Kapitel 14

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Beeindruckt blickte Mercedes an dem riesigen, verspiegelten Gebäude hinauf, vor dem Phoebe angehalten hatte. Es lag sehr zentral, dicht an der Innenstadt und dem Strand. Hier sollte tatsächlich Hayden wohnen? Hatte sich Phoebe nicht womöglich vertan.
„Kommst du, Mercedes?", riss Phoebe sie aus ihren Gedanken und verschwand durch die Tür im Inneren. Fasziniert nahm sie den weißen Marmorboden sowie den eleganten Empfang auf der rechten Seite und die weißen Vasen mit den roten Rosen zur Kenntnis. Schlicht, elegant, eindrucksvoll.
Ihr Pulsschlag beschleunigte sich und sie wischte ihre schweißnassen Hände an ihrer weißen Bluse ab, während sie in den Aufzug stiegen und den Knopf für das 14. Stockwerk drückten. Seit ihrem Mittagessen am Montag konnte sie an nichts anderes mehr denken, als an die Geburtstagsfeier von Phoebe, die in Haydens Wohnung stattfand. Sie hoffte, dass seine Wohnung nicht so aussah wie sein Zimmer damals. Überall hatte sich die getragene, schmutzige Wäsche auf mehreren Haufen getürmt, vereinzelt lagen Notizblätter aus der Schule und gelegentlich nutzte er seine Schulbücher und Lektüren als Ablage für seine schmutzigen Schuhe. Sie erschauerte bei der Erinnerung an den chaotischen, grausamen Anblick seines Zimmers und hoffte, dass seine Wohnung in einem gästetauglichen Zustand war.
„Du denkst bestimmt gerade an sein chaotisches Zimmer früher oder?", lachte Phoebe und grinste breit.
„Manchmal glaube ich, dass du Gedanken lesen kannst."
Phoebe zuckte mit den Achseln. „Wer weiß. Vielleicht kann ich das oder ich habe einfach einen guten Instinkt. Mach dir keinen Kopf. Seine Wohnung ist sehr sauber. Kannst du dich noch erinnern, was er früher über seine künftige Wohnung gesagt hat, wenn Mom mit ihm wegen der Unordnung geschimpft hatte?"
Mercedes musste ebenfalls lächeln. „Stimmt, er hat geantwortet, dass er die vier Wände, die er besitzt achtet und soweit pflegt, dass man von jeder Oberfläche essen kann."
„Und er hat es tatsächlich umgesetzt. Du wirst erstaunt sein." Mit einem Pling verkündete der Fahrstuhl, dass sie 14. Etage erreicht hatten und sie stiegen eilig aus. Phoebe klingelte bei der linken Tür, die sich Sekunden später öffnete.
„Alles Gute zum Geburtstag, kleine Schwester", gratulierte Hayden, umarmte sie und reichte ihr dann einen linken Umschlag. „Ein Teil deiner Gäste ist bereits da."
„Danke, Hayden." Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, zwinkerte ihr kurz zu und verschwand dann in der Wohnung. Hayden musterte sie wieder von Kopf bis Fuß, trat einen Schritt zur Seite und schloss dann die Tür hinter ihr.
„Sehr nett von dir, dass du Phoebe hier feiern lässt", sagte sie, während sie die Kommode neben der Tür musterte. Auf der Kommode standen zwei Bilder. Eines zeigte Phoebe und ihn wie sie auf seinem letzten Ball der Highschool getanzt hatten und auf dem anderen Bild waren seine Eltern abgebildet. Es musste ein aktuelleres Bild sein, denn seinen Vater hatte sie noch als schwarzhaarigen, schlanken Mann in Erinnerung. Auf dem Bild waren seine Haare schon größtenteils ergraut, aber das Lächeln war unverkennbar. Seine Frau hatte sich die schönen braunen Haare zu einem Dutt gebunden und lächelte ihren Mann verliebt an, während ihre Hand auf seiner Brust lag. Mercedes presste die Lippen fest aufeinander und wand Hayden den Rücken zu, damit er ihren glasigen Blick nicht bemerkte. Sie hatte seine Eltern mehr geliebt als ihre eigene und wurde in deren Familie wie eine dritte Tochter aufgenommen. Zu sehen wie glücklich alle waren, während sie in ihrer Familie nur Hass, Wut und Fehlerhaftigkeit kannte, versetzte ihrem Herzen einen Stich.
„Darf ich dich einmal rumführen?"
„Musst du nicht die Tür für die Gäste öffnen." Er lächelte.
„Irgendwer wird die Tür schon aufmachen, wenn es klingelt. Komm mit." Er legte ihr eine Hand auf den Rücken und schob sie vorwärts in den offenen Wohnbereich. Fassungslos sah sie durch die Fensterfront auf den Strand hinaus, bevor ihr Blick durch den Raum schweifte. Über einem Kamin hing ein riesiger, schwarzer Fernseher und davor stand eine schwarze Sofagruppe, die Wände waren weiß und abgesehen von einigen Großstadtaufnahmen leer. Der Raum war bereits gut gefüllt und Mercedes hatte Schwierigkeit voranzukommen. Die Hand in ihrem Rücken dirigierten sie durch einen Türbogen in die Küche, wo sie auf die Straße hinuntersehen konnte. Hayden deutete auf einen weiteren Türbogen und sein warmer Atem strich über den Hals. „Dort entlang geht es zu meinem Arbeits-, Schlaf- und eigenem Badezimmer sowie dem Gästezimmer mit Bad."
