8. ~ „Mein Name ist Travis!"

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Labrinth - Still don't know my name

Ich stütze mich auf der Fensterbank ab und presse die Stirn gegen die kalte Scheibe. Mein Körper fühlt sich an wie auf Entzug, ich schaue mich nach einem Krug um in meinem Gemach, doch finde keinen. Als ich die Tür öffne wendet sich General Jorah zu mir und salutiert. „Ich brauche Alkohol", werfe ich ihm an den Kopf und knalle ihm die Tür wieder vor der Nase zu, setze mich an die Kante des Bettes und starre den Fußboden an.
Es fühlt sich seltsam an.
Ich kann regelrecht spüren, dass mein Körper vom Herzen angetrieben wird.
Es pocht, schmerzt, pocht, zieht sich zusammen, pocht und hämmert.
Meine Kehle ist trocken, meine Augen brennen und meine Narbe zwickt.
Ich fühle mich wie ein Wrack, ein kleiner Junge - der nicht mehr weiter weiß.
„Was soll das?", die Tür zu meinem Gemach wird aufgerissen und John stürmt auf mich zu. „Willst du dich besaufen?"
„Das war der Plan", ich schaue den Soldaten vor mir an, der mich am Nacken packt und regelrecht ins Badezimmer schiebt, während ich nicht mal die Kraft auffinde mich zu wehren.
„Jetzt reiß' dich zusammen, du bist ein König"

