Das Jahr 2020

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Genervt sehe ich Collin an, der eindeutig wütend auf mich ist. "Du kannst doch jetzt nicht mitten drin hier abhauen." Er starrt mich an und für einen Moment, mag ich meinen eigenen Verlobten nicht. Da steht er, inmitten von verschiedenen Kuchen, eine Gabel in der Hand und am Mund Schokoladenreste. Er sieht geradezu lächerlich aus. "Collin, ich sagte dir bereits, es ist mir egal, was für einen Kuchen wir nehmen und außerdem wusstest du ganz genau, dass ich heute Alec vom Flughafen abholen muss. Ich hab echt das Gefühl, du hast diesen Termin mit Absicht genau auf diesen Tag gelegt. Ob es dir passt oder nicht, ich fahre jetzt. Wir sehen uns heute Abend." Er will etwas sagen aber als ich sehe, dass zwischen seinen Zähnen ein Stück Kirsche klebt, wende ich mich schnell ab und lasse Collin und den Konditor einfach stehen.

Mein Herz klopft wie wild, als ich am Flughafen stehe und versuche meinen besten Freund zwischen all den Menschen auszumachen. Ich freue mich so sehr ihn zu sehen und er ist wegen mir endlich wieder zu Hause.
Als es soweit ist und ich seine dunklen Wuschelhaare entdecke, flippe ich fast aus.

Zig Mal habe ich mir ausgemalt, wie es sein wird, ihn wieder zu sehen. Ich habe mir vorgestellt, in seine Arme zu fliegen und ihn nicht mehr loszulassen. Es kommt anderes, denn als er auf mich zukommt, bin ich plötzlich wie erstarrt.
Ich beobachte jeden seiner Schritte genau, speichere jede Regung in seinem Gesicht. Er sieht anders aus, erwachsener. Lässig trägt er eine schwarze kleine Reisetasche über der Schulter, er trägt eine enge Jeans und ein graues Shirt, eine Sonnenbrille hat er locker auf dem Kopf sitzen und als unsere Blicke sich finden, bleibt er stehen.

Wir starren uns an und ich weiß gerade nicht, in welcher Gefühlsachterbahn ich mich befinde. Er lächelt schief und aus irgendeinem Grund, werden meine Knie weich. Langsam kommt er auf mich zu, bis er schließlich vor mir steht. Warum bekomme ich den Mund nicht auf? Mein Herz schlägt so laut, dass ich denke, Alec kann es hören.
Er hebt eine Hand und streicht mir sanft über meine Wange. Ich schmiege mich schon automatisch an seine Finger und bevor ich weiß, wie mir geschieht, beginne ich zu weinen.

"Mags." flüstert er und der Knoten platzt. Schluchzend falle ich ihm um den Hals und er drückt mich fest an sich und streichelt mir über den Rücken. Wir pressen uns aneinander und ich sauge seinen unwiderstehlichen Geruch tief ein. "Ich hab dich so sehr vermisst." flüster ich und spüre, wie er nickt. "Und ich dich." antwortet er. Ich möchte ihn nicht loslassen, zu gut fühlt sich sein Körper an meinem an. Plötzlich fühle ich mich wieder vollständig, als wäre ein fehlendes Puzzelteil wieder an Ort und Stelle.

Für andere muss es ein merkwürdiges Bild abgeben. Zwei erwachsene Männer, die sich fest im Arm haben, während der eine weint und sich zurück halten muss, nicht auch noch seine Beine um den Körper seines besten Freundes zu schlingen. Ich weiß nicht, wie lange wir so dastehen aber schließlich ist er es, der sich von mir löst und mir liebevoll die Tränen aus dem Gesicht wischt.
"Gut siehst du aus, Magnus." murmelt er und ich muss lachen. "Neben dir seh ich wahrscheinlich aus, wie eine Leiche. Du bist so braun gebrannt und überhaupt, hast du dich sehr verändert." erwidere ich und er grinst. "Gut verändert oder schlecht verändert?" fragt er und ich sage genau das, was mir durch den Kopf schiesst.

"Wenn du schwul wärst, würde ich über dich herfallen, also würde ich sagen, gut verändert." platze ich heraus und er sieht mich ernst an. "Ich bin schwul." murmelt er und alles in mir zieht sich zusammen. "Was?" stammel ich und er nickt. "Ja, ich hoffe, es ist kein Problem für dich." Wie paralysiert nicke ich und in mir tobt ein Sturm. "Ja, nein. Quatsch. Alles gut. Ich wusste es nur nicht." sage ich heiser und er legt einen Arm um meine Schulter. "Okay. Wollen wir los? Ich brauche dringend eine Dusche und etwas zum Essen."

Als Alec frisch geduscht und umgezogen, einige Zeit später in meine Küche schlendert, muss ich mich zusammen reißen, ihn nicht anzustarren. Sein Haar ist noch feucht und seine braunen Augen strahlen mich an. Er klatscht in die Hände. "Also wo ist dein Verlobter?" fragt er und für einen Moment, habe ich das Gefühl, sein Lächeln ist nicht echt.

"Der probiert Kuchen." sage ich Augenrollend und er zieht die Augenbrauen hoch. "Ist das so schwer zu entscheiden? Du stehst auf Zitronenkuchen und zur Not nimmst du auch Käsekuchen." Wieder starre ich ihn an. "Das weißt du noch?" frage ich erstaunt und er nickt. "Klar. Sowas weiß man doch voneinander." Kurz denke ich nach. "Du stehst auf Apfelkuchen. Am besten mit etwas Zimt und noch warm mit einer ordentlichen Portion Sahne." Er grinst. "Siehst du. Du erinnerst dich ebenfalls."

"Ich hab dir deine Lieblingspasta gekocht." murmel ich und drehe mich zu den Töpfen auf dem Herd um. Irgendetwas ist anders zwischen uns und ich komme nicht drauf, woran das liegt. "Danke. Ich hab echt Hunger." antwortet er und setzt sich an die Küchentheke, während ich ihm einen Teller fertig mache und dann vor seine Nase stelle. "Isst du nichts?" fragt er und ich zucke mit den Schultern. "Nein. Collin meint, man soll nur zu bestimmten Zeiten essen. Er hat Angst, ich setze an und passe dann nicht mehr in meinen Anzug."

Alec will sich gerade eine Portion in den Mund stecken aber lässt jetzt langsam die Gabel sinken. "Bitte was? Du hast kein Gramm zu viel. Im Gegenteil, du bist perfekt." sagt er entsetzt und ich muss lachen. Ich kneife mir selbst in den Bauch. "Ich muss schon etwas aufpassen aber danke." Er schüttelt den Kopf. "Du spinnst. Er scheinbar auch. Sag mal, ist das für Collin okay, dass ich euer Gästezimmer besetze solange ich hier bin?" fragt er und ich runzel die Stirn. "Natürlich ist das okay für ihn." lüge ich. "Was heißt denn, solange du da bist? Willst du etwa wieder weg?" Er zuckt mit den Schultern. "Ich weiß noch nicht. Vielleicht." In mir breitet sich ein merkwürdiges Gefühl aus. Ich will nicht, dass er wieder geht und werde alles dafür tun, ihn hier zu behalten.

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