„Als Basketballspieler musst du ganz schön gut verdienen", stellte sie trocken fest, während sie mit einer Hand über die kalte Arbeitsfläche seiner Küche fuhr. Auf dem Tisch standen neben Papptellern und Plastikbesteck belegte Brötchen, Salate, Brot und kleine Dessertgläser mit Wackelpudding und Vanillesoße. Neben dem Herd stand eine Schüssel mit Obst und sie entdeckte neben dem Kühlschrank einen Kaffeevollautomaten. Mercedes musste nicht mehr sehen, um zu wissen, dass die Wohnung teuer, elegant und schlicht aussah. Er hatte in den vergangenen Jahren wirklich etwas aus seinem Leben gemacht und clevere Entscheidungen getroffen haben.
„Man kann davon leben", sagt er, schnappte sich einen Apfel aus einer Obstschale und biss genüsslich hinein.
„Hast du die Wohnung gekauft oder gemietet?"
„Gekauft", antwortete er, zuckte mit den Schultern und deutete dann zum Wohnzimmer. „Ich fand die Aussicht toll."
„Wie lange wirst du hier bleiben?"
„Mein Vertrag läuft erst einmal vier Jahre."
Mercedes wand sich gerade von der Fensterfront ab, als ein paar kichernde Kommilitoninnen in die Küche traten und sich um Hayden versammelten. Er warf ihr einen kurzen, entschuldigenden Blick zu, bevor er nickend die Küche verließ und ins Wohnzimmer verschwand. Sobald er die Küche verlassen hatte, kam Holly herein und reichte ihr ein Glas Wasser.
„Ist bei dir alles gut?" Mercedes nickte. „Ihr redet wie normale Menschen miteinander. Das ist doch ein gutes Zeichen."
„Die Frage ist wie lange noch. Ich habe keine Ahnung, wie ich den Moment erkenne, in dem ich ihm die Wahrheit sage."
„Du wirst spüren, wann es der richtige Zeitpunkt ist, um die Karten offen auf den Tisch zu legen. Ich bin mir da ganz sicher." Holly legte ihr mitfühlend eine Hand auf die Schulter. „Sieh es positiv. Es wird schon gut werden und vielleicht könnt ihr eure Differenzen von damals auch so schon klären."
„Hattest du schon einmal eine Beziehung, in der du jemanden bedingungslos geliebt hast? Und wo es dir das Herz aus der Brust gerissen hat, als die Beziehung scheiterte?"
„Ich habe jemanden verloren, der mir sehr viel bedeutet hat und weiß, dass man um denjenigen, den man liebt, kämpfen sollte, wenn man die Chance dazu hat." Holly blickte sie aus ihren grünen Augen traurig an und drückte ihren Arm, bevor sie sich umdrehte und in das Wohnzimmer zurückkehrte. Mercedes lehnte ihre Stirn an die Fensterscheibe, schloss die Augen und atmete tief durch. Sie konzentrierte sich auf das Gefühl ihres schlagenden Herzens und dachte über Hollys Worte nach. Ihre liebevolle, hilfsbereite Freundin hatte ihr einen guten Ratschlag gegeben, den sie sich zu sehr zu Herzen nahm.
Sie sah noch einige Minuten aus dem Fenster und beobachtete gebannt wie die Sonne allmählich unterging und die letzten Strahlen den Himmel erhellten. Gedanklich war sie jedoch ganz weit weg. Geistesabwesend nippte sie an ihrem Wasser und dachte darüber nach, wie sie ihre strengen, barschen Eltern, ihr Studium und ihren ahnungslosen Ex-Freund, der sie eigentlich hasste zielorientiert unter einen Hut bringen konnte.
Das Klirren von Gläsern und stetig näher kommendes Lachen riss sie aus ihren Gedanken. Langsam wand sie sich um und wich erschrocken zurück, als ein Mädchen auf sie zu stolperte und dabei ihr Glas fallen ließ. Es zerschellte laut auf dem Boden.
„Shit. Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht anrempeln", lallte sie, zog ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und begann eilig an ihrer Bluse zu rubbeln. Etwas kaltes breitete sich auf ihrem Busen aus und wie in Zeitlupe blickte Mercedes an sich runter. Ihre Mutter würde sie umbringen. Auf ihrer weißen Seidenbluse war ein riesiger roter Fleck zu sehen und die Versuche den Rotwein zu entfernen, erzielten etwas vollkommen Gegenteiliges.
Das Mädchen murmelte weiterhin zutiefst betrübte Entschuldigungen, wobei sie darüber philosophierte wie sie überhaupt hatte stolpern können. Mercedes hielt ihre Hände fest, sodass das Mädchen mit tränenverhangenen Blick zu ihr aufsah.
