Heimat

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Ohne nach links und rechts zu sehen, stürme ich aus der Halle und bleibe erst auf der offenen Straße stehen, um Luft zu bekommen. Aline prallt gegen mich und kurz darauf kommt auch Helen atemlos zu uns. "Was war denn das?" fragt Aline und schnappt nach Luft. "Ich brauche ein Taxi. Sofort." Helen fasst mich am Arm. "Wo willst du denn hin, Magnus? Lass uns erstmal zu uns und wir reden in Ruhe." Ich reisse mich los. "Nein." Damit lasse ich die beiden stehen und renne los. Anfangs versuchen sie mich einzuholen aber schnell bin ich in der Menge untergetaucht. Kurz bleibe ich stehen und gehe auf eine Gruppe mit als Vampir verkleidete Frauen zu. "Ich muss zum Flughafen. Könnt ihr mir sagen, wo ich hin muss?" Es dauert eine Weile, bis eine versteht, was ich will  und mir dann die ungefähre Richtung zeigt. Dankbar lächel ich sie an und laufe weiter.

Das Problem ist, dass ich mich hier einfach nicht auskenne und langsam kurz davor bin zu weinen. In mir herrscht gerade eine große Leere und ich will einfach weg von hier. Nach gefühlten Stunden lasse ich die feiernden Menschen hinter mir und zu meinem Glück, entdecke ich einen Taxistand, auf den ich nun zueile. "Flughafen bitte." keuche ich, als ich mich auf den Rücksitz fallen lassen. Der Taxifahrer dreht sich zu mir und starrt mich an. "Aber der ist doch da hinten." sagt er in einem schlechten Englisch und es dauert einen Moment, bis ich ihn verstehe.

Ich folge seinem Finger mit meinen Augen und kann tatsächlich das große Schild erkennen. Ich murmel eine Entschuldigung und steige wieder aus, drücke ihm aber einen Geldschein in die Hand. Sprachlos starrt er mich an und nickt, während er irgendwas auf Deutsch murmelt.
Das Klingeln meines Handys lässt mich zusammen zucken und als ich auf das Display schaue, sehe ich, dass es Alec ist. Ich drücke ihn weg und betrete den Flughafen.

Da ich meinen Reisepass immer dabei habe, geht es schnell. Der Flug zurück nach New York ist gebucht und ich habe kein Gepäck zum aufgeben. Wieder vibriert mein Telefon und ich sehe nach. Erneut ist es Alec, den ich wieder wegdrücke. Ich will nicht mit ihm reden, will mir keine fadenscheinigen Erklärungen anhören, ich will einfach hier weg und alles vergessen.

Als mein Handy verstummt, wähle ich die Nummer von Aline, die ihr Telefon scheinbar ausgestellt hat, denn ich erreiche nur die Mailbox. "Aline, es tut mir leid. Ich fliege zurück nach Hause. Es wäre lieb, wenn ihr mir mein Gepäck nachsenden würdet. Sobald ich angekommen bin, rufe ich wieder an und wir klären alles. Danke für alles und grüß Helen von mir." Dann lege ich auf und setze mich auf eine Bank. Es sind nur wenig Menschen hier und dafür bin ich mehr als dankbar.

In der Fensterscheibe betrachte ich mich. Da sitze ich, noch immer in meinem Kostüm und mit gebrochenen Herzen. Ich kann nicht weinen. In mir befindet sich nur ein schwarzes Loch, in dem ich drohe zu versinken. Wieder vibriert mein Handy und zögerlich sehe ich auf das Display. Zu meiner Überraschung ist es Clary und ich hebe ab. "Hey." sage ich leise. "Magnus. Du musst mir zuhören. Ich hab Codies Namen hin und hergedreht. Ich glaube es ist ein Anagramm." Sie schweigt und wartet scheinbar auf meine Antwort. "Ein Anagramm für was?" frage ich müde. "Verstehst du nicht? Wenn man die Buchstaben dreht, entsteht aus Codie Wallgoth Alec Lightwood."

In diesem Moment rinnt eine einsame Träne aus meinem Auge und es trifft mich mit voller Wucht. "Magnus? Ist alles in Ordnung?" fragt Clary besorgt und ich heule los. "Nein. Gar nichts ist in Ordnung. Alec und ich sind zusammen. Waren zusammen. Wir haben miteinander geschlafen und uns gesagt, dass wir uns lieben. Wir sind in Deutschland. Es ist die fünfte Jahreszeit hier und Alec hat einen anderen Mann geküsst. Jetzt sitze ich als Magier verkleidet am Flughafen und Aline muss mein Gepäck nachschicken." schluchze ich wirr los. "Moment mal. Was? Alec hat was gemacht? Und du bist verkleidet? Wer ist Aline?" Ich verstehe, dass sie keine Ahnung hat, wovon ich rede und so reisse ich mich zusammen und erzähle ihr alles ganz in Ruhe.

Ich ignoriere die merkwürdigen Blicke, die mir beim einchecken zugeworfen werden und bin froh, schließlich im Flugzeug zu sitzen. Clary hat geduldig zugehört und mir versprochen, mich in New York abzuholen und das ich erstmal bei ihr bleiben kann. Ich will gegenüber meinem Vater nicht zugeben müssen, dass ich mich doch wieder geirrt habe und meine nächste Beziehung wieder den Bach herunter gegangen ist.

Warum hat Alec das getan? Mir sagt er, er hasst Karneval und dann verschwindet er einfach und hat Spaß mit einem völlig fremden Mann und lässt mich stehen. Ich verstehe das alles nicht. War es Rache? Vielleicht habe ich das verdient, denn schließlich habe ich ihm oft weh getan, wenn auch unwissentlich. Ich muss gruselig aussehen, denn durch das viele Weinen, ist mein Make up verlaufen und ich kann verstehen, dass mein Sitznachbar stur geradeaus schaut.

Ich habe Angst vor der Zukunft, denn das erste Mal in meinem Leben, stehe ich völlig alleine da. Zwischen Alec und mir ist es vorbei, mit Collin sowieso und mit Codie sollte es nicht sein.
"Entschuldigung." spreche ich meinen Sitznachbarn an und er sieht zu mir. "Haben Sie eine Stift und einen Zettel, den Sie mir kurz leihen können?" Ohne ein Wort zu sagen, kramt er in seiner Tasche nach einem Kugelschreiber und reicht ihm mir. Einen Zettel hat er wohl nicht, denn er wendet seinen Blick wieder ab. Seufzend nehme ich eine Serviette und schreibe Codie Wallgoth darauf. Dann beginne ich die Buchstaben zu streichen und vergleiche sie mit Alecs Namen. Als ich es deutlich sehen kann, werde ich blass. Codie Wallgoth hat tatsächlich die gleichen Buchstaben wie Alec Lightwood.
Er hat mich die ganze Zeit an der Nase herum geführt.

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