23- Wie wichtig muss man sein, damit es Attentat heißt und nicht Mord?

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Heute

          In keinem der zwanzig orbitalen Zirkel gab es einen schöneren oder erhabeneren Anblick als die kleine Herde aus Damen, die sich an strategisch günstigen Flecken auf der Wiese verteilt hatten. Jemand hätte sie malen und dem Primus zusenden sollen. Es hätte vielleicht sein Wohlwollen erweckt.
Mit Tüchern um ihre Haare und Schultern wappneten sie sich gegen den auffrischenden Wind, der Anstalten machte ihr Picknick frühzeitig woanders hinzutragen.

Aber dem würde ich zuvorkommen. Wie immer sah mich Lady Vanna zuerst. Sie wachte wie eine Gänsemutter über die Königin und ihre Hofdamen und erhob sich prompt, als ich mich mit Sebastian näherte.
Ihr Blick glitt über meine Erscheinung und entlockte ihr einen Laut, der jegliche Gespräche um sie herum verstummen ließ.
„Oh, bei Des rechter Hand! Sind das Hosen?"

Mir lag eine Antwort auf der Zunge, die Constantin wieder die Wände hochgetrieben hätte, verbiss ihn mir jedoch des Friedens willen. Nicht mehr lang und wir würden das Fest der Liebe feiern. Jetzt war nicht der Moment. Stattdessen wandte ich mich an ihre Majestät und knickste kurz.
„Möge immer ein Rest Himmel unter Euch sein, meine Königin."

Akemira Vanna erhob sich nicht, doch ein freundliches Lächeln spielte um ihre rosigen Lippen, als sie mir großzügig zunickte. Hinter ihr steckten die Mädchen die Köpfe zusammen.
Mit einem ein klein wenig weniger freundlichen Lächeln wandte ich mich wieder an die Mutter der Königin.
„Reithosen, Lady Vanna. Ich wollte fragen, ob Eure Majestät Lust hätte mit mir in die Stadt zu reiten. Um ihre Untertanen kennenzulernen."

Auf den Vorwand hatten Sebastian und ich uns zumindest geeinigt. Aus ihrer Mutter würden wir nichts über die letzten Vorfälle herausbekommen, also wollten wir es erst mit Miss Akemira versuchen, bevor ihre Mutter sie vor uns abschottete.

Die Wangen der Königin gewannen an Farbe. Sie wandte ihr Gesicht ab, doch ich sah das wissende Lächeln, bevor sie es verbergen konnte. Und ich sah auch den blauen Fleck in ihrem Nacken, gut verdeckt von ihrem geflochtenen Zopf.

Der Ausdruck ihrer Mutter war jedoch noch kälter als der erstarkende Wind.
„Es wird eher schneien, bevor Ihr diese Mauern verlassen dürft."

Entspannt rollte ich mein Gewicht zurück auf die Fersen und verschränkte die Arme vor der Brust, so wie Händler es taten, wenn sie wussten, dass der Käufer bluffte, drohte er zur Konkurrenz zu gehen.

„Tatsächlich ist dieser Ausflug mit dem König abgesprochen", meldete sich Sebastian, bevor ich eine frechere Antwort gab.

Es war, als bemerkte Lady Vanna seine Anwesenheit erst jetzt. Nach Luft schnappend, rappelte sie sich von der flatternden Picknick-Decke auf.
„Eine Ungeheuerlichkeit! Gedankenlos. Ich werde mit ihm sprechen." Aufgebracht stolzierte sie davon.

Ich grinste auf die junge Königin hinunter, die kichernd eine Hand vor den Mund geschlagen hatte.
„Jetzt wo sie fort ist... Lust mitzukommen?"

Eine halbe Stunde später waren die Pferde gesattelt und wir durch das Tor geritten. Wolken schoben sich vor die Sonne und stahlen das letzte Licht zwischen den Häusern. Doch für mich gab es nichts, was die Stadt hätte weniger schön erscheinen lassen können. Sie war verwinkelt und eckig, wie ein einziges Gebäude, das dutzende Male erweitert, abgerissen und neu gebaut worden war. Die weißen Fassaden, ausgeblichen von der ständigen Sonne, schimmerten in unterschiedlichen Farben, durch das bunte Licht der Sonnensegel. Die grünen Fensterläden zitterten in ihren Verankerungen. Ich wusste, dass sie eine religiöse Bedeutung hatten, aber nicht welche.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now