1 | Immer noch am Gewinnen

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November 2014

Ich war ein verdammter Gewinner, mehr wollte ich nie sein. Berlin gehörte mir. So fühlte es sich zumindest an, als ich in die Spielothek mit den Schusslöchern in der Glastür und den kaputten Neonlichtern über dem Eingang trat. Hier kam es immer mal wieder zu Schießereien, denn der Besitzer war einer der Kerle, die einen wichtigen Namen im Drogenmilieu hatten.

Und er wollte mich treffen, verdammt.

Wachsam glitt mein Blick durch den Laden, als ich hineintrat. Viel war nicht los, nur ein paar dunkle Gestalten, die vor den blinkenden Automaten saßen. Stickige Luft, abgestandener Zigarettenrauch. Unglaublich nervige Musik und das Geklimper sorgten dafür, dass man mit Sicherheit wahnsinnig werden musste, wenn man sich hier länger aufhielt. Ging gar nicht.

Hinter der Theke stand ein Kerl, so ein richtiger Schrank, auf dessen Miene ein griesgrämiger Blick lag. Über seine durchtrainierten Arme zogen sich mehrere Tattoos. Er nickte mir zu.

»Ich will zu Kiral«, meinte ich knapp.

»Was willst'n?« Er stützte sich auf der Theke auf und sah mich fast schon gelangweilt an. Ihm fehlte sein linker Eckzahn und wahrscheinlich war er verdammt stolz darauf, konnte ja Respekt einflößend wirken oder so.

Tat es bei mir sicher nicht.

»Er wollt' mich sehen«, erwiderte ich und zog die Augenbrauen zusammen. Ich musste hier garantiert nicht alle Gründe auf den Tisch klatschen, warum ich kam. Okay, gut, viel mehr wusste ich eigentlich ehrlich gesagt auch nicht. Nur, dass Kiral zu dem Großdealer, bei dem ich immer mein Zeugs besorgte, gemeint hatte, er wolle mich sehen. Vielleicht würde ja etwas Lukratives für mich herausspringen.

»Ich klär' das eben«, meinte der Typ und stieß sich von der Theke ab. Mit schlurfenden Schritten ging er auf einen dunklen Flur zu, der an die kleine Bar angrenzte. »Du bleibst hier, verstanden?«

»Wichst dir jetzt ein' drauf ab, wie wichtig du bist?« Spöttisch lachte ich auf.

Er fixierte mich mit seinem Blick. »Ey, Junge, ich sag' dir das jetzt nur einmal: Du willst hier gerade was von mir, also halt deinen frechen Schnabel.«

Mein Mundwinkel zuckte belustigt. Was für ein Spast.

»Verstanden?«, blaffte er mich an, als ich nicht direkt antwortete.

»Jaja.« Gelangweilt lehnte ich mich gegen die fleckige Wand, die wohl mal weiß gestrichen worden war. Während der Kerl im Flur verschwand, ließ ich meinen Blick durch die Spielothek gleiten. Was für Versager, die hier ihre Zeit damit verschwendeten, auf irgendwelche bescheuerten Automaten zu starren. Richtig erbärmlich.

Der Typ tauchte einen Augenblick später wieder in dem Durchgang auf und nickte mir zu. »Okay. Kanns' mitkommen.«

Ich folgte ihm durch den spärlich beleuchteten Flur zu einer unscheinbaren, dunkelbraunen Tür, die an dessen Ende lag. Er nickte mir noch einmal zu und ließ mich dann alleine, lief mit breitbeinigen Schritten zurück. Ich hasste diese Kerle, die so viele Muskeln hatte, dass die nicht mal mehr vernünftig gehen konnten. Das waren immer so richtige Lachnummern.

Eine Sekunde zögerte ich. Ich hatte keine Ahnung, was Kiral für ein Typ war, eigentlich konnte hier alles auf mich warten. Dann griff ich nach der Türklinke und drückte sie runter, ehe ich eintrat. In dem kleinen Hinterzimmer war die Luft noch verrauchter als in den anderen Räumen. So verraucht, dass es sogar mir auffiel, obwohl ich von unserer Wohnung absolut nichts anderes gewohnt war.

Der Typ, der Kiral sein musste, saß in einem Sessel und hatte zwischen seinen Fingern eine Zigarette brennen. Er musterte mich einen Moment lang. »Ich sehe schon, noch so ein kleiner Straßendealer, der keine Manieren hat.«

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now