Ich fühle mich kein bisschen besser, jedoch hat mein Körper sich wieder beruhigt nach einer heißen Dusche und sehnt sich nicht mehr nach Alkohol. John reicht mir meine Krone, ehe er aus dem Zimmer nickt und ich ihm widerwillig folge, während ich das schwere Teil auf meinem Haupt platziere.
Ethan stoßt auf halben Wege zu uns und begleitet mich ebenfalls, klopft mir ermutigend auf die Schulter. „Bereit?"
„Nein"
Trotzdessen öffnet John die Türen, sodass ich eintreten muss.
Anabeth erhebt sich und schaut mich mit trüben Augen an. Wie konnte ich nicht wissen, dass sie Geburtstag hat? Ich bin wohl der grauenhafteste Mann auf dieser Welt, wie kann sie noch immer bei mir sein?
Henry kommt auf mich zu, zieht mich aus meinen Gedanken und dirigiert mich zum Sessel, doch ich bleibe lieber dahinter stehen. Ethan weicht nicht von meiner Seite, genauso wie John, als sie aus der Nische tritt und auf mich zukommt.
Ich spüre wieder mein Herz, wie es sich zusammen zieht und wie sich ein Kloß in meinen Hals absetzt. Es ist still in Anabeth's Arbeitszimmer, sodass ich glaube, alle können mein pochendes Herz hören.
Ich schaue Caitrina wortlos an.
Braunes Haar, helle braune Augen, blasses Gesicht und fahle Haut. „Ich dachte, du bist tot",  der Kloß wird größer.
Ihre Augen weichen zu Anabeth und dann wieder zu mir. Sie fixiert mich und ich erkenne entrüstet mein Gesicht in ihrem. Ich trete erschrocken zurück und stoße gegen Ethan, der entschuldigend zur Seite tritt.
„Christopher, ich kann das alles erklären"
„Mein Name ist Travis!"
„Ich weiß, es tut mir leid", sie bleibt neben dem Schreibtisch stehen und legt sich die Hände an die Brust, so als ob sie schmerzt. „Travis", wiederholt sie langsam, aber lächelnd. „Bitte setz dich"
Ich zögere und schaue Henry an, er scheint entspannt. Also gehorche ich Caitrina, trete wieder vor und setze mich in den Sessel, sowie Anabeth neben mir.
Ich schaue sie kurz an, kurzes schwarzes Haar, tiefe blaue Augen, anziehender Körper. Ihr Anblick ist Gewohnheit, sodass er mir ein bisschen Sicherheit gibt. Sie schaut mich an und zuckt kaum merklich mit den Schultern, ehe ich mich wieder zu Caitrina wende, die sich ebenfalls hinsetzt, sowie Henry.
Ich muss schlucken und spüre wie meine Narbe wieder anfängt zu zwicken, jetzt vielleicht sogar ein wenig zu brennen beginnt. Ich versuche mich unauffällig zu kratzen, jedoch bringt auch das nichts.
Ich beiße die Zähne zusammen und balle die Fäuste, als sie anfängt zu erzählen:
„Dein Vater und ich wurden uns schon als Kinder versprochen"
Als sie aufschaut und keiner etwas erwidert, fährt sie ohne Pause fort.
„Ich, die Tochter eines Bischofs und der damalige zukünftige König von England. Ich fühlte mich geehrte die Auserwählte deines Vaters zu sein. Jedoch musste ich warten, bis sich mein Körper in eine Frau verwandelte, erst dann habe ich mein Zuhause verlassen, um ihn zu heiraten"
Die Narbe auf meiner Wange brennt weiterhin, als ob mein Körper, vor allem meine Narbe wüsste, dass ihr Ursprung vor mir sitzt. Was keinen Sinn ergibt.
„Leonardo war gütig, respektvoll und achtsam als ich mich ihm versprach", ein kleines Lächeln zieht sich über ihr Gesicht. Ich drücke mich in den Sessel und ziehe die Brauen zusammen.
Ich spüre - rein gar nichts.
„Er legte mir die Welt zu Füßen, doch als er dann König wurde veränderte sich alles. Er wurde zu einem anderen Mensch"
Sie stockt, als ob ein wichtigen Teil der Geschichte nun kommen müsste, sie ihn aber nicht mit uns, mit mir, teilt.
Stattdessen schaut sie mich einen Augenblick lang an, der mir diese Erkenntnis gibt.
Das Gefühl von Nichts verwandelt sich in Misstraum um. Dieser Blick in die Vergangenheit ist die meine, mein Anfang vom Ende.
„Mit dir im Leib, Christopher - ich meine Travis, habe ich sein wahres Gesicht erkannt. Die Brutalität, den Egoismus und das Streben nach Macht zeigten einen völlig anderen Mann. Er schlug mich und sperrte mich weg, damit ich seine Intrigen und geheime Allianzen nicht mitbekommen konnte. Dadurch habe ich nie wirklich mitbekommen, wie er zum mächtigsten Mann der Welt geworden ist. Und ich, als seine Frau war ein Nichts, ich existierte nicht mehr in seinem Bild von der Herrschaft. Ich fühlte mich in meinem sonst so wohligem Zuhause nicht mehr sicher, ich fürchtete mich vor ihm. Nach außen hin war er gutmütig, liebevoll und mir zeigte er Wut, Missgunst und Verachtung. Ich habe seine Wut auf die Welt zu spüren bekommen"
Neben mir regt es sich und ich umgehe den Drang nach Anabeth zu sehen, also fixiere ich weiterhin Caitrina, der Tränen in die Augen steigen, mein Mitleid hält sich in Grenzen.
„Deswegen fühle ich so mit Euch, Eure Majestät. In so einer Zeit müsst Ihr acht auf Euch und das Kind geben"
Mucksmäuschenstille.
Ich umfasse die Lehnen des Sessels und blicke erst zu Anabeth, als ich sie schnaufen höre.
Jetzt ist die Bombe wohl geplatzt.
König Henry schaut seine Tochter voller Entsetzen an, doch schweigt.
Ich habe ihn nie als einen Mann eingeschätzt, der vor Wut oder Empor die Fassung verliert. Henry ist für mich ein gebildeter und ehrenvoller Mann, der seine Familie mit allem liebt und schützt was er besitzt. Auch gegen mich hebt er keinen Groll, obwohl ich der Sohn des Mannes bin, der ihn jahrelang eingesperrt hatte.
Er hat meinen vollsten Respekt. Doch in diesem Moment erkenne ich die Angst in seinen Augen um seine Tochter, die auch ich immerzu in mir spüren kann. Ich habe das dringende Bedürfnis sie aus dieser Situation zu bringen, sie vor Caitrina's Worten zu beschützen und für immer ganz weit weg zu sein. Nur sie und ich.
„Oh, tut mir leid", Caitrina legt bestürzt die Hand vor den Mund, als sie unser aller Schweigen versteht. Anabeth's Schweigen ist Antwort genug. Hinter mir atmet Ethan angespannt aus und John tritt aus Reflex zu mir an die Seite.
Ich erhebe mich, stelle mich hinter die deutsche Königin und umfasse ihren Sessel.
„Wieso habt Ihr ihn nicht früher verlassen?"
Langsam richtet sich die Aufmerksamkeit wieder auf die doch unbekannte Frau vor uns, die sich die Tränen von den Wangen wischt.
„Ich habe oft versucht zu fliehen mit dir, mein Sohn, aber es war aussichtslos. Ich war gefangen am englischen Hof. Unsere anfängliche Liebe schien mir nur noch eine Lüge zu sein. Mein Leben war der größte Ruin"
Während sie erzählt, achte ich auf Anabeth's unruhigen Atem, der mich vom zuhören ablenkt.

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