18- Die Katastrophe geht weiter

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            Caridad kehrte zwei Tage nach meinem Dekret zurück. Komplikationen mit den Winden hatte ihn nicht weiterreisen lassen und ich war für jede Sekunde dankbar, die er eher wieder hier war. Fidei Defensor Holus fehlte allerdings immer noch. Anscheinend wichtige Probleme wo anders.

Im Morgenlicht war Caridad ein junger Gott. Tau bedeckte das Gras des Gartens und ein zwielichtiger Dunst wirbelte um seine Gestalt, als er aus der Haustür hinaus auf die weitläufige Marmortreppe trat. Jemand sollte ihm sagen wie sehr ihm das Licht stand, dann würde er vielleicht häufiger vor dem Mittagessen aufstehen. Gegen das milchige Zwielicht war er nur ein grauer Schatten, umgeben von den weiten Röcken der folgenden Hofdamen. Sie machten es beinahe unmöglich für ihn die Stufen herabzusteigen. Immer um ihn herum. Ihr Tuscheln und Kichern hallte bis zu meinem einsamen Sitzplatz unter dem Pavillon hinüber.
Wussten sie nicht, was für schreckliche Dinge im Palast vor sich gingen?

Ich beobachtete ihn über den Rand meiner Teetasse hinweg. Es war alles, was ich seit zwei Tagen zu mir genommen hatte. Ich konnte... ich konnte einfach nicht vor den wartenden Dienern essen, deren Mägen schon seit gestern nicht mehr knurrten.
Heute Morgen war ein Zimmermädchen einfach umgekippt. Ich hatte die Männer ihren schlaffen Körper zu den Schlafzimmern der Bediensteten hochtragen gesehen. Ich hatte Dara Sarei um Hilfe oder einen Rat angefleht. Doch laut ihm war Constantin der Einzige, der einen Befehl des Fidei Defensors aufheben konnte. Und der würde sich vermutlich weigern, nur um mich zu quälen.

Auf dem Kiesweg angekommen, setzte Caridad einen jungen Hund ab und sah sich suchend um, als sage ihm etwas, das er beobachtet wurde. Seine Augen fanden mich, noch bevor ich wegsehen konnte. Ein flüchtiger Moment des Erkennens, dann hatte ihn das erste Mädchen wieder erreicht. Er verabschiedete sich höflich und ließ sie für mich stehen. Ihre neidischen Blicke verfolgten ihn, bis er mir gegenüber auf den Stuhl fiel. Seine Hände zeichneten ein Fragezeichen in die Luft.

Ich glaubte, daran zu ersticken. Was war geschehen?
„Ich bin mit Abstand die fürchterlichste Königin, die dieses Land jemals gesehen hat."

Der Hund sprang ohne große Feierlichkeiten auf seinen Schoß und rollte sich dort ein. Es war ein schönes Tier mit silbrigem Fell und dem Schlaf eines Gerechten. Caridad betrachtete ihn neidisch. Er trug heute keine Brille und obwohl es niemals seine eigenen waren, wirkte es doch fast so, als fehle ihm etwas.

Sofort brachte ein Diener ihm Tee und Frühstück. Die Hände des Mannes zitterten. Caridad bedankte sich höflich, dann sah er mich schließlich lange und fragend an.

„Ich schwöre, ich wollte das alles nicht-... wenn es etwas gäbe..." Ein unverhohlen hasserfüllter Blick des Dieners ließ mich meine eigenen Worte schlucken. Was für eine hässliche Lüge. Meine Fingernägel bohrten sich in meine Handflächen. Wenn ich nicht so feige wäre, würde ich einen Weg finden. Wenn mir meine eigene Haut nicht wichtiger wäre, hätte ich den Befehl des Fidei Defensors herausgefordert.
Aber all das hatte ich nicht. Ich schmeckte Blut, bevor ich bemerkte wie fest ich auf meine Unterlippe gebissen hatte. Mir wurde schwindelig.

Ich blieb still, bis mein Blick auf den Kiesweg hinter ihn fiel. Er schlängelte sich zwischen Statuen und blühenden Büschen hindurch und auf ihm näherte sich Dara Sarei. Er trug trotz der aufkommenden Hitze seinen üblichen dunkelgrünen Mantel, der um seine langen Beine schlug und dieses hässliche braune Armband. Sein freundlicher Ausdruck war von Sorgen getrübt, die ihn wie dunkle Wolken verfolgten. Er litt mit den Menschen- war ihnen von allen Senatoren am nächsten.
Trotzdem verbeugte er sich höflich vor uns beiden. „Meine Königin. Eure Hoheit."

Etwas stimmte nicht. Ich schmeckte es in der Luft. Spürte es durch meine Haut hindurch.
„Dara Sarei?"

Er räusperte sich nicht. Aber die Pause vor seiner Antwort zog sich in eine schmerzhafte Ewigkeit.
„Es gab Entwicklungen im Fall der Bestrafung der Bediensteten."

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now