22- Hilfe ist Definitionssache

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2 Jahre, 10 Monat und 14 Tage vorher

          Irgendwie und auf beinahe schon magische Weise kam das Gerücht in den Umlauf, das Hungergesetz wäre eine Erfindung des Fidei Defensors gewesen.
Ich nahm es mit einem kleinen Lächeln wohlwollend zur Kenntnis, äußerte mich jedoch nicht weiter dazu.

Richter-Tage waren schrecklich in meinen Augen. Auch wenn die Bediensteten nicht mehr bei meinem Anblick auf dem Absatz kehrtmachten. Caridad sah das als gutes Zeichen.

Ich traf ihn vor dem Senatorensaal mit einem Hund spielend. Seine Haare waren zerzaust und eine Brille mit getönten Gläsern steckte darin. Als er mich sah, richtete er sich sofort auf, um mir eine formvollendete Verbeugung zu präsentieren. Finger wirbelten durch die Luft und ich hätte in meinem eigenen Begrüßungsknicks fast die Bedeutung dahinter verpasst.

Außerdem lenkte mich sein wedelnder Kumpane ab, der sich artig neben sein Herrchen gesetzt hatte.
„Nein, ich weiß noch nicht, wer versucht hat mich zu vergiften. Aber Senator Dara Sarei ist sich sicher, dass nach Constantins Schauspiel die Leute nun vorsichtiger sein werden."
Mit einem leicht dämlichen Lächeln ging ich neben dem Hund in die Hocke.

Er warf sich mit einer Begeisterung in meine Arme, die nur von jahrelanger Vernachlässigung erklärt werden konnten. Sein Schwung setzte mich auf den Hintern und einer der Soldaten machte einen besorgten Schritt nach vorne. Doch Caridad war sofort an meiner Seite und zog mich hoch.
„Belgarde, nein!", krächzte er das gescheckte Tier an, einen Arm um meine Taille geschlungen.

Belgarde hatte von diesem Kommando allerdings noch niiiiiie etwas gehört. Niemals. Nie.
Und weil Caridad sowieso darüber lachen musste, wie der Hund versuchte sich zwischen uns zu drängen, nutzte sie gleich die Chance, um einen vorbeigehenden Mann hinter uns anzukläffen.

Es war Constantin und er sah genervt aus. Heute Morgen vor dem Frühstück hatte es bereits eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen ihm und einigen Senatoren gegeben. Schwer zu sagen, wer am Ende gewonnen hatte, aber am Ende hatte er sich geschickt aus dem Treffen geredet, mit der Begründung, er müsse die Soldaten trainieren. Man hätte beides sicher verschieben können, aber es war augenscheinlich beiden Parteien lieber, wenn er nicht dabei war. Leider forderte das meine Anwesenheit als Pflicht.

Er stockte kurz und musterte uns mit einem langen Blick, überschattet von seinen zusammengeschobenen Augenbrauen.

Caridad ließ mich los, als hätte er sich an mir verbrannt. Ich stolperte von ihm fort, das drohende Gefühl schon wieder etwas falsch gemacht zu haben.
Anklagend deutete Caridad auf den Hund, doch da war sein Bruder schon durch die Tür nach draußen verschwunden.

Ich schluckte gegen die Trockenheit meiner Kehle an.
„Ich... ich sollte..." Unsicher deutete ich auf die schwere Tür zum Anhörungssaal.

Caridad nickte, die Wangen flammend rot und eine Hand im Halsband seiner Begleiterin, die so unschuldig aussah wie ein neugeborenes Kind.
Er deutete ebenfalls rein. Er würde gleich nachkommen.

Ich schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Was war das gerade eben gewesen? Ich war gewiss nicht das einzige Mädchen, das sich mit Caridad unterhielt. Bei den Wolken über und unter uns, ich war noch nicht einmal das einzige Mädchen, mit dem Constantin sich unterhielt! Warum verknotete sich also mein Magen, als befände sich unser Zirkel im freien Fall?

Die Senatoren erwarteten mich im Raum mit der eisernen Stille einer Runde Lehrer, denen der Alkohol ausgegangen war. Es war ein dunkles Zimmer mit tannengrüner Färbung und einem riesigen Gemälde von De auf der Jagd. Ein Hirsch preschte über die gegenüberliegende Wand, in Panik vor dem dreiköpfigen Gott. Ich hatte das Bild inzwischen schon so lange angestarrt, dass ich mit dem Tier fühlte, wann immer ich hier rein kam.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now