26- Ich bin dagegen. Egal gegen was.

1.6K 251 86
                                    

➴♚➶

heute

          ‚Die Wahrheit macht frei' war eine verdammte Lüge. Mich würde sie den Kopf kosten. Ich lag bäuchlings auf meinem Bett, mein Gesicht fest zwischen die Kissen gedrückt. Da machte es auch keinen Unterschied mehr, dass Cladina heute Morgen gezwungen worden war mich anzukleiden. Ich hatte versucht, ihr zu versichern, dass ich keine der Fanatiker war. Dass mein Glauben von meinen Eltern für mich vorbestimmt worden war. Jeder, der schon einmal mit seiner Mutter diskutiert hatte, wer zuletzt die Küche aufgeräumt hatte, konnte sich vorstellen, wie erfolgreich das war. 

„Wie soll ich Euch jetzt glauben, wenn bisher jedes Wort aus Eurem Mund wie eine Lüge scheint", war ihre schniefende Antwort gewesen und danach hatte sich mich halb angekleidet stehen lassen.

Weil ich genauso Angst gehabt hatte? Weil ich niemals hätte hier leben dürfen, wenn ich ehrlich gewesen wäre? Aber am Ende riskierte ich nicht nur mein Leben, sondern auch die Flugfähigkeit unserer Heimat. Die Wahrheit war ätzend und ich versuchte sie zwischen den Kissen zu ersticken. 

Meiner Meinung nach konnte ich nicht deutlicher machen, dass ich mich nicht unterhalten wollte. Schade nur, dass Ker, mein Lieblingssoldat, beschlossen hatte, jegliche non-verbalen Nachrichten zu ignorieren. Er stand in meiner Tür und wartete einfach darauf, dass ich es nicht mehr aushielt. 

„Also?", nuschelte ich in den weißen Bezug hinein, „Wann werde ich vors Gericht gebracht?"
Ich hatte erwartet, dass sie mich gleich nach dem Anziehen abholen würden. Mindestens sechs Soldaten und Fidei Defensor Holus mit seiner einen Hand. Der war sicher außer sich von der Nachricht und hatte die ganze Nacht damit zugebracht romanlange Briefe an den Primus zu senden. War es verwerflich zu hoffen, dass der Pilotgleiter sie alle verlieren würde bei seinem Sprung?
Eine Ke-enin als Königin. Fanatiker und Mörder hatten den heiligen Palast infiltriert. Vielleicht war er auch spontan an einem Herzversagen gestorben. Dann müsste ich mich dafür natürlich auch verantworten. Aber man durfte ja hoffen. 
Ich nahm zumindest Mal nicht an, dass er mein heimlicher Brief-Schreiber war. Eine Krone zu stehlen war nicht wirklich sein Stil.

„Man hat beschlossen kein Verfahren in die Wege zu leiten", unterbrach Ker meinen kleinen Strom an Selbstmitleid, „Oder besser gesagt: Der König hat es beschlossen."

Mit einem Ruck tauchte mein Kopf aus den Kissen auf. War das ein Witz?
„Aber der Primus... die Leute-..."

„Wurde so vorsichtig wie eben möglich in Kenntnis gesetzt und die Leute werden darüber hinwegkommen müssen." Selbst mit Helm, den er ja nicht abnehmen durfte, wusste ich, dass Ker mir den Blick gab. Der Blick, der einen für sein Verhalten und den Mangel an Rückgrat tadelte. Der Blick, den jede Mutter und auch Cladina perfektioniert hatte. Ich hatte ihrer aller Leben riskiert und suhlte mich im Selbstmitleid. Außerdem hatte ich eine Bettfrisur. 
Etwas beschämt und mit einem verdächtigen Brennen auf den Wangen, richtete ich mich weiter auf und er fuhr fort. „Wenigstens diese eine Mal hat dein ach-so-geliebter Ehemann ein Zünglein Verstand und Gerechtigkeitssinn bewiesen. Er hat den Senat äußerst lautstark davon überzeugt, dass du kein direktes Verbrechen begangen hast und es daher kein Gesetz gibt, das eine Bestrafung für deinen Glauben fordern würde. Aber die Mutter der Königin..."

Ich konnte mir bereits denken, was Lady Vanna zu einem derartigen Beschluss zu sagen hatte. Leider konnte selbst Constantin nicht bestimmen, wie die Leute über mich urteilten. Er würde es natürlich versuchen. Kopf durch die Wand und so. Ich würde Clevem trotzdem verlassen müssen. Spätestens nach der Scheidung. Doch die Vorstellung, dass eine ganze Stadt darüber glücklich sein würde, dämmte meine Erleichterung deutlich ein.
„Sie denkt sicher, ich bin die Ausgeburt des Bösen." Vor allem, nachdem man die Krone ihrer Tochter tatsächlich bei mir gefunden hatte.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now