Kapitel 17

275 23 2
                                    

„Lass uns Männer spielen. Du würdest dich nur verletzen." Wütend starrte sie Hayden an. Wieso nahm er sie überhaupt mit, wenn sie am Ende ruhig in einer Ecke sitzen, ihm zu sehen und kein Wort sagen sollte? Manchmal wusste sie nicht recht, ob es in Haydens Gegenwart oder in der ihrer herablassenden, kaltherzigen Eltern schlimmer war. Hayden war der Mensch, der ihr halt gab, bei dem sie sich geborgen fühlte und nichts ihr etwas anhaben konnte. Doch in letzter Zeit gerieten sie immer öfter aneinander. Er sagte verletzende Dinge, ignorierte ihre Gefühle und zeigte kein Interesse an ihrem derzeitigen Problemen.
Im Moment stellte Mercedes sich stets die Frage, wieso sie eigentlich Zeit mit ihm verbrachte? Zeit, die er gleichzeitig für seine engsten Freunde nutzte, sodass ihre Zweisamkeit völlig auf der Strecke blieb.
Traurig setzte sie sich neben dem Volleyballfeld in den Sand, blickte auf das Meer hinaus und unterdrückte die aufsteigenden Tränen. Was hatte sie nur verbrochen, dass kein Mensch sie auf Dauer zu lieben vermochte? Ihre Eltern sollten ihr Geborgenheit, Schutz und Unterstützung schenken stattdessen erntete sie Spott, Hohn und kontinuierliche Kritik. Und der Mann, in den sie sich verliebt hatte und der ihr monatelang zur Seite gestanden hatte, war auf einmal total abweisend, herablassend und desinteressiert. Wieso tat man ihr das an? Sie hatte in ihrem Leben nichts verbrochen, was das Verhalten ihrer Mitmenschen ihr gegenüber rechtfertigte.
Schluchzend wischte sie sich eine Träne von der Wange, die sie nicht hatte zurückhalten können.
Dong. Etwas prallte ihr gegen den Kopf und sie schlug mit dem Kopf auf die Knie, was ihr erneut Tränen in die Augen trieb.
„Sorry. War keine Absicht", rief Hayden neben ihr, schnappte sich den Ball, der wenige Zentimeter neben ihr im Sand gelandet war und kehrte auf das Spielfeld zurück.
„Ist das dein Ernst, Hayden?", schrie sie und blickte mit Tränen verhangenen Blick zu ihrem festen Freund, der sie in diesem Moment eigentlich in die Arme nehmen und ihr entschuldigende Küsse auf den Mund drücken sollte. Mit ausdrucksloser Miene stand er zwischen zwei seiner Freunde und blickte sie mit ausdrucksloser Miene an.
„Sei nicht so empfindlich. Es war nur ein Ball. Ich bekomme andauernd Bälle an den Kopf und weine nicht gleich."
Fassungslos blickte sie ihn an. Ihr Herz schmerzte. Und der Schmerz war um ein Vielfaches intensiver als die pulsierende Stelle an ihrem Hinterkopf. „Du bist so ein Arschloch."
„Na. Na. Na. Sowas sagt man aber nicht, Misses Richards." Seine Freunde lachten.
„Was ist nur los mit dir?"
Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Erschrocken wich sie einen Schritt zurück. Sie kannte diesen Blick. Ihr Vater blickte sie immer so an. Hass. Abscheu. Enttäuschung. „Ich sollte dich wohl eher fragen, was mit dir los ist. Am Besten du gehst jetzt. Ich will einen schönen Nachmittag verbringen und du ziehst uns gerade runter."
Demütigung. Sie war es gewohnt von ihrer Familie gedemütigt zu werden, aber das ihr eigener Freund nun in das Boot aufsprang, riss ihr den Boden unter den Füßen weg. Noch nie hatte sie sich durch Respektlosigkeit so verletzt gefühlt. Es fühlte sich an, als hätte Hayden ihr das Herz aus der Brust gerissen, darauf herum getrampelt und dabei gelacht. Er hatte ihr alles genommen.
Erschüttert und unfähig zu denken, schnappte sie sich ihre Sachen und rannte zur nächsten Bushaltestelle, wo sie sich auf die Bank setzte und den Tränen freien Lauf ließ. Was war nur aus ihnen geworden? Vor wenigen Wochen waren sie noch gemeinsam schwimmen gewesen, waren Händchen haltend durch den Park spaziert und hatten Arm in Arm in seinem Bett Filme gesehen bis sie einschliefen. Was war nur geschehen, sodass er sie vor versammelter Mannschaft derartig bloßstellte?
„Mercedes?" Sie zitterte am ganzen Leib und brachte es nicht über sich aufzusehen. Sie wollte nicht sehen, dass sie ihr hinterher liefen und sich darüber amüsierten, dass sie am Boden zerstört war. „Hey. Ich bin da."
Arme legten sich um sie und hielten sie, während sie unkontrolliert schluchzte. „Wieso? Wieso tut er mir das an?"
„Ich weiß es nicht, Mercedes. Du hast das nicht verdient."
Sie weinte noch eine Weile bis keine Träne mehr floss. Langsam richtete sie sich auf, strich sich über die nassen Wangen und blickte dann zu Liam. Er hielt sie noch immer in seinen Armen, hatte die Augen geschlossen und lehnte an den Wänden der Bushaltestelle.
„Danke Liam. Aber du musst hier nicht sitzen."
„Ich finde es nicht richtig, wie er dich behandelt und es macht mich traurig, wenn du so niedergeschlagen bist. Ich konnte dort nicht mehr bleiben." Das sagte einiges über ihre Beziehung zu Hayden aus, wenn sein bester Freund ihr hinterher lief und er nicht. Sie bedeutete ihm nichts mehr.
„Ich hatte wirklich angenommen, dass er mich liebt."
Liam legte ihr eine Hand auf den Unterarm. „Es tut mir leid, Mercedes."
Sie schluchzte, schloss die Augen und versuchte ihre schmerzendes Herz zu ignorieren. „Ich fahre mit dem nächsten Bus nachhause."
„Nein. Ich fahre dich. Komm mit. Das ist das Mindeste."
„Vielen Dank, Liam. Du bist ein guter Freund." Er lächelte, stand auf und reichte ihr dann eine Hand. Sie gingen die Straße hinab zu seinem Jeep, stiegen ein und Mercedes beobachtete die vorbeiziehende Landschaft. Sie musste sich damit abfinden, dass die Beziehung mit Hayden allmählich kaputt ging und es eine Frage der Zeit war bis es offiziell vorbei ist.

UnverhofftWhere stories live. Discover now