32- Alles wäre einfacher, wenn ihr mich vorher fragen würdet.

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         Es herrschte reges Treiben auf dem Flur, ungeachtet der Tatsache, dass es noch vor Sonnenaufgang war und man sich vor den privaten Gemächern des Königs befand. Weder Soldaten, noch Diener konnten ihrer Arbeit nachgehen. Sie wurden von der schieren Menge an besorgten Höflingen zurückgedrängt, die in ihren Nachtroben auf dem Flur ausharrten. Unter ihnen auch die junge Königin und jede einzelne ihrer Hofdamen.

Sie alle lauschten geduldig dem lautstarken Streit, dessen Worte verschwommen nach außen getragen wurden.

„Ich bin nicht geflohen!"

„Oh natürlich nicht! Wie komme ich bloß darauf? Ach ja, weil du um dein Leben gerannt bist? Und ich bin der Intelligenzverweigerer, der Selbiges auch noch gerettet hat!"

Es war beeindruckend, wie laut Constantin werden konnte, obwohl es keine drei Stunden her war, dass sie ihm umständlich einen Bolzen aus dem Schulterblatt gezogen hatten. Jetzt lag er in seinem Bett, ein gutes dutzend Kissen in seinem Rücken und mindestens genauso bleich wie die Bettlaken. Aber er brüllte.

Ich wertete das als gutes Zeichen. Nicht so gut fand ich, dass sein Starrsinn auch überlebt hatte.
„Ist es wirklich so schwer vorstellbar, dass ich einfach eine Pause von euch allen haben wollte?" Meine Finger klammerten sich an das Fußende seines Bettes. Ein erbärmlicher Versuch, sie nicht stattdessen um seinen Hals zu legen. Er wäre heute Nacht beinahe gestorben. Ob er mich hatte retten wollen, war zweitrangig. Er durfte sich nicht in so eine Gefahr begeben.
Ich wollte ihn schütteln. So sehr. Und gleichzeitig wurde mir schlecht von dem Gedanken, dass er sich von diesem Attentat vielleicht nicht erholen würde.
„Da draußen läuft immer noch ein Mörder frei herum, der es auf deine Familie abgesehen hat und du reitest ohne deine Wachen raus. Was denkst du dir dabei?"

Oh, er wollte etwas nach mir werfen. Ich sah es in seinen Augen. Aber zu seinem Pech war sein Wurfarm fest an seinen ansonsten freien Oberkörper bandagiert worden.
„Wenn du nicht weggelaufen wärst-..."

„Wenn du mich nicht einsperren würdest, müsste ich nicht laufen, sondern könnte mich wie jede andere Person am Tor abmelden!"

„Und dann wärst du heute Nacht erschossen worden!", platzte er aufgebracht heraus. Schweiß von der Anstrengung wach zu bleiben glänzte überall auf seinem Körper. Im ersten Licht des Morgens schimmerten die unzähligen Narben auf seinen Muskeln wie ein Muster.

Ich brach ein Stück des Holzrahmens ab und die Splitter gruben sich in meine ohnehin aufgeschürften Hände. „Und dann wirfst du dich auf mich?" Er musste sich an Caridads alter Medizin bedient haben. Er hätte sterben können. Verstand er nicht, welche Katastrophe das wäre?

Er sah drein, als hätte ich damit rechnen müssen.
„Wenn du etwas anderes gewollt hättest, hättest du damals den Heiratsantrag einfach ablehnen können."

Hätte ich nicht. Aber das würde ich ihm nicht sagen.
Mit einem Kopfschütteln wandte ich mich zum Gehen. So schnell würden wir nicht auf einen gemeinsamen Zweig kommen. Jemand hatte auf mich geschossen. Oder auf ihn? Warum hatte der Schütze in die Stadt gedeutet?

Ein alter Verdacht kehrte zu mir zurück und mir wurde kalt. Was, wenn mich jemand hierhergebracht hatte, um eine Königin zu haben, sobald Constantin ermordet worden war? Wenn die Person hinter dem Gift auch der Attentäter war? Und die Idee zu wem das passieren würde, ließ mich schaudern. Es brachte nichts, das noch weiter aufzuschieben. Irgendwann würde jemand sterben und ich hätte es vielleicht verhindern können.

Nur, um Constantin zu zeigen, dass ich immer noch wütend war, warf ich hinter mir die Tür zu.

Der Knall zentrierte die Aufmerksamkeit aller Wartenden sofort auf mich. Gespräche erstarben prompt und wurden von angehaltenem Atmen und hochgezogenen Augenbrauen abgelöst.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now