40- Flieh, du Narr.

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Heute

          Die Tatsache, dass ich auf meinem Weg hinaus in den Garten sah, wie Sebastian sich mit Ker stritt, ließ mich an der Glaubhaftigkeit meiner Fenster-Geschichte zweifeln. Ich hörte nur die Worte ‚Jetzt muss ich weiter für dich lügen' und duckte mich hastig durch den nächsten Torbogen hindurch, um einer möglichen Konfrontation mit dem Hauptmann zu entgehen.
Armer Ker.

Und armer Sebastian. Es war schon verwunderlich, dass er Ker in dieser Sache in Schutz nahm.

Die Bäume hatten inzwischen ihr letztes Laub abgeworfen und die Herbstblumen zogen sich ebenfalls in die Erde zurück. Zu dieser Jahreszeit sah der Garten aus, als wäre er aus einem Sagenbuch über Hexen und Walddämonen entsprungen. Jedes Leben hatte den grauen Farben des Winters Platz gemacht.

Dara Sarei saß auf einer marmornen Bank zwischen zwei blattlosen Eichen und genoss die schwachen Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Er trug einen dichteren Wollmantel, dessen dunkelgrüner Stoff bis auf den feuchten Boden reichte und zweifelsohne keine neue Anfertigung für seine zurückgewonnene Stellung als Senator bei Hofe war.
Als er meine Schritte hörte, öffnete er die Augen und kam mit einem freundlichen Lächeln auf die Beine, eine kurze Verbeugung andeutend.
„Möge immer ein Rest Himmel unter Euch sein, Eure Majestät."

Es war fast, als wäre er nie fort gewesen und in den vergangenen Tagen hatte sich jeder hier schneller wieder an ihn gewöhnt, als ich auch nur ein Wort der Warnung äußern konnte.
Höflich bot er mir den Arm an und führte mich zwischen den Eichen hindurch in Richtung des königlichen Friedhofes.
„Findest du nicht auch, dass der Garten dem Palast erst seine wahre Pracht verleiht? Deine Eltern hätten es hier geliebt. Selbst zu dieser Jahreszeit."

Der Erwähnung meiner Eltern versetzte mir einen Stich und ich biss mir auf die Zunge. Ich dachte zu selten an sie, hatte sie nie so gekannt wie er, der mit meinem Vater aufgewachsen und in ein anderes Land gezogen war. Hin und wieder vergaß ich, dass andere Menschen vollständige Familien hatten. Constantin hatte niemanden mehr und viele der Höflinge wurden alleine an den Palast gebeten. Aber wenn ich Sebastian bis spät in den Abend arbeiten sah, fühlte ich mich schlecht und schuldig. Und manchmal- nur sehr sehr selten- bereute ich ebenfalls, dass ich den Senator nicht mehr meinen Onkel nannte.
„Auch wenn ich Eure botanische Liebe verstehe, ist das nicht ganz der Grund, warum ich für Euch die Palasttüren geöffnet habe", lächelte ich halbherzig, „Haben Eure Spione etwas herausgefunden?"

Dara Sarei hüstelte vielsagend.
„Deine Geduld lässt zu wünschen übrig, Dinah. Man würde von einer Dame mehr erwarten. Ganz besonders von einer Dame, die vermutlich die Königin dieses Zirkels bleiben wird."

„Ich werde nicht bleiben", widersprach ich müde. Er brauchte überhaupt nicht so tun, als stünde das zur Diskussion. Er konnte seine Pläne und Intrigen mit jemand anderem schmieden.

„Natürlich nicht", schüttelte Dara Sarei den Kopf, aber ich wurde den Eindruck nicht los, er mache sich über mich lustig, „Dann wiederum ist der Bruder des Königs nicht mehr hier, um mit ihm fortzulaufen, also..."

Sarkasmus. Ich würdigte diesen Kommentar nicht einmal eines genervten Blickes.
„Meine nicht-vorhandene Geduld läuft aus, Onkel."

Er lachte leise, mehr eine Vibration in einem Körper und das unregelmäßige Heben seiner Schultern, ehe er mir das Gatter zum Palastfriedhof öffnete und mich hinein begleitete.
„Ich unterstelle dir keine Affäre", erklärte er und führte mich zu Caridads wohl gepflegtem Grab hinüber, „Ich habe gehört, dass du geschworen hast seine mysteriösen Todesumstände zu klären. Meine... Freunde aus der Küche haben den interessantesten Klatsch."

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now