15- Tänze und andere Regelverstöße

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          Der falsche Schnauzer kitzelte mich unter der Nase, aber ich fürchtete, ein Niesen würde genügen und er flöge davon.

Verwirrt blinzelte der Bursche mich an, vermutlich vergeblich bemüht mein Gesicht einzuordnen. Ich musste ihm zumindest vage bekannt vorkommen, denn er fragte mich nicht nach meinem Namen.
„Mr. Pahtrem? Aber ich bin für heute Abend freigestellt...", er deutete ungeschickt auf die Reihe hinter ihm, „Ich habe das halbe letzte Jahr hierfür gearbeitet."

Ich nickte so verständlich und un-ungeduldig, wie es mir eben möglich war, während der nächste Tanz endete und sich der letzte Kerl vor mir zu der wartenden Königin in der Mitte des Saals begab.
Verschwörerisch beugte ich mich näher.
„Er versicherte mir, dass es nicht lange dauern würde... nur etwas wegen einem Fall? Ermittlungen? Einem Mord?", ich tippte mir ans Kinn und verlor fast meinen Schnauzer, „Er wollte es mir nicht sagen. Nur, dass er Euch schnell bräuchte."

Erleichtert registrierte ich die aufgeregten roten Flecken auf seinen Wangen. In meinem Augenwinkel beugte sich Constantin nach vorne, um zu sehen, was an der Spitze der Reihe vor sich ging, doch ich ignorierte ihn.
„Er sagt, er treffe Euch auf den Terrassen, bei der weiblichen Büste Des."

Der Junge, dessen Namen ich nicht einmal kannte, nickte, hielt jedoch im nächsten Schritt schon wieder inne.
„Aber die Reihe. Ich kann die Reihe nicht verlassen."

Fidei Defensor Holus verabschiedete sich von Constantin und lenkte ihn für einen kleinen Augenblick ab. Ich nutzte die Gelegenheit und schubste den Burschen in Richtung der Terrassentüren.
„Ich halte Euch den Platz frei. Aber jetzt beeilt Euch."

Und das tat er dann dankenswerterweise auch. Constantin sah wieder nach vorne- ich konnte ihn in einem wirklich praktisch platzierten Spiegel beobachten, ohne mich umzudrehen. Aber alles, was er sah, war ein wartender Junge.

Mit kribbelnden Fingern starrte ich zu dem Orchester hinüber. Stimmt endlich das nächste Lied an!

Aus einer anderen Seitentür betrat die Mutter der Königin den Ballsaal, ließ den Blick kurz über das Fest schweifen und lief dann mit zwei Hofdamen im Schlepptau zu der Tribüne, auf der momentan drei leere Stühle warteten.

Ich biss mir auf die Unterlippe. Zu meiner Zeit hatte ich dort zwischen Constantin und Caridad gesessen, sowie meistens neben dem Mädchen oder Kerl, die der Tage gerade Caridads Aufmerksamkeit hielten. Ich hatte auf diese Weise fast den kompletten weiblichen Teil des Palasts kennen gelernt. Zwischen ihren Versuchen meine Freundin zu werden und seinen Plänen, bei denen ich ihm helfen musste, sie möglichst taktvoll wieder loszuwerden, verging manchmal nicht ein ganzer Ball.

Die Melodie der Geigen schwoll an, nur um im nächsten Moment mit meinem Puls zusammen innezuhalten. Beinahe wie im Traum setzte ich mich in Bewegung auf Miss Akemira Vanna zu, die wartend ihre Tanzposition einnahm. Sie sah-... erschöpft aus. Ich kannte das Gefühl. Wenn ihr nicht jemand die Güte erwies, zwischen den Tänzen etwas zu trinken mitzubringen, würde sie bald in den Armen eines fremden Mannes ohnmächtig werden.

Allein dafür machte ich einen kurzen Schlenker zu einem goldenen Tablett mit zwei Weingläsern und um einen prüfenden Blick zu den Terrassen zu werfen. Der arme Bursche wartete immer noch auf Sebastian.

Mit meinen Gläsern bewaffnet, verbeugte ich mich kurz vor der Königin, eine mir ebenfalls neues Erlebnis und griff vorsichtig ihre Hand und legte sie um den Stiel des Glases.

Lebhafte Erleichterung ließ sie aufseufzen und mir in leiser Stimme ihren Dank aussprechen, ehe sie erst ihres und dann mein Glas in einem Zug leerte. Ihre Mutter würde sicherlich ein paar Worte zu solchen Verhalten finden, doch ihre trockene Kehle blendete diese Gedanken gerade aus.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now