8- Mord, die Antwort auf alles andere.

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          Ich saß sofort aufrechter auf meinem Bett. Sebastian? In dem Fall musste der Brief wohl warten.

Als hätte er seinen Namen gehört, trat Mr. Pahtrem ein. Hauptmann des Zirkel-Militär.
Er war grauer geworden, seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte und ich gab Constantin dafür die Schuld. Stress führte zu grauen Haaren und Sebastian Pahtrem war nicht alt genug, um jetzt schon seine dunklen Locken einzubüßen. Kurzgeschoren oder nicht.

„Meine Königin." Er verbeugte sich steif und knapp, wie es im Militär üblich war, doch als er sich aufrichtete, leuchteten seine Augen.

Mehr brauchte ich nicht, um meine momentanen Sorgen und sämtliches Hofprotokoll über Bord zu werfen und in seine ausgebreiteten Arme zu springen. Sebastian schaffte es, trotz Bartstoppeln und Brustpanzerung das Gefühl von Geborgenheit in seine Umarmung zu legen und für einen kurzen Moment schloss ich die Augen.
„Lasst das nur nicht Constantin sehen", nuschelte ich an seinen Oberkörper, „Sonst wird er uns auch noch eine Affäre vorwerfen."

Sebastian lachte und ich löste mich von ihm. Er hatte ein freundliches Gesicht, einen starken Unterkiefer und eine verblasste Narbe quer über seinen Nasenrücken. Die festgehaltene Erinnerung, wie ein Ke-ene ihn mit einem Messer angegriffen hatte.
„Es ist eine Freude, Euch wieder hier zu haben."

Ich bot ihm einen Sessel an und gemeinsam ließen wir uns auf die Sitzgelegenheit vor dem Balkon nieder. Schweigsam studierte ich sein Gesicht. Ich kannte diesen Mann beinahe genauso lange wie Constantin und in all den Jahren hatte er nichts als Freundschaft mir gegenüber gebracht.
„Wie geht es deiner Familie? Deine Tochter müsste inzwischen... fünf sein?"

Sein Lächeln vertiefte die ersten Falten um seine Mundwinkel herum.
„Sie hat geweint, als ich ihr erzählte habe, dass wir Euch gefunden haben."

„Du warst dabei?" Ich rutschte an den Rand meiner Sitzfläche.

„Das ist wahr, Ma'am."

Ein Quell an Fragen tat sich auf, der mich kurzzeitig aus dem Moment holte. Wusste er, wer mich dorthin gebracht hatte? Ob ich noch etwas anderes bei mir gehabt hatte? Jeder Hinweis, der Licht in meine Erinnerungslücke warf war mich recht.
„Ich hoffe, du hast dafür keinen Dank oder eine Beförderung von Constantin erwartet."

Sebastian grinste.
„Hat tatsächlich in Erwägung gezogen mich zu feuern."

Ich verzog das Gesicht. Natürlich.
„War er wieder ‚nur ehrlich'?", äffte ich seinen Standardspruch nach, bemüht möglichst gelangweilt dabei zu schielen.

Sebastian lachte, doch der Humor hinter seinen lebhaften braunen Augen erlosch beinahe genauso schnell wieder.
„Sehr. Ganz besonders, nachdem es auch an mir war, ihm die Nachricht über Caridads Tod zu übermitteln."

Der Satz war noch immer wie ein Steinschlag.

Ein Dienstmädchen, das (nicht wie ich) alle Regeln der Etikette noch kannte, brachte ein Tablet mit Tee und Kuchen und gab uns einen kurzen Moment, den eigenen Gedanken hinterher zu hängen.

Caridad.
Ich schluckte mehrfach, bevor ich wieder sprechen konnte.
„Man- Man hat mir erzählt, dass du seinen Körper gefunden hast."

Ich sah den Mann mir gegenüber lange an. Wunden taten sich hinter seiner gefassten Miene auf und verschlossen sich wieder- ehrliche Betroffenheit für den Verlust eines Freundes.
„Vier Pfeile, Ma'am. Sein Körper lag südlich im Niemandsland, eine ganz andere Ecke als dort wo wir Euch gefunden haben. Ich war wochenlang auf der Suche, bevor ich ihn fand. Kein schöner Anblick und es tut mir auch nicht leid, dass er Euch erspart blieb."

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now