr mit dir zu tun haben."
„Aber .." Tränen stiegen ihr erneut in die Augen und sie rang wie ein Fisch am Land nach Luft. „Aber .."
„Ich habe mein Bestes gegeben. Immerhin wusste jeder, dass Tylor schwul war und insgeheim auf Hayden stand, aber er ist felsenfest von deiner Untreue überzeugt. Es tut mir leid, Mercedes."
„Ich .." Liam rückte mit seinem Stuhl um den Tisch, nahm sie in den Arm und hielt sie, als sie die Tränen nicht länger zurückhalten konnte. Es war vorbei. Aus und vorbei - endgültig. Wenn nicht einmal der Mensch, dem Hayden unter anderem am meisten vertraute mit ihm reden konnte, dann war es aussichtslos. Mercedes erzitterte und krallte ihre Fingernägel in Liams T-Shirt, während sie schluchzte.
„Mercedes", flüsterte er an ihren Kopf, gab ihr einen Kuss ins Haar und legte behutsam eine Hand an ihr Kinn, damit sie ihn ansah. „Er ist ein sturer Idiot. Es tut mir unsagbar leid. Du hast einen besseren Mann als ihn verdient. Einen Mann, der dir voll und ganz vertraut und deine Worte nicht anzweifelt. Einen Mann, der seine Zeit lieber mit dir als mit seinen Freunden verbringt. Einen Mann, auf den du dich immer völlig verlassen kannst."
„Was .. Was redest du denn da, Liam?"
„Ich sage nur das ich denke, Mercedes. Hayden und du, dass passte einfach nicht."
Schniefend löste Mercedes sich von ihm, strich sich eine Strähne von ihrer tränennassen Wange und sah irritiert zu Liam auf. „Wir waren auf einer Wellenlänge. Wir waren ein wunderbares Paar."
„Nein. Hayden hat nicht zu dir gepasst", verkündete Liam mit entschlossenen Stimme und umfing mit beiden Hände die Ihren. Liam sah sie eindringlich an, bevor sein Blick forschend über ihr Gesicht wanderte und schließlich an ihren Lippen hängen blieb. Ihr Puls beschleunigte sich und Mercedes versuchte ihre Hände aus seinem festen Griff zu lösen. Liam holte tief Luft, bevor er den Blick hob.
„Ich weiß, dass ich nicht der richtige Zeitpunkt, Mercedes. Aber .. Ich liebe dich seit Hayden dich mir vorgestellt hat. Und jetzt ist endlich der richtige Moment gekommen, um einander noch näher kennenzulernen und unsere Beziehung zu intensivieren."
Mercedes konnte ihren Ohren nicht trauen. Fassungslos saß sie in ihrem Stuhl und konnte nichts anderes tun, als Liam völlig entsetzt anzusehen. „Was .. Was redest du denn da?"
„Mercedes. Du und ich, wir sind ein viel besseres Team als Hayden und du und das du dich heute mit mir hier getroffen hast, ist ein Zeichen, dass du ebenfalls Gefühle für mich hegst."
„Liam, ich ... ich liebe Hayden. Ich weiß nicht, was du dir denkst, aber das ist kein Date und ich .."
Liam hob die Hände und machte eine wegwischende Handbewegung. „Noch gestehst du es dir nicht ein, aber das mit uns ist was ernstes."
„Nein, Liam. Das .. Das ist doch verrückt." Mercedes nutzte den Moment, entriss Liam ihre Hände und schob eilig ihren Stuhl zurück, um von hier zu verschwinden. „Du bist doch verrückt, Liam."
„Mercedes!"
„Lass mich in Ruhe, Liam", rief sie ihm über die Schulter zu, während sie eilig aus dem Café und die Straßen zu ihrer Wohnung entlang rannte. Mercedes musste so schnell wie möglich von Liam weg. Er war verrückt. Wie kam er nur auf die Idee, dass sie Gefühle, die über das Freundschaftliche hinausgingen für ihn hegen würde? Liam war stets ein Freund gewesen - nicht mehr, nicht weniger. Geschockt von dem Geschehen fischte sie ihr Handy aus der Hosentasche und tippte rasch eine Nachricht an Phoebe. Sie musste mit Phoebe reden. Die Situation stieg ihr über den Kopf und sie brauchte dringend jemand, der ihr durch diese Chaos hindurch half.
Völlig außer Atem erreichte sie ihren Wohnkomplex, sprintete die Treppen hoch und schloss mit zittrigen Händen die Tür auf. Mercedes warf die Tür hinter sich zu, schloss die Tür wieder zu und ließ sich auf die Matratze nieder, bevor ihre schlotternden Knie ganz den Geist aufgaben.
Sie hatte kein gutes Gefühl bei der Sache und überprüfte rasch ihr Handy. Phoebe hatte ihr geantwortet, dass sie in wenigen Minuten ankommen würde und Mercedes atmete erleichtert auf. Sie musste sich beruhigen. Es würde alles gut werden.
Erschrocken zuckte sie zusammen, als jemand mehrfach gegen ihre Tür hämmerte.
„Mercedes, wir müssen reden", schrie Liam und beim Klang seiner wütenden, lauten Stimme zuckte Mercedes zusammen. Das flaue Gefühl in ihrem Bauch wurde von Sekunde zu Sekunde immer schlimmer und sie betete, dass Phoebe schneller als erwartet hier eintreffen würde. „Ich weiß, dass du hier bist, Mercedes. Mach die Tür auf!"
„Geh weg, Liam. Ich will nicht mit dir reden." Mercedes schlang die Arme um ihre Beine.
„Mach sofort die Tür auf oder ich sehe mich gezwungen die Tür einzutreten."
„Verschwinde oder ich rufe die ..."
Ein lautes Krachen ließ sie erneut zusammenzucken und sie rutschte über die Matratze bis sie die Härte der Wand im Rücken spürte. Es krachte ein weiteres Mal und Mercedes stellte entsetzt fest, dass ihre Tür unten aus dem Schanier gesprungen war. In der nächsten Sekunde schwang die Tür auf und klatschte laut gegen die Wand. Liam kam mit weit aufgeblasenen Nasenflügeln in ihr Zimmer und blickte sich um. Als er sie entdeckte, breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus, dass seine Augen nicht erreichte. Ihr lief ein Schauer über den Rücken und Mercedes sah sich panisch in ihrem Zimmer um. Sie musste irgendetwas finden, womit sie sich gegen ihn verteidigen konnte? Er machte ihr verdammt nochmal Angst.
„Was tust du da, Liam?"
„Ich werde nicht zulassen, dass nach allem, was ich für dich - was ich für uns getan habe - du zu diesem Kerl zurückkehrst", zischte er und kam bedrohlich langsam auf sie zu.
„Was hast du getan?"
Liam verdrehte die Augen. „Mercedes, sei doch nicht dumm."
„Liam, bitte bleib stehen. Du machst mir Angst", kreischte sie, stand auf und griff eilig nach der Schreibtischlampe. Bevor sie die Lampe aus der Steckdose reißen und als Waffe gegen ihn verwenden konnte, hatte er sie bereits erreicht. Seine Finger schlossen sich fest um ihr zierliches Handgelenk, sodass sie vor Schmerzen kurz aufschrie und die Lampe losließ. Barsch packte Liam sie an die Schulter und drückte sie gegen die Wang, während er ihr mit seinem Gesicht viel zu nahm kam.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sein Atem über ihre Haut strich und Mercedes wurde schlecht. „Ich habe alles für dich getan. Ich habe dir zu verdeutlichen versucht, dass Hayden ein undankbares, egoistisches Arschloch ist, dass dir nicht traut. Und nach all dem liebst du ihn noch immer? Was soll ich denn noch tun, damit du begreifst, dass er nicht der richtige Mann für dich ist?"
„Liam, was hast du getan?"
Mercedes biss sich auf die Unterlippe und konnte die Tränen nicht zurückhalten, als er sie zu schütteln begann und sie mit dem Hinterkopf gegen die Wand stieß.
„Was ich getan habe?", lachte Liam gehässig und schüttelte wütend den Kopf. „Ich habe Alles getan, um euch auseinander zu bringen. Ich habe die Gerüchte über deine Untreue in Umlauf gebracht. Ich habe ihm eingeredet, dass er seine Freunde durch dich vernachlässigen würde. Ich habe ihm gezeigt, was er sehen musste, um zu glauben, was alle tuschelten. Ich habe alles getan, was Hayden brauchte, um mit dir Schluss zu machen."
Ihr Herz barst in tausend Teile. „Liam, ich dachte, du wärst ein Freund gewesen."
„Ich wollte nicht ein Freund, sondern dein Partner sein. Dich in den Armen eines anderen Mannes zu sehen wie die ihn voller Bewunderung ansiehst, ihn anhimmelst und jeden um dich vergisst, sobald er den Raum betrat. Ich wollte dich und das Hayden, mir mehr vertraut hat als seiner Freundin sollte dir zeigen, dass eure Beziehung zueinander wohl doch nicht so stabil war."
„Du .. Du bist doch... krank."
Liam löste seinen Griff um ihre Schultern, umfing mit einer Hand ihr Kinn und hob ihr Gesicht an, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. Mercedes presste ihre Augen fest zusammen, zählte leise von Zehn herunter und nutze den Überraschungsmoment, um ihr Knie in seine Weichteile zu rammen. Relexartig hielt Liam sich die schmerzenden Eier und Mercedes nutzte die Gelegenheit zur Flucht. Eilig rannte sie aus seiner Reichweite und griff im Vorbeigehen nach ihrem Rucksack, als sie ein heftiger Stoß in den Rücken das Gleichgewicht verlieren ließ. Wie in Zeitlupe sah Mercedes den Boden auf sich zu rasen und brachte lediglich eine letzten Schrei heraus, bevor sie mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug und alles um sie herum schwarz wurde.

UnverhofftWhere stories live. Discover now