Kapitel 42

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Liam lehnte sich ohne Vorwarnung vor und presste sanft seine Lippen auf meine, was mich erschaudern ließ. Den Kuss erwiderte ich erst nach Sekunden, stützte mich allerdings an der Küchenablage ab und zog kichernd meinen Kopf zur Seite und wich seinem Blick aus.

»Hey, was ist los?«, fragte er verwirrt, was die Röte, die mir meine Wangen hochkroch, nur noch zusätzlich verstärkte. »Wir-wir sind in der Küche«, meinte ich nur und wollte mich gerade wieder zu den Pfannkuchen umdrehen, jedoch hielt er meine Arme fest. »Ist mir gerade mehr als nur egal«, murmelte er gegen meine Lippen und lächelte in den Kuss hinein, der mich erneut überwältigte und den ich zugegebenermaßen genauso sehr mochte, wie er.

Am Anfang waren wir wie ein wackeliges, brüchiges Haus, das Stück für Stück zum Einbrechen drohte. Jeden Ziegel des Hauses hatten wir daher genauestens untersucht, ausgetauscht oder neuangeordnet, sodass es sich zu einem stabilen, schönen und gepflegten Haus entwickelte. Diese Version gefiel mir schon viel besser, denn die Teile fügten sich zwar mühselig zusammen, doch am Ende war man stolz auf das Projekt, was man verrichtet hat: Es ergab das perfekte Bild aus jedem Kinderbuch, dass ich als Kind gelesen hatte und von dem ich immer geträumt hatte.

»Uhmm...«, begann eine piepsige Stimme hinter uns, woraufhin wir uns augenblicklich umdrehten und Julia uns mit großen Kulleraugen anstarrte und nicht so richtig wusste, was sie jetzt tun oder lassen sollte. In der selben Sekunde trat ich einen Schritt von Liam weg und nahm mir den Teller, auf dem ich all die Pfannkuchen gestapelt hatte und Liam griff nach den Tassen, die er vorsichtig zu dem Küchentisch transportierte und ich es ihm gleichmachte.

Julia schien es sichtlich peinlich zu sein, dass sie uns beide gestört hatte, was sie allerdings nicht nochmal ansprach und uns dafür ständig nervös beäugte. Die Arme. Sie tat mir ein bisschen Leid, aber ich war froh, dass wir es nicht noch weitergebracht hatten, da ich ihr allein das, was sie gesehen hatte, lieber erspart hätte.

Ich verteilte die Pfannkuchen mit einem Pfannenwender auf die einzelnen Teller und Liam schob uns die Tasse einzeln zu, woraufhin er genervt die Augen verdrehte: »Jetzt hab dich nicht so, wir haben uns doch nur geküsst«, sagte er plötzlich, weswegen die Kleine vor mir sich leicht erschrak, da wir alle kein Wort über die Lippen gebracht hatten.

Ihrem unsicheren Blick zu urteilen, machte seine Aussage sie nur noch verlegener, was ich beim besten Willen nicht zulassen konnte und ihr deshalb über die Finger strich: »Ach alles gut. Hör nicht auf ihn, wir spielen gleich ein Spiel mit dir. Na, was hältst du davon?«

Eifrig nickte seine kleine Schwester und das gewohnte Aufblitzen ihrer Augen war wieder da. Sie schnappte sich ihre heiße Tasse und schlürfte den Kakao nur so herunter, dass sich endlich wieder ein Lächeln auf ihrem Gesicht zeigte.

»Darf-darf ich das Spiel vielleicht jetzt schon holen? Ich verspreche, dass ich mein Frühstück aufesse.« Ich zuckte unmerklich mit den Schultern und ihr Blick wanderte zu Liam, der nach kurzem Überlegen mit einem schnellen Nicken einwilligte, weshalb sie von ihrem Stuhl heruntersprang und in Sekundenschnelle in ihr Zimmer schritt.

»Man was sollte das?«, fragte ich ihn, woraufhin er mich unwissend anblickte.

»Ach komm schon, was soll denn gewesen sein? Sie soll sich mal nicht so anstellen. Wir haben uns doch nur geküsst.«

Ich biss mir bei dem Gedanken auf die Unterlippe, musste meine Gedanken jedoch wieder auf das Gespräch lenken. »Ja, ist mir schon klar. Julia ist aber fünf und...nimm ihr das nicht übel. Sie-sie hat wahrscheinlich nicht erwartet uns so...na ja.«

»Warte, was hat sie nicht erwartet?«, fragte er extra nachdrücklich mit diesem spitzbübischen Lächeln auf dem Gesicht nach, dass ich nur mit dem Kopf schütteln konnte und meine Mundwinkel leicht zuckten.

LAST SUMMERWhere stories live. Discover now