„Es ist nur eine Bluse." Eine Bluse, die ihr Todesurteil bedeuten würde, wenn ihre Mutter davon erfuhr.
„Mary?" Hayden tauchte im Türrahmen auf und eilte auf sie zu. Sein Blick glitt zu dem roten Fleck auf ihrem weißen Hemd, dann zu dem traurigen Mädchen, den Scherben zu ihren Füßen und blieb schließlich wieder an ihr hängen.
„Ich werde nachhause fahren. Ich habe morgen früh sowieso eine Vorlesung und müsste bald gehen", murmelte sie und legte dem Mädchen die Hände auf die Schulter. „Ich mochte die Bluse auch gar nicht."
„Wirklich?", schniefte sie.
„Nein."
„Du kannst so nicht nachhause fahren. Ich gebe dir ein T-Shirt von mir." Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte Hayden sie am Arm gepackte und führte sie vorbei an einigen Schaulustigen in einen Gang, wo er schließlich die letzte Tür öffnete. Ihr klappte der Kiefer herunter. Nur wenige Meter vor ihr stand ein riesiges, breites Bett mit schwarzen Laken. Kombiniert mit den zwei Fensterfronten, die das Bett umschlossen und der Sonne, die am Horizont im Ozean versank, wirkte das Bett majestätisch, eindrucksvoll, atemberaubend.
Hayden drehte sich zu ihr um und lächelte.
„Du kannst dich gerne einmal hinlegen. Es ist nicht zu hart und nicht zu weich. Genau richtig." Mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen verschwand er in einem weiteren Raum und kam wenige Sekunden später wieder, um die Tür hinter ihr zu schließen. „Das Bad ist dort. Ich bringe dir gleich ein neues Shirt."
Er deutete zu dem Raum, aus dem er vor wenigen Sekunden gekommen war und verschwand dann in einem weiteren Raum. Hatte er etwa einen begehbaren Kleiderschrank? Kopfschüttelnd wand sie sich von dem Bett und der prächtigen Aussicht ab. Das Bad war cremefarbend und die große Dusche sowie die Badewanne lösten Gedanken in ihr aus, die sie in diesem Augenblick nicht haben sollte. Langsam knöpfte sie ihre Bluse auf, ließ sie auf den Boden fallen und betrachtete sich in dem Spiegel. Ihren weißen Spitzenbh konnte sie ebenfalls entsorgen. Das linke Körbchen war durch und durch mit Rotwein befleckt und Rotwein bekam man nicht mehr aus der Kleidung. Sie nahm sich einen Waschlappen von einem Stapel, hielt ihn unter den Wasserhahn und begann den Rotwein von ihrer Haut abzuwaschen.
Prüfend blickte sie zur Tür und stellte sicher, dass Hayden sie nicht beobachtete, bevor sie das durchtränkte Körbchen herunterzog. Hastig reinigte sie auch ihre Brust, trocknete sich mit einem sauberen Handtuch ab und rückte ihren BH wieder zurecht.
In diesem Moment räusperte sich jemand. Erschrocken drehte sie sich um und entdeckte Hayden, der in der Tür lehnte und ein schwarzes T-Shirt in seiner Hand hielt.
Er stieß sich ab, kam auf sie zu und reichte es ihr.
„Du kannst es behalten", sagte er mit rauer, belegter Stimme. Ihre Härchen auf den Armen stellten sich auf und ihr wurde ganz heiß. Ungeniert glitt sein Blick von ihren Augen zu ihren leicht geöffneten Lippen und schließlich zu ihren Brüsten, die durch den weißen Push-Up-BH noch weiter nach oben gedrückt wurden. „Fuck."
Sie sah an seinem tanzenden Adamsapfel und dem lodernden Feuer in seinen Augen, dass ihn diese Situation keineswegs kalt ließ. Mit zittrigen Händen nahm sie das Shirt entgegen, wand ihm den Rücken zu und zog es sich über. Als sie ihre Haare aus dem Kragen herauszog, stellte sie überrascht fest, dass er nun direkt hinter ihr stand. Seine Hände lagen auf ihren Hüften und er atmete tief den Geruch ihrer Haare ein. Sie musste sich zusammenreißen, sich nicht zurück an seine Brust zu lehnen und den Kopf so weit zur Seite zu neigen, sodass er ihren Hals küssen konnte. Als sie sich langsam zu ihm umdrehte und sich ihre Blicke begegneten, sah sie die brennende Lust und das Verlangen in seinen Augen. Unwillkürlich presste sie die Schenkel zusammen und erinnerte sich an ihre leidenschaftlichen Küsse, seine Hände, die sie zärtlich streichelten und die intensiven Gefühle, die sein lustvoller Blick in ihr auslöste.
Ihr Hand lag auf seiner Brust und sie legte den Kopf in den Nacken, um ihn ansehen zu können.
„Danke, Hayden." Er schluckte. Mercedes schloss einen Moment die Augen und holte tief Luft. „Schlaf gut."

UnverhofftWhere stories live. Discover now