9- Barbarisch. Sogar für meine Verhältnisse.

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 3 Jahre, 2 Monate und 24 Tage zuvor

          Heiraten war kompliziert. Zumindest für Könige oder irgendeinen Vasallen des Primus. Natürlich hatte ich gewusst, dass der Glaubensvater jede Ehe genehmigen musste. Es war bekanntermaßen einer seiner liebsten Zeitvertreibe. Ein Brief an ihn genügte jedoch zu der allgemeinen Überraschung. Ich wurde ihm nicht einmal vorgestellt und innerhalb von einer Woche an Constantin verheiratet und gleich mit gekrönt.

Dies war so üblich und auch nicht weiter kompliziert.

Schwieriger wurde es schon De, den Gott und Vorgesetzten des Primus, um seine Erlaubnis zu fragen. Zumindest hatte niemand eine Brieftaube, die ihren Weg zu ihm finden würde oder kannte die Adresse für seine Ruhestätte. Aber eine Antwort musste nun mal her, wollte man nicht seinen dauernden Zorn auf sich ziehen.
Stattdessen hatte man sich ein ausgeklügeltes System ausgedacht, das eine exakte Zirkelkonstellation, einen Ball, eine blinde Königin und ein Turnier benötigte. Man nannte es liebevoll den Blinden Ball, doch nichts davon war romantisch oder schön. Ich verstand davon nur meine eigene Rolle und die nicht einmal zur Zufriedenheit der Senatoren, die in den letzten Wochen immer wieder in Klagen über meine niedere Herkunft und mangelnde Bildung ausbrachen.

Es waren die kleinen Dinge: Ich adressierte die unterschiedlichen Hofmitglieder mit den falschen Titeln, lächelte mit meinen Zähnen oder hatte Sommersprossen. Außerdem war es kein Geheimnis, das mein Ehemann mich am liebsten so schnell wie möglich loswerden wollte.

Schließlich einigten sie sich, dass man mir Unterricht in derlei Dingen geben würde und ich meine erste Probe im öffentlichen Licht noch vor dem Ball haben solle. Nur, um sicher zu gehen, dass ich De nicht versehentlich verprellen würde.

„Der Bruder des Königs wird von seinem Ausflug auf die Insel des vierten Zirkels zurückkommen", erklärte mir Senator Duce mit der Stimme eines Totengräbers.

Ich hob ruckartig den Kopf und die dunklen Haare rutschten aus meinem Gesicht.
Caridad.
Ich selber hatte ihn nie wieder seit unserem ersten Treffen gesehen. Natürlich hatte ich mich gefragt, warum ich nie mehr von ihm antraf als die Gerüchte der Hofdamen, die sie sich hinter aufgeschlagenen Fächern zuflüsterten. Er war wie ein Geist aus meinen Erinnerungen. Es war offensichtlich, dass er hier leben sollte, doch niemand sah oder hörte von ihm.

Dem Senator ging ähnliches durch den Kopf, denn seine Mundwinkel fielen ein beachtliches Stück tiefer. Beachtlich, weil sie selbst davor nicht freundlich gewesen waren.
„Der König", er hob das Kinn, als befände er sich in Constantins Anwesenheit, „...gedenkt ein Begrüßungsessen für ihn zu veranstalten. Ein Abendessen, da der Herr Bruder selten zu irgendwelchen anderen Mahlzeiten erwacht. Es werden die engsten Freunde der Familie anwesend sein."

Also wollte er alle da haben... außer mir. Ich seufzte und meine Lehrerin am anderen Ende des Empfangsraums sandte mir einen tadelnden Blick. Sie stickte, scheinbar in ihre Arbeit versunken, doch ich wusste es besser. Sie war die Art von Frau, die sich mit einem Habicht Nase und Aufmerksamkeit teilte.
Ihr Nest- Verzeihung- ihren Sessel hatte sie trotz Hitze direkt vor dem Kamin aufgeschlagen und darin ein Feuer angezündet.

Konsequenterweise war ich zu den Fenstern ausgewandert und litt leise. Natürlich war mir klar, dass ich als Königin nur ein Wort äußern musste und ich wäre von meinem Leiden befreit, aber das erschien mir unpassend und darüber hinaus auch noch unhöflich. Zwei Dinge, die ich vermeiden wollte.

Der Senator, ein Mann mit glänzender Halbglatze, tupfte sich diese ab und führte seinen Monolog fort, als bemerke er nichts von meinem Unbehagen.
„Der Rat ist sich einig, dass dies die ideale Gelegenheit wäre, um Euch der Öffentlichkeit vorzustellen. Und seiner königlichen Hoheit Prinz Caridad." Feierlich rückte er sein Hemd zurecht, das ihm bis in die Kniekehlen ging und sah mich erwartungsvoll an.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now