2. ~ „Ich bin kein guter Mensch."

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Ich laufe auf und ab.
Hin und her.
Vor und zurück.
Fahre mir durchs Haar.
Umfasse mein Gesicht.
Stecke die Hände in die Hosentaschen. Ohrfeige mich selbst.
Und vermeide den Blick zur Zimmertür. Ich spüre den Blick des Soldaten vor der Zimmertür auf mir liegen, jedoch wende ich mich von ihm ab und lege den Kopf in den Nacken, während ich die Augen zusammen kneife.
Ich weiß nicht genau wie lange ich hier im Flur bereits stehe.
Seit der Nacht habe ich kein Auge mehr geschlossen, geschweige denn das Thema angesprochen oder weiter darüber nachgedacht.
Ich versuche mit geschlossenen Augen mich auf den Beinen zu halten, mich abzulenken, als eine Zimmertür geöffnet wird, die Zimmertür.
Rasch drehe ich mich um.
„Könnt Ihr dies bitte Lady Viola übergeben?", Kirsten kommt aus dem Zimmer und weist den Soldaten an. Dieser nickt und macht sich sofort auf den Weg, während Kirsten mir entgegen kommt, mich dabei ausdruckslos anschaut, den Kopf kurz neigt und dann an mir vorbei läuft.
Ich schaue der Dame kurz verwirrt hinterher und starre dann wieder die Zimmertür an.
Laufe auf und ab.
Hin und her.
Vor und zurück.
Fahre mir durchs Haar.
Umfasse mein Gesicht.
Stecke die Hände in die Hosentaschen. Ohrfeige mich selbst, ehe ich an die Zimmertür trete, leise klopfe und dann eintrete.
Das Zimmer sieht so aus, wie ich es in Erinnerung habe - ich war ja auch nicht lange weg.
Die Gardinen verdecken nicht die ganze Sicht nach außen, weswegen es relativ hell im Zimmer ist.
Der Kamin, die Couch, die Tür zum Badezimmer und das Bett, worin sie liegt.
Leise schnappe ich mir den Stuhl vom Schreibtisch, stelle ihn zu ihr ans Bett und setze mich hin, damit ich sie beobachten kann.
Anabeth liegt in ihrem Bett, umhüllt von einer dicken Decke, noch in meinem Shirt und schläft unruhig vor sich hin. Ihr Atmen geht unregelmäßig und ihre Lider zucken wie wild.
Träumt sie schlecht?
Ich beuge mich vor und betrachte sie von oben bis unten, in diesem Körper wächst nun etwas heran.
Und von wem?
Ich lehne mich wieder zurück und verschränke die Arme vor der Brust, während ich sie einfach weiter beobachte und angesprengt die Augenbrauen zusammen kneife.

Mein Kopf nickt ein, sodass ich zusammen zucke und wieder wach werde. Ich schaue mich schnell um, denn Anabeth liegt nicht mehr im Bett. Doch dann höre ich Geräusche aus dem Badezimmer. „Betty?"
Ich springe auf und lehne mich an die Badezimmertür, will sie öffnen, doch sie ist von innen verschlossen. „Alles in Ordnung?", frage ich, als ich Würgen und Seufzer höre. „Anabeth!"
Verärgert ziehe ich die Augenbrauen zusammen, denn ich kann die Tür nicht öffnen.
Als die Spüle ertönt, trete ich einen Schritt zur Seite. Kurz danach öffnet sich die Tür und sie tritt hinaus. Ohne mich anzuschauen, setzt sie sich an den Rand des Bettes und fährt sich angestrengt übers Gesicht.
„Mir ist morgens immer übel", murmelt sie, während ich neben den Stuhl trete. Die Muskeln in meinem Gesicht arbeiten, denn ich verziehe es nur noch immer, auch als sie mich anschaut. „Du erwartest also ein Kind?", entkommt es mir, ganz unüberlegt. Sie nickt, ganz vorsichtig. „Ich habe es kurz nachdem ganzen Trubel erfahren", bricht sie ab. „Ich wollte es dir erzählen, aber du warst nicht da"
Wieder lasse ich mich wieder in den Stuhl fallen und schaue Anabeth an.
Plötzlich verschwimmt sie vor mir sitzend und ich bekomme sie einfach nicht mehr scharf. „Du, du bekommst ein Kind?", mein Kopf arbeitet, denn ich versuche meine Sicht wieder herzustellen, als ich bemerke wie meine Hände anfangen zu zittern, zu zucken und zu schwitzen.
„Ich bin nicht weit, erst ein paar Wochen, aber ja", sie wird immer leiser, das höre ich, aber ich sehe nichts. Ich stehe auf und versuche etwas zu fokussieren, jedoch bleibt alles verschwommen. Ich balle vor Verzweiflung die Hände zu Fäusten und stütze mich an der Wand ab. Ich will das kleine Gemälde vor mir betrachten, jedoch bleibt auch dies unscharf.
Mit voller Wucht hole ich mit der Faust aus und schleudere sie in die Wand hinein.

