Kapitel 16

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»Jetzt mach nicht wieder so ein Gesicht, du hattest doch selbst die Idee, diesen Sommer verrückte Sachen zu machen, habe ich nicht recht?«, fragte June und schlang einen Arm um mich. Ich atmete aus und dachte ein wenig über ihre Worte nach.

»Ja, ja du hast ja recht. Also...ich meine ihr habt recht.« Mein Lachen konnte ich mir gerade noch so verkneifen, als ich Louis' mahnenden Blick sah. Er möchte nie in Vergessenheit geraten.

»Na, was habt ihr während meiner Abwesenheit alles gemacht? Ich war schließlich doch länger weg als gedacht.«

Louis kratzte sich verlegen am Nacken, während June und ich sein Verhalten nur wieder kopfschüttelnd kommentierten.

»Es wäre gar nicht Mal so verkehrt gewesen mir überhaupt einmal Bescheid zu geben, dass du weggehst. Ich weiß nicht, so damit ich vielleicht informiert bin oder so«, sagte ich in einem offensichtlich ironischen Ton, welcher Louis Augen weiten ließ.

»Moment, was-ich habe nicht-«
»Nein, hast du nicht«, schnitt ich ihm das Wort ab und war ihm gespielt böse. Auf diesen Jungen war wirklich kein Verlass, aber man konnte ihm unmöglich böse dafür sein. Seine honigblonden, abstehenden Haaren und seine ozeanblauen Augen hatte ich viel zu gern.

»Das wird nicht wieder vorkommen, wirklich.«

»Du meinst, so wie du nicht wie jedes Jahr meinen Geburtstag vergisst?« Ich schien einen wunden Punkt getroffen zu haben, denn Louis erwiderte auf meine Anstachelung nichts und auch June setzte einen besorgten Blick auf. Ich stand von meinem Platz auf und lief herüber zu seinem Stuhl und lehnte mich etwas zu ihm herüber.

»Dafür kann ich nichts, wenn du immer in den Sommerferien Geburtstag hast«, rechtfertigte er sich und schaute mich dabei nicht an.

Nun, das war eigentlich kein wirklicher Grund, meinen Geburtstag so gut wie jedes Jahr zu vergessen, aber ich ging Louis zu Liebe nicht weiter darauf ein und strich kurz darauf über seine Schulter und setzte mich wieder auf meinen Stuhl.

»Aber sagt ihr doch jetzt Mal, was ihr bisher so gemacht habt.« Er schaute wieder zu uns auf, zwar noch etwas geknickt aber der Themenwechsel kam vielleicht gerade nicht schlecht.

Zumindest ihm nicht. Mir aber schon.

Ich schluckte, als er uns diese Frage nochmal stellte, die ich verzweifelt versuchte zu vermeiden. June begann daraufhin von eher belanglosen Aktivitäten wie Eis essen, Shoppen oder Spazieren zu erzählen, was ich jedoch nur nebensächlich mitbekam.

Meine Konzentration war nämlich ganz anderen Dingen gewidmet. Mir wurde etwas unwohl, als ich über die Treffen mit Liam nachdachte. Dies lag aber nicht an der Tatsache, dass ich mich mit ihm traf – ganz im Gegenteil, ich mochte sie wirklich gern – zugegebenermaßen mehr, als ich ursprünglich gewollt hatte, aber das war zu dem Zeitpunkt nicht die Hauptsache.

Louis war zu beschäftigt damit gewesen, von seinem Urlaub in Europa zu berichten, als dass er mitbekam, was mir durch den Kopf ging. June bemerkte mein Verhalten jedoch und stieß mir unter dem Tisch leicht gegen den Fuß, weswegen ich ein paar Mal blinzelte, damit ich wieder zurück in die Realität fand.

»Und du was hast du gemacht, Hailey?« Louis stellte die Frage in einem etwas ungeduldigen Ton. Wahrscheinlich hatte er diese bereits wiederholt und erwartete nun endlich eine Antwort. »Nicht wirklich viel...June und ich haben uns ein paar Mal getroffen, die meiste Zeit gab es aber nichts sonderlich Spannendes«, versuchte ich so gelangweilt wie nur möglich herüberzubringen.

Mein Bauchgefühl sagte mir, dass es keine sonderlich gute Idee sei, Louis von Liam zu erzählen. Ich meine, wir trafen uns bereits mehrmals, aber worauf würde das noch hinauslaufen?

