Kapitel 6: Gedankenverloren

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Natürlich kam die letzte Aussage von mir. Denn Kyle machte überhaupt nicht die Anstalt mir irgendetwas zu erklären. Er lungerte nur in seinem Zimmer herum und möchte "nicht gestört werden".

Aber was wäre ich denn für eine Schwester, wenn ich ihn wirklich in Ruhe lassen würde.

Nach einer Weile klopfte ich vorsichtig an seinem Zimmer und es tönte nur ein Brummen. Also öffnete ich die Tür langsam und sah meinen Bruder am Schreibtisch sitzen, der grübelnd über Papierkram lag.

»Was willst du, Katherine?«, kam es nicht gerade freundlich von ihm.

Kann ich nicht einfach meinen Bruder von vor 2 Jahren wieder haben?
Naja dann hätte das nicht passieren sollen...

»Ich möchte mit dir reden Kyle. Ich möchte meinen alten Bruder zurück, der mir nicht alles verschweigt, sondern mit mir reden.«, als ich zum Ende hin immer leiser wurde und den Kopf senkte, sah ich, dass er seinen Kopf zu mir drehte.
Einige Sekunden später, spürte ich zwei starke Arme, die mich in eine sanfte Umarmung zogen. Ungewollt verließ eine Träne mein Auge. Das war heute alles zu viel gewesen.
»Wieso erzählst du mir nichts mehr...«, schluchzte ich schon beinahe.
Er strich mir langsam über den Hinterkopf, was mich beruhigte.
»Weil es viel zu Gefährlich für dich ist. Ich möchte dich doch nur beschützen Kleine.«, seine Stimme war so sanft wie schon lange nicht mehr. Er klang so verzweifelt und auch irgendwie besorgt.
»Ich weiß doch, dass du mich nur beschützen willst.. Aber wenn ich dann sowas von anderen erfahre, macht es die Sache nicht gerade besser...«, ich schaute zu ihm hoch und sah in seine rehbraunen Augen. »... ich möchte doch nur bescheid wissen...«, anhand seiner kleinen Falte auf der Stirn, erkannte ich, dass er gerade grübelte.
»Aber je weniger du weißt, desto besser.«

Nach einiger Zeit, in der wir einfach nur so da standen, hatte er wohl einen Entschluss gefasst. Er löste sich langsam von mir und strich mir meine Tränen aus dem Gesicht.

»Ich werde dir auch weiterhin nichts davon erzählen. Es ist nur zu deinem Besten, Kathy.«

Mit diesen Worten, drehte er sich komplett von mir weg und widmete sich wieder seinem Papierkram. Ich flüsterte noch ein »Okay«, und ging dann in die Küche herunter. Dort stand mein, mittlerweile kaltes, Essen. Na toll.

Der restliche Tag verging ohne weitere Vorkommnisse, Kyle ging mir komplett aus dem Weg und ich fand mich irgendwie damit ab.

Nun lag ich in meinem Bett und wälzte mich von der einen auf die andere Seite hin und her. Ich konnte einfach nicht schlafen, egal in welcher Position. Irgendwie waren die alle blöd. Mir schossen seit Stunden, tausend Gedanken durch den Kopf, aber einen klaren Gedanken fassen schien unmöglich.

Seufzend schlug ich die Bettdecke weg und stand auf. Unter meinen Füßen spürte ich meinen kleinen flauschigen Teppich, ehe ich auf den kalten Laminat tappte.

An meinem Schreibtisch angekommen schnappte ich mir ein Notizbuch und begann die heutigen Erlebnisse und Neuerungen auf das Papier zu schreiben.

Als erstes schossen mir die verwirrte Blicke meiner Freunde durch den Kopf. Danach die Versuche, mich davon zu überzeugen, dass Kyle schlecht für mich war. Ich schrieb alles auf was sie mir über ihn erzählt hatten.

Illegale Autorennen, schreckt nicht vor Gewalt zurück,...

Als ich das schrieb, musste ich schlucken.. Mein Bruder gewalttätig?

Naja nach der Prügelei mit Leonardo, konnte ich nicht mehr das Gegenteil behaupten. Ich hatte es ja mit eigenen Augen gesehen.

Die Prügelei...

schnell schrieb ich auf, wie es meiner Meinung nach zu der Prügelei kam und was nacheinander alles geschah.

Als nächstes blitzten die geschockten Blicke vor meinem inneren Auge auf. Die Blicke von meinen "Freunden", von den Mitgliedern aber vor allem von Leonardo. Sein Blick war mir ein Rätsel.
Was kümmert es ihn, dass ich Kyle's kleine Schwester bin?

Danach schoss mir die Begegnung mit ihm auf dem Pausenhof durch den Kopf, seine freundliche Art, dann plötzlich diese Distanz und zu guter letzt eine ziemlich provokante Nähe. Dieser Junge verwirrt mich. Mehr und mehr.

Als ich jemanden die Treppe unterlaufen hörte, erinnerte ich mich an das "tolle" Gespräch mit Max und danach mit meinem Bruder.

Apropos mein Bruder, wo will der denn um die Uhrzeit hin? Anhand der Laute konnte ich erkennen, dass er schon seine Schuhe trug & wer geht denn bitte mit Schuhe in die Küche um was zu trinken?
Richtig, niemand.

Ich stopfte das Notizbuch in eine Schublade und stand leise auf. Das nächste Geräusch, welches ich hörte, war die Haustür die ins Schloss flog.

Wo will der denn um diese Uhrzeit, wir haben 23:20 Uhr, hin? An einem Montag?

Als ich aus meinem Fenster sah, konnte ich nur noch einen großen schwarzen Wagen erkennen, der um die nächste Ecke bog.

Den Wagen habe ich glaub irgendwo schon mal gesehen, aber frag nicht wo. Ich habe keine Ahnung.

Ich grübelte eine Weile, wohin mein Bruder wohl verschwunden war, doch als ich das nächste mal auf die Uhr blickte war es bereits halb 1 und da mein Wecker um 6 Uhr klingeln würde, entschied ich mich schlafen zu gehen.

Badboy's SisterWhere stories live. Discover now