Kapitel 27

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Mrs Baker sagte wieder nichts und schaute mich weiterhin nur an. Durch diese Geste wurde ich nervös und meine Augen flirrten im Raum umher, während ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.

Ich überwand mich schließlich dazu, sie auch etwas mehr anzusehen: Sie war, genau wie ich, recht zierlich gebaut, war jedoch um einiges größer. Im Gegensatz zu Liam hatte sie dunkelblondes, schulterlanges Haar und schmale Lippen. Er hatte mit Sicherheit ihre dunkelbraunen Augen, die mich schon immer bei ihm fasziniert hatten, von ihr geerbt.

»Sag mal, Hailey, Liam hat sich in letzter Zeit ziemlich verändert. Er-er scheint sehr viel glücklicher und...kümmert sich mehr um sich und seine Ziele. Das habe ich schon so lange nicht mehr erlebt.«

Geschockt blickte ich seine Mutter an, da ich mit solch einer plötzlichen Aussage nicht gerechnet hatte und gleichzeitig in meinem Starren unterbrochen wurde. Ich drehte mich mehr in ihre Richtung und legte meinen Kopf leicht schief.

»Was? Verändert? Ich kenne Liam gar nicht anders.«

Meine Stimme nahm einen leicht erschrockenen Ton an und ich bemerkte, wie Mrs Baker mich stirnrunzelnd betrachtete und angestrengt zu überlegen schien. »Weißt du, Liam war vor etwa eineinhalb Jahren noch ganz anders. Es-es wurde noch schlimmer. Sehr viel schlimmer, als es sowieso schon war...«

Ihre Stimme zitterte und nur mühevoll hielt sie den Augenkontakt mit mir aufrecht.

Was war hier los? Wie war er früher? Was war damals passiert und was hatte ihn dazu gebracht, dass er der ist, den ich heute kenne?

»Ich-ich verstehe nicht so richtig...«

»Hailey, wenn du nur wüsstest was ich ge-«

»Mom?«

Ich war so sehr in meinen Gedanken vertieft, dass ich gar nicht mitbekam, wie Liam wieder im Türrahmen stand. Bei dem Klang seiner Stimme zuckte ich unwillkürlich zusammen. Er war etwas außer Atem, weil er wahrscheinlich schon eine Weile weg war und mich nicht länger warten lassen wollte.
Jedoch war ich nicht allein und langweilig war mir mit Sicherheit nicht gewesen, aber ich sah mit hoher Wahrscheinlichkeit ziemlich verwirrt aus.

»Oh Liam, Schatz, wir haben gerade von dir gesprochen und ich fand ausgesprochen schön, dass du-«

»Mom, was hast du gesagt?«, schnitt er ihr das Wort ab und ich erkannte Liam kein Stück wieder. Er wurde nicht aggressiv gegenüber seiner Mutter und schrie sie auch nicht an, so war es nicht.

Er fragte sie viel mehr mit einer so starken Emotionslosigkeit in der Stimme, dass es mir eiskalt den Rücken herunterlief. Dies machte sich auch in seinem Gesicht bemerkbar, da er den Kiefer anspannte und seine Hände zu Fäusten ballte. Ich bemerkte sofort, wie er versuchte sich zu beherrschen, aber da ich ein Mensch war, der sehr besonders auf Details achtete, entging mir diese Tatsache natürlich nicht.

Da ich mit der hitzigen Angelegenheit nicht besonders gut klarkam, stand ich auf und legte meine Hand auf Liams Arm, damit er sich beruhigte und natürlich um Schlimmeres zu verhindern.
»Hey«, sagte ich in einem möglichst ruhigen Ton, wodurch er seine Aufmerksamkeit wieder mir widmete.
»Alles gut, deine Mom hat mir gar nichts gesagt. Kein Grund zur Aufregung.«

Und ein Glück - ich spürte sofort, wie seine Anspannung langsam fiel, wobei ich mir nicht zu hundert Prozent sicher war, ob es an meinen Worten, oder vielleicht doch an meiner Berührung lag.

Oder es lag an beidem.

»Ich wollte auch gar nicht stören, tut-tut mir leid. Sie saß hier nur allein und ich wollte wissen wer-«

LAST SUMMERWhere stories live. Discover now