Lesenacht Teil 4- Warum nicht von einer Klippe springen?

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           ‚Ohne ihn kann ich nicht für deine Sicherheit hier sorgen.' Die Nervenenden in jeder meiner Hände prickelten, als ich sie bewusst auf die Lehnen meines Throns legte. Selbst mit Dara Sareis Unterstützung war ich zwei Mal beinahe umgebracht worden. War ich bereit für neue Versuche? In meinem Augenwinkel richtete sich Constantin auf, als sie den Angeklagten erneut hereinführten. Oder hatte Dara Sarei es als Drohung gemeint? Vielleicht sogar gegen Constantin? Oder Caridad?

Der war inzwischen aufgewacht und beobachtete die Situation vom Rand seines Sitzplatzes, die Ellenbogen auf seinen Knien aufgestützt.

Auch die Familien der Opfer saßen noch dort, wo sie vorher gewartet hatten. Sie sahen verunsicherter aus, als vor meiner Pause. Als spürten sie die Veränderung in der Luft. Die Zweifel, die meinen Verstand umtrieben.

Ich erhob mich so ruckartig, dass einige von ihnen von der Bewegung zusammenzuckten. Neben mir tat Constantin es mir gleich, jedoch deutlich ruhiger und selbstbewusster. Er warf mir einen kurzen Seitenblick zu und... grinste?

Ich drehte mich vollständig um, nur um sicher zu gehen. Aber ich hatte mich nicht getäuscht. Er stand neben mir, als hätte er den besten Platz zu einem Theaterstück erhalten, das sich jeden Moment in ein Blutbad verwandeln würde. Und er war fest entschlossen es zu genießen. Er hatte das Große Grauen auf seine Bevölkerung losgelassen und war niemand, der das Chaos nicht zu schätzen wusste.

Vorausgesetzt ich enttäuschte ihn nicht.

Und mehr brauchte ich nicht.
In knappen Worten verkündete ich mein Urteil: Weitere und andauernde Ausgleichszahlungen an die Familie und die medizinische Kastration des Mannes. Für ihn würde es keine weiteren Vergewaltigungen geben. Sollte er dieses Urteil nicht annehmen, stand es ihm frei, den Rest seines Lebens in den Pessel- Mienen von Keltar zu arbeiten.

Mit jedem Wort floss auch meine Kraft aus mir heraus. Ich hatte das Gefühl eine Tür zuzuschlagen, die stets wie eine Fluchtmöglichkeit für mich offen gestanden hatte. Eine mögliche Rettung. Ich verlor den einzigen Verbündeten, der wusste, wer ich wirklich war. Was ich getan hatte, um hier zu sein.
Die Tränen brannten hinter meinen Lidern, doch ich zwang sie zurück.
Ich sah während meines Urteilsspruchs kein einziges Mal zu Dara Sarei, doch er holte mich ein, kaum da ich den Saal nach einer gefühlten Ewigkeit wieder verließ.

Die Panik schlug ihre Krallen in meinen Rücken wie ein Raubtier.

„Das war ein Fehler, Dinah. Ein großer Fehler!"

Ziemlich sicher, dass ich mich gleich übergeben musste oder in die Knie gehen würde.
Er sah wütend aus. Aufgebracht. Wie ein Riegel vor meiner Fluchtmöglichkeit.

Er beeilte sich so sehr, zu mir zu kommen, dass ihm entgangen war, dass Constantin direkt hinter mir stand. Wie ein drohender Schatten baute er sich neben mir auf.
„Kein so großer Fehler wie Eurer, solltet Ihr noch einmal meine Frau bedrohen. Ich habe da eine sehr kurze Geduldsschnur und der Weg hinunter aufs Festland kann viel schneller gehen, als Euch lieb ist."

Die Sehnen in Dara Sareis Fingern arbeiteten, so fest umklammerte er seine Hände. Der Blick wanderte von dem König zurück zu mir und eröffneten für mich ein Fass bodenloser Enttäuschung. All seine Arbeit umsonst. Sein Vertrauen in mich verloren. Da war Angst. Er hatte Angst um mich. Aber er sprach sie nicht aus.

„Ich kann keine Ausnahmen in der Gerechtigkeit machen", erwiderte ich dünn, ausgehöhlt von den unterschiedlichen Gefühlen in meiner Brust.

Senator Dara Sarei verbeugte sich lediglich.
„Wenn Ihr mich entschuldigen würdet. Andere Dinge erfordern meine Aufmerksamkeit."
Und noch bevor Constantin oder ich etwas erwiderten, eilte er den Gang hinunter.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Όπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα