Kapitel 32

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Mercedes gähnte glücklich und streckte ihre leicht verspannten Muskeln, während die warme, morgendliche Sonne auf ihre nackte Haut strich. Zufrieden öffnete sie die Augen, zog die Bettdecke über ihre Brust und sah zu dem Mann auf, in dessen Armen sie aufwachte. Hayden hatte noch immer die Augen geschlossen und das regelmäßige Heben und Senken seiner Brust verriet ihr, dass er noch immer schlief.
Sie kuschelte sich dichter an ihn, legte ihren Kopf auf seine nackte Brust und lauschte seinem Herzen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt so glücklich war. In seinen Armen aufzuwachen, war ein wunderbares Gefühl und sie genoss jede einzelne Sekunde. Langsam schloss sie die Augen wieder und versuchte in die Welt der Träume zurückzukehren, als Hayden tief Luft holte und sich unter ihr bewegte.
Überrascht sah Mercedes zu ihm auf. Er öffnete die Augen und blickte zufrieden zu ihr hinab.
„Guten Morgen, meine Schöne", raunte er und beim Klang seiner rauen, kratzigen Stimme jagte ihr Schauer über den Rücken.
„Guten Morgen", erwiderte sie, drehte sich auf den Bauch und drückte ihren nackten Brüste gegen seine Brust.
„Hast du gut geschlafen?"
„Ja und du?" Er nickte. Sein Blick wanderte forschend über ihr Gesicht und blieb schließlich an ihren Lippen hängen. Mercedes rappelte sich auf, schwang ein Bein über seine Taille und stützte sich mit den Armen neben seinem Kopf ab. Ihr Blick wanderte von seinen Augen zu seinem leicht geöffneten Mund. Sie verharrte einige Sekunden über ihm, ehe sie sich zu ihm hinabbeugte und ihre Lippen vereinte. Hayden seufzte genüsslich in den Kuss, vergrub seine Hände in ihrem Haar und drang mit der Zunge in ihren Mund ein. Ihr Atem ging stockender und sie spürte, wie sie erneut zwischen den Beinen feucht wurde. Langsam senkte sie sich auf ihn hinab und lächelte, als sie seinen erigierten Penis an ihrem Bauch spürte, als es plötzlich klingelte. Abrupt hielten sie im Kuss inne und sahen einander verwirrt an.
Hayden unterbrach die Stille, als das Geräusch sofort wieder verstummte. Mercedes hoffte, dass sie sich das alles nur einbildete - auch, wenn dies absolut unmöglich war. „Es wird wohl nicht so wichtig sein. Wir ignorieren das einfach."
Entschlossen legte er seine Lippen wieder auf die Ihre und ihr Kuss wurde mit jedem neckischen Vorstoßen seiner Zunge, jedem spielerischen Biss und jedem genussvollen Saugen intensiver. Es klingelte erneut.
Mercedes stöhnte frustriert auf und vergrub ihren Kopf an seiner Halsbeuge. Das war doch ein schlechter Scherz? Wer unterbrach sie ausgerechnet in diesem Moment? Das Schicksal meinte es nicht gut mit ihr.
Die Klingel wurde ein weiteres Mal betätigt. Diesmal jedoch länger, penetranter, absolut unumgänglich. Ihr unerwünschter Besuch ließ sich wohl nicht so einfach abwimmeln. Hayden schien zum selben Entschluss gekommen zu sein, denn er lockerte seinen Griff in ihren Haaren und seufzte verdrossen. „Warte eine Minute. Ich kümmere mich kurz um den Störenfried und wir machen in einer Minute genau da weiter, wo wir unterbrochen wurden."
Hastig gab er ihr einen beschwichtigenden Kuss, bevor er sie vorsichtig von sich schob und die Beine aus dem Bett schwang. Mercedes blieb bäuchlings auf dem Bett liegen und verfolgte ihn mit den Augen wie er völlig nackt um das Bett herum ging, seine schwarze Boxershorts aufhob und überstreifte. Er warf ihr ein entschuldigendes Lächeln zu, während er sich in der Hose arrangierte. Dann verließ er mit großen Schritten das Schlafzimmer und Mercedes zog sein Kissen zu sich, um ihr Gesicht darin zu vergraben.
