33. ~ „Auf uns!"

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Dermot Kennedy - Power Over Me

„Wieso malst du?"
Ich klemme den Pinsel zwischen die Zähne und wische mir den Schweiß von der Stirn, als König Henry, mein Schwiegervater, hinter dem Gemälde auftaucht. Ich nehme den Pinsel wieder in die Hand und tauche ihn in die rote Farbe, setze ihn wieder auf das Gemälde und vervollständige die letzten Züge. Henry tritt hinter mich, ehe ich mein Werk vollendet habe. Um einen besseren Blick darauf zu bekommen, gehe ich ebenfalls einige Schritte zurück und bleibe neben meinem Schwiegervater stehen. Ich schiebe die Ärmel von meinem Shirt wieder hoch und betrachte das Portrait.
„Malen ist meine Art von Kontrolle", höre ich mich selbst sagen, doch starre wie in Trance auf das Gemälde vor mir.
„Und wieso ein Selbstportrait?"
Ich blinzle einige Male, ehe ich mich aus der Starre entziehen kann und räuspere mich, ehe ich wieder den Pinsel in die Farbe tauche und entschließe, dass es doch nicht fertig ist.
„Das ist kein Selbstportrait", ich intensiviere die Augenfarbe und blicke dann nochmal objektiv auf die bestrichene Wand.
„Das soll mein Ebenbild sein"
Henry hinter mir schweigt und beobachtet mich, wie ich hier und dort noch einige Striche ansetze, Farben verdunkle oder Schatten verändere.
Ich atme tief ein, als ich ein zweites Mal nach hinten trete und den Pinsel hinter das Ohr klemme. Jedoch schaue ich nicht das Gemälde an, sondern zu dem mächtigen Mann neben mir.
„Jetzt sehe ich es", murmelt er, eher zu sich selbst und kneift die Augen zusammen. „Er hat andere Augen, sie sind so -", er bricht ab, sucht nach den richtigen Worten, „so dunkel. Deine Augen sahen nie so aus"
Ich ziehe einen Mundwinkel hinauf, denn ich glaube, ich habe noch nie so etwas Nettes über mich gehört. „Ist alles in Ordnung?", frage ich und wende mich ihm zu, verschränke die Arme jedoch vor der Brust, da es mir dann doch irgendwo gegen den Strich geht, dass jemand dieses Gemälde zu Gesicht bekommen hat.
„Ja, ich wollte nur nach dir schauen, mein Sohn", Henry legt die Hand auf meine Schulter und nickt kaum merklich. Ich tue es ihm gleich und spüre regelrecht wie er etwas zurückhält, seine Gesichtszüge sind nicht so entspannt wie sonst.
„Bei allem Respekt Henry, aber da brennt Euch doch etwas auf der Seele", ich schaue meinen Schwiegervater ernst an, als er seine Hand zurückzieht und sich ziert. „Es geht um Anabeth", gesteht er. Und sofort steht mein Körper unter Strom und will ansetzen.
„Nein nein, es geht ihr gut", fügt er schnell hinzu, sodass ich nicht mehr auf dem Sprung bin. Er tätschelt mir wieder die Schulter, doch es macht mich unbehaglich, sodass ich mich von ihm wende und beginne meine Utensilien zusammenzupacken. „Ich habe mich nur gefragt, wieso das alles"
Ich nehme den Pinsel vom Ohr und etwas Farbe gelängt so aus Versehen auf die Wange. Ich wische über meine Wange und schaue auf meine Hand, rot gefärbt.
Es zieht mich zurück in die dunkelste Zeit meines Leben.
„Ich nehme mal an, weil ich ihm alles genommen habe", ich balle die Hand zu einer Faust und atme erneut tief durch, ich weiß ganz genau wovon er spricht. „Zuerst habe ich seinen Vater ermordet", ich lege alle Pinsel in ihre Tasche und schließe die Tuben von Farben.
„So bin ich England's König geworden", behutsam lege ich das Gemälde auf dem Tisch ab, auf dem vorher all meine Utensilien lagen, damit ich die Staffelei zusammen klappen kann. „Dann habe ich den Befehl erteilt, seine Mutter zu erhängen", Schulter zuckend bleibe ich vor Henry stehen, der mich ausdruckslos anschaut.
„Ich bin mir sicher ihm alles genommen zu haben - und da wollte er mir alles nehmen"
Henry zieht die Augenbrauen zusammen.
„Aber der Thron ist nicht wofür du lebst", seine Züge werden etwas einfühlsamer.
„Nein", ich schüttle den Kopf.
„Und das macht dich zu einem König dem man gerne folgt, Travis. Dein Lebensinhalt ist nicht die Krone - dein Leben gilt meine Tochter. Der Liebe und deiner Loyalität"
Ich schaue ihm standhaft in die Augen und sehe seine Aufrichtigkeit, seinen Stolz und seine Akzeptanz. „Weiß du mein Sohn, das Privileg von Kindheit habe ich nie wirklich verspüren dürfen. Ich hätte es gerne meiner Tochter überreicht, doch ich darf nicht vergessen, dass du dieses Privileg ebenfalls nicht durchlebt hast. Aber sieh dich an, Junge, vor mir steht ein wahrhaftiger König!"
Seine Worte lassen mich den Kopf zurückziehen. Ich schaue meinen Schwiegervater an, der nun beide Hände auf meinen Schultern abgelegt hat und zu mir hinab schaut, wie ein Vater - der zu seinem Sohn spricht.

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