11- Tue nett.

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➴♚➶

heute

          Sebastians Worte über einen möglichen Zusammenhang der Vorfälle blieben den Rest der Woche bei mir, genau wie die Überlegung wie ich den Mädchen in den Pessel-Mienen am besten half.
Er hatte Recht: Der Zufall wäre groß, dass all diese Ereignisse so strukturiert aufeinander folgten und der kleine Brief unter meinem Kissen hatte mich misstrauisch gemacht. Ich hatte bereits eine schattenhafte Idee, wer für all die Taten ein Motiv hatte. Das Problem war nur: Ich wollte nicht recht haben. Wirklich nicht. Denn dann würde ich rennen.

Cladina, meine Kammerzofe, die ich definitiv nicht verdient hatte, bemerkte mit einem tadelnden Schnalzen am nächsten Morgen, dass ich nicht genug geschlafen habe. Augenringe, die eher aussahen, als hätte ich einen Faustkampf verloren, gaben die späten Sorgen wieder. Ich seufzte.
„Es gibt nichts, was ich ausrichten kann", erklärte ich und wusste nicht, ob ich die Befürchtungen oder die Schatten unter meinen Augen meinte, „Sebastian hat gesagt, dass der Blinde Ball aussteht? Wie sieht es bei euch unterhalb der Treppe aus? Kommen die Bediensteten mit der Planung zurecht?"

Cladina zog geübt die Bürste durch meine Haare, ohne meinen Blick im Spiegel zu erwidern.
„Der Ball wird dieses Jahr ein besonderes Spektakel und es fehlt mehr denn je an helfenden Händen. Aber man hat mich gewarnt: Wenn ich Euch unten in der Küche sehe, werde ich Euch an den König höchstpersönlich verraten."

Halb geschockt, halb belustigt fiel mein Mund auf. Das war ein einziges Mal gewesen. Ein einziges Mal, weil meine damaligen Dienstmädchen so erschöpft waren, dass sie sich in meinem Ankleidezimmer versteckten, nur um einmal am Tag sitzen zu dürfen. Derzeit hatte ich nicht gewusst, welche Beleidigung es für das Personal gewesen war.
„Der Ball soll größer werden? So hätte ich die neue Königin überhaupt nicht eingeschätzt."

Cladinas Lippen wurden eine Spur schmaler und sie riss mir versehentlich ein paar Haare aus.
„Das verdanken wir ihrer Mutter: Lady Vanna. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie es schneien lassen an dem Tag."

Überrascht hob ich die Augenbrauen.
„Nicht der Königin? Ist sie nicht über die Tradition informiert?"

„Oh sie ist informiert worden. Aber die Planung wurde von ihrer Mutter durchgeführt."

Das war... unüblich. Allerdings nicht so verwunderlich wie dieser Hauch an Abneigung, der in jedem Wort meiner Kammerzofe mitschwang.
„Wann hat sich...", mein Magen zog sich zusammen bei der Frage, doch ich zwang mit weiterzusprechen, „Wann wurde Constantin mit Miss Vanna verheiratet?"

Cladinas Blick schoss hoch und traf meinen, doch sie hatte sich schneller wieder unter Kontrolle als ich.
„Vor einem halben Jahr."

Ich nickte, zwanghaft bemüht nicht betroffen, glücklich oder sonst irgendwie auszusehen. Das Letzte was ich brauchte, war jemand, der dachte, ich hätte Gefühle für ihn. Der Kerl war ein laufendes, sprechendes Problem, mit dem ich mich nicht auseinandersetzen wollte.
Deshalb fragte ich: „Sollte sie nicht seitdem die Aufgaben der Königin übernommen haben?"

Und damit hatte ich den Kern des Unmuts meiner Kammerzofe getroffen. Ihr farbenfroher Vergleich von Regenwürmern zur Königin begleiteten mich durch den Palast, auf der Suche nach eben jenem bezaubernden Geschöpf, das weder Rückgrat noch Eigenständigkeit kannte. Nun, wir begannen alle zögerlich. Und noch zögerlicher, wenn wir uns alleine fühlten.

Ich kannte ihre Mutter, Lady Vanna aus meiner eigenen Regierungszeit. Sie war eine ehemalige Dame von Constantins und Caridads Mutter und als solche zu mehreren Feiern im Palast eingeladen worden. Doch ich hatte ihre Tochter niemals gesehen.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now