Schlagartig verschwand die Lust und ihr wurde ganz mulmig. Sie hatte mit Hayden geschlafen. Sie hatte tatsächlich mit ihrem Ex-Freund Sex gehabt - und das nicht nur einmal in dieser Nacht. Und zu allem Überdruss wusste er noch immer nicht, wer sie wirklich war. Scheiße.
Selbst aus der Ferne konnte sie Haydens wütende, kräftige Stimme hören, bei deren Klang sie erzitterte, weil sie sich unweiglich an ihre letzten gemeinsamen Stunden erinnerte. Unbehaglich drehte sie sich auf den Rücken, zog die Bettdecke über die Brust und starrte an die Zimmerdecke, während sie den Stimmen an der Haustür lauschte.
„Ich bin gerade beschäftigt, Liam." Ihr Herz rutschte ihr in die Hose und für einen kurzen Moment fühlte es sich an, als würde ihr Herz stehen bleiben. Liam. Das war eine Katastrophe.
„Ist deine Freundin da. Du siehst aus, als hättest du eine wilde Nacht hinter dir?", lachte dieser süffisant.
„Liam, das ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt. Können wir uns später treffen?"
Sein Freund lachte. „Ich bin mir sicher, dass du den Tag mit deiner Freundin noch im Bett verbringen möchtest. Ich gehe, sobald ich die Herzdame kennengelernt habe."
Hayden gab wütend protestierende Laute von sich und Mercedes drehte sich bei der hitzigen Diskussion der beiden Sturköpfe der Magen um. Traurig schloss sie einen Moment die Augen und holte tief Luft. Ihre Zeit war abgelaufen. Mercedes wusste ab dem Moment, indem Liam sie kennenzulernen verlangte, dass sie Hayden nicht länger als Mary begegnen konnte. Gestern hatte sie ihre Chance gehabt und verspielt.
Lautlos kletterte sie wie in Trance aus dem Bett, zog sie ihre Kleider vom Vortag an und überprüfte ihren Look im Spiegel über den Waschbecken. Sie war blass, unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab und ihre Augen waren glasig.
Es war vorbei. Sie war geliefert.
Hayden und Liam diskutierten noch immer, als sie das Schlafzimmer barfuß verließ und in der Küche ein letztes Mal innehielt, bevor sie sich dem Löwen zum Fraß vorwarf. Verzweifelt suchte Mercedes nach den richtigen Worten. Was sollte sie ihm sagen, um den Schaden minimal zu halten? Was konnte sie tun, sodass er sie nicht dafür verachtete, was sie getan hatte? Das sie ihm die Wahrheit verschwiegen, mit ihm gespielt und letztlich sogar mit ihm geschlafen hatte. Mercedes fiel nichts ein, was sie sagen konnte, um die Tragik ihrer Handlungen zu dezimieren.
Seufzend trat sie aus der Küche und blickte Hayden eine gefühlte Ewigkeit in die Augen. Mercedes legte all ihre Empfindungen in ihren Blick und versuchte ihm zu vermitteln, was sie für ihn empfand. Das er ihr mehr bedeutete als alles andere auf der Welt.
Liam räusperte sich neben ihr und Mercedes wand widerwillig ihren Blick von Hayden ab, um Liam anzusehen. Sie musste kein Genie sein, um den wissenden Ausdruck in seinem Gesicht zu erkennen. Kaum merklich schüttelte er den Kopf und Mercedes schloss die Augen, um die aufsteigenden Tränen niederzuringen. Es war vorbei.
Liam stieß sich vom Sofa ab und das Geräusch seiner schweren Schritte im sonst totenstillen Raum hallte förmlich von den Wänden wieder, während er zu seinem besten Freund ging und diesem mitleidig eine Hand auf die Schulter legte. Mercedes spürte Haydens verwirrten, fragenden Blick auf sich, konnte jedoch nicht aufhören Liam zu beobachten. Der blonde Mann befeuchtete seine Lippen. „Ich habe es vermutet. Entweder du sagst ihm die Wahrheit oder ich werde es tun."
