Noch 18 Tage bis zur Hochzeit

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Ich starre aus dem kleinen Fenster in die weißen Wolken und versuche ruhig zu atmen. Fliegen macht mich immer sehr unruhig und wenn es sich vermeiden lässt, würde ich niemals freiwillig in eines dieser metallenen Dinger steigen. In diesem Fall lässt es sich aber nicht vermeiden.

"Alles okay?" fragt mich meine Sitznachbarin und lächelt mich freundlich an. Ich betrachte sie eingehend. Sie hat ein offenes und freundliches Lächeln und ihr rotes Haar fällt ihr in leichten Wellen ins Gesicht. "Eigentlich nicht." sage ich direkt und sie sieht mich fragend an. "Davon abgesehen, dass ich Angst vor dem Fliegen habe, geht mein Leben gerade den Bach runter. Ich bin verlobt, wissen Sie oder darf ich du sagen?" Sie nickt stumm und ich rede weiter. "Mein Verlobter entwickelt sich nur gerade zu einem exzentrischen Diktator und mein bester Freund ist vor zwei Tagen von einer langen Reise zurückgekehrt mit der Information im Gepäck, dass er schwul ist. Er sieht so gut aus und irgendwas war da plötzlich zwischen uns. Wir haben uns geküsst und noch andere Dinge gemacht. Und jetzt? Jetzt fliege ich einem anderen Mann hinterher, um einem Hirngespinst nachzugeben."

Sie blinzelt heftig mit den Augen und starrt mich an. "Okay, wenn das nicht spannend klingt, weiß ich es auch nicht. Wir haben zum Glück viel Zeit und du kannst mir die ganze Geschichte erzählen. Ich bin Clary." Sie hält mir die Hand hin und ich ergreife sie. "Magnus. Sorry, dass ich dich so überfahren habe. Ich weiß nur gerade nicht mehr, was ich machen soll." jammere ich und wieder lächelt sie.

"Erzähl mir alles, Magnus. Ich bin eine gute Zuhörerin und oft wirft ein Außenstehender ein ganz anderes Licht auf die Sache." Erleichtert atme ich ein und aus, bevor ich beginne, ihr alles zu erzählen. Von meiner Freundschaft mit Alec, dem Ouijabrett und der Vorhersage, wie mein bester Freund mich verlassen hat, wie Collin in mein Leben kam, von dem Antrag und meinen Bedingungen, von Collins Veränderung seiner Persönlichkeit, von Alecs Rückkehr und von den neuen Gefühlen, die mich vollkommen durcheinander bringen.

"Als ich in die Küche kam, stand Alec mit dem Hörer in der Hand da und sagte allen Ernstes, dass soeben Codie Wallgoth angerufen hat, weil er dringend seinen Designeranzug von Collin braucht, bevor er nach Frankreich fliegt. Ich bin vollkommen durchgedreht und sehe es als göttliche Fügung. Vielleicht sollte ich weder Collin heiraten, noch mich auf Alec einlassen." schließe ich ab und Clary starrt mich an. "Ziemlich filmreif das Ganze. Was genau, machst du jetzt hier, Magnus?" fragt sie und ich seufze. "Wie ein Vollidiot einem völlig unbekannten Mann hinterher reisen. Ich weiß, in welchem Hotel er absteigt und ich wollte wenigstens wissen, wer er ist und wie er aussieht."

Sie grinst. "Drei Männer. Nicht schlecht. Ich schaffe es nicht mal einen an mich zu binden." Sie klingt traurig. "Was machst du in Frankreich?" frage ich. "Meine Mutter besuchen, um den Kopf frei zu bekommen. Sie ist vor ein paar Jahren mit ihrem neuen Mann dorthin gezogen und ich brauche eine Auszeit. Mein Ex Raphael hat mich nach einem Jahr verlassen, weil er plötzlich beschlossen hat, lieber Priester zu werden und er den fleischlichen Gelüste entsagen will." Sie tippt sich an die Stirn. "Der spinnt doch."

Mitleidig streiche ich über ihren Unterarm und sie winkt ab. "Alles nichts gegen deine Geschichte. Darf ich meine Meinung äußern?" Gespannt nicke ich und sie holt tief Luft. "Ich persönlich glaube ja, Collin ist nicht der richtige für dich und das ist dir durch Alec bewusst geworden, von dem ich übrigens denke, er ist damals gegangen, weil er schon Gefühle für dich hatte. Er kommt wieder, outet sich und sofort knistert es zwischen euch aber du hast Angst, etwas zu verpassen oder die falsche Entscheidung zu treffen. Deswegen lässt du beide stehen und fliegst einer Kindheitserinnerung nach." Sie schnappt nach Luft nach ihrem Vortrag und ich sehe sie verblüfft an. "Möglicherweise hast du Recht aber ich muss wissen, ob dieser Codie mein Schicksal ist. Über eine andere Option kann ich gerade einfach nicht nachdenken."

Sie nickt. "Verstehe. Was hast du Collin und Alec gesagt, bevor du gegangen bist?" Ich beisse mir auf die Unterlippe. "Ehrlich gesagt, gar nichts. Ich hab einen Zettel hinterlassen, dass ich Zeit für mich brauche und bin weg. Es war eine spontane Entscheidung und keiner von den beiden hätte mich gehen lassen. Mir blieb nur diese Möglichkeit." sage ich kleinlaut. "Oh. Na dann würde ich sagen, ich helfe dir. Ein bißchen kenne ich mich aus und ich kann dich unterstützen, wenn du willst. Außerdem ist es eine nette Abwechslung zum grübeln." Dankbar lächel ich sie an. "Ich würde mich freuen, Clary. Alleine schaffe ich es vielleicht nicht." Wie zwei Verschworene grinsen wir uns an. Dann fällt mir etwas ein. "Wie meintest du das eben, dass Alec damals gegangen ist, weil er Gefühle für mich entwickelt hat."

Sie trinkt einen Schluck Wasser und sieht mich dann ernst an. "Naja, nach deinen Erzählungen wolltet ihr gemeinsam nach Europa und dann kam Collin und du hast ihn stehen lassen. Ich schätze, er hatte Angst verletzt zu werden und wollte sich die Beziehung zwischen euch nicht ansehen. Er konnte es nicht ertragen, dich mit einem anderen Mann zu sehen. Deswegen ist er weg, zumindest ist das keine Vermutung." Nachdenklich sehe ich sie an. "Ich weiß nicht. Wir haben immer über alles geredet. Das hätte er mir doch sagen können." murmel ich. "Und was hätte das geändert? Eure Freundschaft stand damit auf dem Spiel. Er hätte dich mit einem Liebesgeständnis ganz verlieren können. Ich hätte das auch nicht riskiert."

Ich starre sie an. "Alec kam nie als Partner in Frage, ich hab da niemals drüber nachgedacht. Aber dann war er wieder da und plötzlich war alles anders zwischen uns. Schon beim Abholen hat es gekribbelt im Bauch. Willst du ein Foto von ihm sehen? Er ist für mich der schönste Mann der Welt." Als sie nickt, krame ich mein Handy hervor und suche nach einem Bild von Alec. Ich finde schnell meinen Favoriten. Er sitzt auf einer Wiese und starrt nach oben. Damals hat er nicht gemerkt, dass ich ihn fotografiere und ich liebe dieses Foto. Clary pfeift durch die Zähne. "Der ist heiß. Hat er noch einen Bruder?" grinst sie und ich nicke.

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