Bei dem Gedanken war mir wieder mulmig zu Mute, denn wenn ich was nicht ausstehen konnte, dann war es Ungewissheit. Zudem hatte Louis nicht sonderlich viel mitbekommen, was sich beim Abschluss abgespielt hatte – das war eben dem Alkohol verschuldet.

Wie es aussah, hatte Louis meine kleine Notlüge geschluckt, woraufhin ich möglichst unbemerkt ausatmete.

                           
***

Heute stand die Party von Tyler an, zu der Louis June und mich eingeladen hatte. Bedauerlicherweise kam ich noch nicht dazu, Mom davon zu berichten. Jedoch wusste ich, dass ich ihr früher oder später sowieso davon erzählen musste, und spazierte deshalb herunter ins Wohnzimmer, wo ich sie telefonieren sah. Allein. Ohne jegliche Spur von Lili oder meinem Dad und das war vielleicht wirklich ein guter Zeitpunkt.

»Hey, Mom«, begrüßte ich sie erst in einem sanften Ton, damit sie auf mich aufmerksam wurde. Ich setzte mich erst vorsichtig auf die gegenüberliegende Couch und schaute sie dabei nicht an. »Na Schatz, was gibt's?«, fragte sie mich und telefonierte weiter. Mir war mit großer Wahrscheinlichkeit anzusehen, dass mir etwas auf dem Herzen lag, da sie der Person an der anderen Leitung mitteilte, dass sie später wieder zurückrufen würde.

»Also...ich wollte dir sagen, dass ich...zu so 'ner Party gehen möchte. Louis hatte vorgestern June und mich gefragt«, beendete ich den restlichen Satz etwas hektischer und spürte die Nervosität in mir steigen.

»Ja, wieso denn nicht?«, antwortete mir meine Mutter, weswegen ich überrascht hochschaute. »Was, wirklich?« Sie lachte, was mich sichtlich verwirrte. »Zu welchem Anlass denn? Sonst warst du doch immer total gegen Partys«, hinterfragte sie skeptisch.

Okay, dass sie mein Vorhaben hinterfragen würde, war nicht auszuschließen, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass dem nicht so wäre. »Ach, nicht wirklich was Besonderes. Eine ganz gewöhnliche Sommerparty«, versuchte ich die Situation so beiläufig und desinteressiert wie nur möglich zu schildern.
»Ja dann habe ich da nichts weiter einzuwenden.« Sie griff nach ihrem Handy und widmete ihre volle Aufmerksamkeit erneut dem Gerät.

»Danke, Mom«, war das erste, was ich aussprach, nachdem meine Nervosität sich langsam von mir verabschiedete und ich mich entspannte. Ich schritt auf sie zu und zog sie in eine Umarmung, welche sie ebenso erwiderte. Als ich mich von ihr entfernte und schon im Inbegriff war, wieder zurück in mein Zimmer zu gehen, hörte ich, wie sie mich noch beiläufig etwas fragte.

»Das hat nicht ganz zufällig etwas mit einem Jungen zu tun, oder?«

Ganz ehrlich, warum dachte ich auch darüber nach, dass Mom nicht zumindest eine klitzekleine Vorahnung hatte. Ich bewegte mich nicht und spürte augenblicklich, wie sich mein ganzer Körper anspannte.

Liam und ich schrieben seit dem letzten Treffen bei ihm zu Hause jeden und ich meine wirklich jeden Tag miteinander. Er war mir echt sympathisch, ob ich das nun wollte oder nicht, sei dahingestellt. Seine Nachrichten ließen mich gut fühlen. Fragt mich bitte nicht, wie es zu diesem Sinneswandel kam.

Dieser fragte mich übrigens auch, ob ich von Tylers Party Bescheid wusste, was ich bejahte. Außerdem sagte er, dass er nur hinging, wenn ich auch da sein würde, was ein weiterer Grund für mich war, einen Besuch bei Tyler abzustatten.

»Hailey?«, holte mich meine Mutter aus meinen Gedanken zurück, woraufhin ich meinen Kopf reflexartig ihr zu wandte. »Mom, ich glaube nicht, dass du dich um mich sorgen musst«, erwiderte ich und drehte mich nun schlussendlich ganz um.

Ihre Frage verneinte ich nicht und wenn sie eins und eins zusammenzählte, wusste sie auch, wie ich mich jetzt fühlte.

LAST SUMMERWhere stories live. Discover now