Kapitel 37

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Ein Poltern von draußen weckte mich und alles, was ich in dem Moment dachte, war, dass ich einfach nur weiterschlafen möchte. Und ich wüsste gern, wer zur Hölle mich aus meinem Schlaf riss. All die kostbaren Sekunden und Minuten, die ich dem Schlafen schenkte, waren es wert. Vielleicht sogar noch mehr als das. Selbst, wenn die Schule am nächsten Tag rief.

Ich rieb mir über die Augen und wollte mich aufsetzen – stellte jedoch fest, dass es nicht ging. Mein Gehirn stockte, es arbeitete gerade nicht wie gewünscht und zusätzlich pochte mein Kopf so sehr, dass ich unangenehm seufzte.

Dann bemerkte ich es. Liams Arm war fest um mich geschlungen und er schlief – genauso wie alle anderen auch – bei dem Lärm friedlich weiter. Ich überlegte verzweifelt, wie er mit seinem Schlafsack zu mir gekommen war, und warum ich auf meinem Schlafsack lag und eine zusätzliche Decke mich umhüllte. Ich wollte aufgeben, doch dann erinnerte sich das letzte Eck meines Gehirns an Bruchstücke von letzter Nacht:

»Liam, ich-ich kann jetzt nicht schlafen. Nicht nach dem, was du mir gerade erzählt hast.« Ich saß auf der Couch des Wohnzimmers, und hatte die Knie an meine Brust gezogen. Wir befanden uns fernab von den anderen, die sich auf die andere Seite des Wohnzimmers verteilt hatten, und ich versuchte so leise, wie es mir nur gelang, zu sprechen.

»Versuch es. Ich hätte das viel früher ansprechen sollen. Aber ich fand nie genug Mut, es anzusprechen. Jetzt gerade geht es mir aber gut, Hailey.« Er bückte sich und saß somit vor mir in der Hocke und ließ meine Hand nicht los. Und was tat ich? Ich schluchzte wie eine bescheuerte vor mich hin – dabei hatte gerade ich keinen Grund dazu.

»Irgendwie komisch, oder? Ich heule und dabei ist das alles nicht einmal mir passiert.«
»Sag das nicht, bitte. Lass uns schlafen gehen, okay? Zeit heilt doch alle Wunden ... na ja, fast alle«, murmelte er den letzten Teil, und ich musste sofort wieder an seine Narbe denken, die über seiner Augenbraue zierte.

»Ich kann einfach nicht.«

Für einen Bruchteil einer Sekunde war es komplett still. Liam sagte nichts und in seinem Gesicht sah ich nur, wie ihm eine Idee aufkam und er vorsichtig an unseren Freunden vorbeitapste.

Ohne, dass er oder ich ein weiteres Wort über die Lippen brachten, legte er seinen Schlafsack neben meinem ab und ich nahm mir die gefaltete Decke auf der Coach, da ich trotz der Jahreszeit, in der wir uns befanden, ein wenig fröstelte. Die Wärme, die von Liam ausging, als ich ohne groß darüber nachzudenken, zu ihm gerückt war, gab mir gleich ein sicheres Gefühl und ich döste in den nächsten Minuten ein.

Liams Gesichtszüge sahen so weich aus, als ich ihn musterte. Seinen Arm legte ich ein wenig zur Seite, damit ich mich aufsetzen konnte. Seine dunkelbraunen Haare waren unordentlich, doch auf eine Art, die mir gefiel. All die schmerzhaften Ereignisse, die ich letzte Nacht zu hören bekam, trafen mich härter, als ich erwartet hatte. Ich konnte in dem Moment nicht anders, als ihm mit meinen Fingern leicht über die Wangen zu streichen und seine weiche Haut unter meinen Fingerspitzen zu spüren.

Das alles ist vorbei, mach dir keine Sorgen, dachte ich.

Wie lange ich doch in diesem Moment hätte verweilen können.

Die Zeiger von Noahs Wanduhr verrieten mir, dass es erst kurz vor acht war, und ich fragte mich, ob erneut einschlafen die richtige Entscheidung sei, oder vielleicht doch nicht. Ob es nun richtig, oder falsch war, wusste ich zwar nicht, aber ich hätte mir denken können, dass ich es bereuen würde. Und das nur, weil ich einen winzigen Moment zu wenig über meine Tat nachgedacht hatte.

                           ***

»Leute? Ich glaube, ich sehe nicht richtig?«

»Was ist denn? Oh...wie-wie ist das denn passiert?«, hörte ich eine zweite Stimme flüstern, während ich mich Widerwillen dazu zwang, meine Augen einen kleinen Spalt zu öffnen. Ich wusste nicht, wie spät es war, aber es interessierte mich auch nicht sonderlich, da ich immer noch müde genug war, um ein weiteres Mal im Land der Träume zu versinken.

LAST SUMMERWhere stories live. Discover now