„Wo .. Wovon sprichst du da?", krächzte Hayden und blickte verständnislos zwischen ihnen hin und her. „Liam?"
„Hayden", begann Mercedes, wand ihren Blick Hayden und würde am Liebsten davon rennen. Doch, wenn sie mit Hayden über Damals und ihre vergangenen Wochen reden wollte, dann müsste sie nun Größe beweisen und ihm die Wahrheit sagen - denn andernfalls würde er ihr nie verzeihen. „Mein Name ist nicht Mary. Ich heiße Mercedes und ..."
Mercedes holte Luft. „.. und wir sind uns am See nicht zum ersten Mal begegnet, sondern ..."
Hayden wurde kreidebleich, als er endlich begriff wer sie war. Ihr Herz zerbrach in tausend Teile, als sein Blick sich veränderte. Die Verwirrung wich rasch Wut, Fassungslosigkeit und Entsetzen. Er hasste sie. Sie kannte diesen Blick und hatte sich einst gewünscht nie wieder mit einem solchen Blick bedacht zu werden.
„Verlass sofort meine Wohnung", zischte Hayden, während er vor Wut förmlich zu wachsen schien. „Ich will dich nie wieder sehen, Mercedes."
Er sprach ihren Namen mit einer solchen Abscheu aus, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurück machte und erschauerte. „Hayden, bitte ..."
„Raus. Verschwinde, bevor ich mich vergesse", schrie er sie an und sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Blitzschnell machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte aus der Wohnung. Wie verrückt betätigte sie den Knopf für den Fahrstuhl und konnte nicht schnell genug eintreten, um den Knopf für die Lobby zu drücken und von hier zu verschwinden. Es war vorbei. Aus und vorbei. Und sein Hass für sie schien noch weiter geschürt zu sein.
Ihr Leben lag in Trümmern. Wenn sie am gestrigen Tage noch ein kleines Licht im Tunnel hatte sehen können, so war nun auch dieses erloschen und hatte ihr somit auch ihr letztes Fünkchen Kraft geraubt. Zugern würde sie auf den Boden sinken lassen, den Kopf in den Armen vergraben und weinen. Nun war sie nicht nur arm, perspektivlos und zutiefst niedergeschmettert. Sondern auch noch einsam! Mercedes hatte sich noch nie so hilflos gefühlt wie in diesem Augenblick.

Ihre Augen brannten und ihre Nase lief. Mercedes hob den Saum ihres Top an, rieb über die Nase und blickte angewiderte auf den mit Schnodder beschmierten Stoff. Ihr Leben war so traurig. Sie hatte nicht einmal mehr Taschentücher.
Schniefend erklomm sie die Treppen zu ihrer Wohnung, kramte in ihrer Tasche nach dem Schlüssel und betrachtete trübe den Raum, nachdem sie die Tür geöffnet hatte. Mercedes lachte ironisch auf, während ihr Blick über die wenigen Möbel wanderte. Ihr neues Zuhause passte perfekt zu ihrem neuen Leben. Es sah weder geliebt aus, war noch vielfältig und wirkte trüb, melancholisch und einsam. Ihr Leben war eine Katastrophe und Mercedes hatte keine Ahnung, was sie nun tun sollte.
Ihr war bewusst gewesen, dass Hayden keine Freudensprünge machen würde, wenn er die Wahrheit erfuhr. Dennoch war sie nicht auf seine Reaktion gefasst gewesen.
Kraftlos glitt sie an der Tür herab und seufzte, als ihr Handy im Rücksack zu klingeln begann. Ihr Herz klopfe in der Hoffnung, dass es Hayden wäre, der sie anrief, schneller und tat gleich darauf weh, als sie Phoebes Namen auf dem Display aufleuchten sah. Mercedes wischte über den Display, lehnte den Anruf ab und schaltete das Gerät aus.
Ihr Leben war eine Katastrophe und in diesem Augenblick wollte sie niemanden sehen und von niemanden etwas hören. Sie war am Ende und es gab niemanden auf der Welt, der ihr in diesem Moment helfen konnte. Mercedes hatte sich alles selbst eingebrockt und musste zusehen, dass sie von selbst aus ihrer Misere herauskam.

UnverhofftWhere stories live. Discover now