25 - Ein notwendiger Schritt

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Huch, ein neues Kapitel...

Zitternd saß ich auf der Hängematte vor unserem Haus und wartete auf Reese. Der Typ, der mich aus dieser verdammten Kirche rausgeholt hatte und mich zu meinem Vater gebracht hat, ist in den letzten Wochen ein richtiger Freund geworden.

Er hat mir sogar beigebracht, meine Selbstverteidigungskünste zu verbessern. Denn diese waren ziemlich eingerostet, seitdem ich bei den Griffins wohnte. Schließlich gab es damals niemanden mehr, vor dem ich mich hätte verteidigen müssen. Aber nun haben sich die Dinge geändert und ich bereute es ein bisschen, dass ich nicht weiter damit gemacht habe. Dann hätte ich mich in den Tagen, wo ich bei Shade war, vielleicht besser verteidigen können. Ein Schauer lief mir über den Rücken und unwillkürlich fing mein Hintern an zu brennen, als ich daran dachte, wie Shade mir den Hintern mit seinem Gürtel versohlt hatte.

Die Wunden waren größtenteils wieder verheilt, lediglich zwei leichte weiße Narben waren zurückgeblieben, welche allerdings nur auffielen, wenn man genau hin sah.

Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen, als Reese über den sandigen Boden auf mich zu lief. Neulich hatte ich ihn um etwas gebeten und ich hoffte inständig auf seine Verschwiegenheit diesbezüglich. Mein Vater würde mich vermutlich umbringen, wenn er von meinem Plan erfuhr. Doch was hatte ich sonst für eine Wahl? Shade war gefährlich und man durfte ihn nicht unterschätzen.

Mittlerweile habe ich eingesehen, dass Shade alles mögliche versuchen wird, um mich wieder zu finden. Und ich konnte nicht ewig auf dieser Insel bleiben. Früher oder später würde er mich also finden und dahinter kommen, wer mich entführt hat. Ich wusste zwar, dass mein Vater schlau war und bisher hat es nie einer geschafft, ihn zu kriegen, aber bei Shade war ich mir da nicht so sicher. Außerdem wollte ich in dieser Hinsicht kein Risiko eingehen.

Reese hatte ein breites Lächeln aufgesetzt, als er auf mich zu kam. "Naaa, Kleines. Hast du mich vermisst?", fragte er mich.

Ich verdrehte nur die Augen und sprang von der Hängematte. "Hast du es mit?", fragte ich vorsichtig und versteckte meine zitternden Hände hinter dem Rücken.

"Ah, also heute kein 'Hallo, schön dich zu sehen, Reese'?", rief er gespielt verletzt aus.

Erneut verdrehte ich die Augen, musste dieses mal aber Lächeln. "Hallo, Reese!", sagte ich und zog dabei die Worte extra lang aus. "Aber nun im Ernst, konntest du es besorgen?"

"Es verletzt mich, dass du auch nur in Erwägung ziehst, dass ich es nicht geschafft hätte." Er griff in seine hinteren Hosentasche und zog ein nagelneues Smartphone hervor. "Bitteschön. Es war eigentlich ziemlich leicht die Nummer herauszufinden. Ein Kinderspiel."

Ein Kinderspiel, wofür er über zwei Wochen gebraucht hat und wofür ich ihn anbetteln musste, damit er es für mich tat.

Ich nahm ihm das Handy aus der Hand und starrte es an, als wäre es etwas, was ich noch nie im Leben gesehen hatte. "Danke, Reese.", sagte ich und meinte es wirklich so. Ich wollte gar nicht wissen, was er alles gemacht hat, um daran zu kommen.

Reese zuckte mit den Schultern. "Kein Problem. Habe ich gern gemacht."

"Und wenn ich damit jemand anrufe, dann kann man den Anruf ganz bestimmt nicht zurück verfolgen?"

"Nein, kann man nicht", versicherte er mir. "Und du bist dir ganz sicher, dass du das tun willst?"

"Ich muss. Für meinen Vater." Mit diesen Worten ging ich langsam wieder ins Haus und ließ Reese draußen.

"Heyyy, wir müssen noch trainieren!", rief er mir hinterher.

Ohne zurückzublicken, erwiderte ich: "Nicht heute!" Und schon fiel die Tür meines Zimmers hinter mir ins Schloss.

Ich setzte mich aufs Bett und entsperrte das Handy. Dann öffnete ich die Kontakte und sah diesen einen Namen. Nur eine Nummer war auf diesem Handy gespeichert und zwar seine Nummer.

Eigentlich musste ich, dass ich meinen Plan bereuen werde. Dass ich spätestens nach einem Tag wieder weinend in der Ecke sitzen werde und mich selbst für meine Entscheidung hassen werde. Aber ich hatte keine Wahl, ich musste es riskieren. Für meinen Vater.

Ich klickte auf Shades Namen und ehe ich mich versah, hatte ich seine Nummer gewählt. Was zum Teufel tat ich hier? Panik machte sich in mir breit, als ich das Tuten hörte.

Ich wollte auflegen, aber in diesem Moment meldete sich eine tiefe Stimme am Telefon. "Bellmont", knurrte er ins Telfon und unwillkürlich schoss ein Blitz in meinen Unterleib. Verdammt, wieso hatte er nur diese Wirkung auf mich? Das ist völlig falsch, dass ich so auf ihn reagierte.

"Hallo?", sagte Shade ungeduldig und klang nun etwas sauer.

Ich schnappte laut nach Luft und schlug mir anschließend die Hand vor den Mund, während mir eine Tränen über die Wange lief. Ich schaffte es einfach nicht, was sollte ich nur sagen? Ich konnte unmöglich meinen Plan durchziehen. All die Angst der Tage, als ich bei ihm war, kam nun wieder hoch.

"Mina?", fragte Shade ungläubig. Hatte er etwa meinen Schluchtzer gehört? "Mein Engel..."

Seine Stimme klang nun ganz sanft und das wurde mir zu viel. Ich drückte auf den roten Hörer und schmiss danach das Handy auf das Kissen.

Dann brach ich einfach in Tränen aus. Warum, wusste ich auch nicht. Mein Herz pochte ganz schnell und ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Eine seltsame Emotion machte sich in mir breit. Etwas, was sich wie Sehnsucht anfühlte, aber das war nicht möglich. Ich vermisste Shade nicht, niemals könnte ich so einen bösen Mann wie ihn vermissen, geschweigedenn mich nach ihm sehnen.

Aber warum tat es in meiner Brust nur so weh, wenn ich an Shade dachte? Und warum wurde dieses Gefühl immer schlimmer, als ich seine Stimme gehört hatte? Ich schüttelte den Kopf, um damit diese Gedanken zu vertreiben. Ich empfand nichts für Shade! Ich hasste ihn! Er war ein gefährlicher, böser Mann, der mich gegen meinen Willen heiraten möchte und mich in seinem Haus wie eine Gefangene festhält. Er schlägt mich, wenn ich nicht das tue, was er möchte und er droht mir andere schlimme Dinge an, wenn ich Sachen sagte, die ihm nicht passten.

Nein, nichts an diesem Mann war gut und er hatte meine Liebe oder generell ein positives Gefühl von mir nicht verdient. Ich hasste diesen Mann und werde vermutlich auch nie aufhören, das zu tun.

100 Million Tears 18+ Where stories live. Discover now