Stille.
Ich blinzle und mit zusammen gebissenen Zähnen fokussiere ich meinen Arm in der Wand, der Stück für Stück wieder klarer zu sehen ist. Ich atme vorsichtig durch und ziehe langsam meine Faust aus der Wand, in der ich ein Loch hinterlassen habe.
Ich umfasse meine pochende Hand, drehe mich langsam um und starre dabei in ein glasiges und verängstigtes Gesicht. Anabeth schaut mich mit einem Ausdruck an, den ich noch nie zuvor auf ihr gesehen habe, der mich jedoch nur noch wütender macht, als ich es wohl schon bin.
Ich fahre mir durchs Haar und laufe auf und ab.
Hin und her.
Vor und zurück.
„Wie kannst du mir das antun?", mein Gehirn hat viel zu viele einzelne Fetzen in der Hand und weiß nicht welchen Zettel er zuerst lesen soll. „Das ist nicht möglich", das ist der zweite Zettel, denn ich klar lesen kann, während ich auf und ab laufe. „Anabeth, was hast du dir dabei gedacht?", der dritte Zettel, während ich hin und her laufe. „Du hast mit ihm geschlafen und mit mir, ist dir das bewusst? Du weißt, dass du das Kind von einem Mörder in dir trägst?", vor und zurück.
„Es reicht!"
Ein schriller Schrei ertönt, der mich sofort stehen bleiben lässt. Ich schaue Anabeth an, die mich unter Tränen anschaut und verzweifelt nach Luft ringt. „Ich habe mir das nicht ausgesucht„
„Dann werde es los!", ein unlesbarer Fetzen in meinem Kopf, der viel zu schnell von mir ausgesprochen wird als mir lieb ist. Ich verstumme und sehe förmlich wie Anabeth den Boden unter den Füßen verliert.
„Nein. Nein. Nein!", reagiert mein Körper schneller, als mein Gehirn und ich finde mich vor ihr kniend, während sie meine Berührungen verwehrt. „Ich bin nicht bereit Vater zu werden. Betty, versteh mich doch"
Sie weint nun noch viel mehr. „Sieh doch was es mit uns macht", die Fetzen in meinem Kopf ergeben keinen Sinn und für Anabeth machen sie alles nur noch schlimmer. Ich lasse den Kopf sacken und kralle meine Hände dabei ins Haar. „Ich will dich, Anabeth, so sehr. Ich will dich, aber ein Kind? Ich habe mit meinen bloßen Händen meinen eigenen Vater ermordet. Ich bitte dich. Ich will dich, und das was wir haben kann ich nicht aufgeben, dazu bin ich nicht in der Lage"
„Ist dir bewusst, was du von mir verlangst?",
Sie hat keine Stimme mehr, sodass ich glaube, dass sie gleich zusammenbricht, direkt vor mir. Ich schaue auf, in ein Gesicht, dass ich zum aller ersten Mal so sehe - verletzt, verwirrt und verloren. „Anabeth, ich bitte dich. Was wenn du das Kind von ihm trägst - einem Mörder. Was wenn du das Kind von mir in dir trägst - einem Mörder, der mit noch so vielen weiteren Problem mit sich kommt. Willst du das wirklich? Du bist eine Königin, Betty, du verdienst so viel mehr als das hier"
„Was kann das Baby dafür?", weil sie so instabil ist, fängt sie an zu schreien, was meine Ohren betäubt, sodass ich die Hände vor mir zusammenfalte, um sie nicht zur Vernunft zu schütteln. „Es kann nichts für dich, es kann nichts für mich. Ich werde es beschützen und lieben, mit allem was ich habe", eine kurze Pause. „Ich verstehe es, wenn du ein Kind eines anderen nicht lieben und beschützen kannst, aber was wenn es deins ist? Ich dachte du liebst mich", ihre Stimme bricht und ich will es erwidern, so sehr, um uns zu retten. Ich setze es auch an, doch es verlässt meinen Mund nicht.
„Verschwinde"
Ihre Augen sind trotz Tränen voller Wut und Missachtung, als sie mein Zögern sieht und in diesem Moment hasst sie mich.
Und auch ich spüre, dass ich in diesem Moment nicht der sein kann, der ich vielleicht sein möchte, doch ich kann nichts für dieses Kind sein.
Es ist nicht das was ich will, was ich jemals wollte, was ich kann.
Ich lehne mich zurück und schaue Anabeth bittend an. „Verschwinde", schreit sie mich an und so wahr mein Inneres sich dagegen sträubt, es mir Vernunft einreden will, will auch mein Körper nichts anderes, als zu verschwinden und ganz weit weg von ihr und diesem Kind zu sein.

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