7 • Bullshit

1.3K 150 41
                                    

"Wow, als ob das immernoch steht..", murmelte ich verwundert, eher zu mir selbst, als zu meinem Großvater. Er nickte und stemmte seine Hände in die Hüften, während wir das überraschend gut erhaltene Baumhaus vor uns betrachteten.
"Jup.. Das würde es aber wahrscheinlich nicht mehr, wenn Jeongguk es nicht so gut gepflegt hätte.. "
Bei dem genannten Namen, kribbelte es in meiner Magengegend. Scheiß Gefühle...

"Wie jetzt? Ich dachte, du hast dich darum gekümmert?", fragte ich überrascht.
Er nickte sofort und löste die Leiter von der Halterung.
"Nein, Jeongguk kam oft her und hat immer mal wieder geschaut, ob alles noch ganz ist.. Er hat auch mal aufgeräumt und es sogar ein wenig ausgebaut. Ich hab ihn ein paar Mal getroffen, wenn ich grade selbst im Wald war."
Er hielt mir die Leiter hin, doch ging ich einen Schritt zurück. Irgendwie hatte ich Angst davor, hochzugehen. Ich war zwar neugierig, doch traute ich mich nicht, nachzusehen, wie es mittlerweile aussah. Ich konnte nicht glauben, dass er sich wirklich so ausgiebig darum gekümmert hatte, das Baumhaus aufrecht zu halten.. Ich meine, er hatte mir doch ins Gesicht gesagt, er hasst mich.. Wieso tat er das dann? Wieso legte er so viel Wert darauf, unser 'eigenes Reich', wie wir es immer nannten, zu pflegen? Er hätte es doch genauso einfach herunterkommen lassen und somit zeigen, dass ich und unsere Vergangenheit ihm egal waren, wie er es nunmal sagte.
Doch offensichtlich war das doch nicht der Fall. Er würde sich nicht die Mühe machen, wenn es ihm nichts bedeuten würde. Wenn ich ihm nichts bedeuten würde.
Diese Doppelmoral verwirrte mich zu sehr.

"Willst du nicht mal hoch? Es hat sich wirklich einiges getan. Jeongguk hat da echt viel Arbeit reingesteckt."
Ich schüttelte hastig den Kopf, woraufhin mein Opa die Strickleiter in seinen Händen wieder sinken ließ, mich kurz skeptisch musterte. Dann klemmte er die Leiter zurück in die Halterung und drehte sich zu mir. Mein Blick galt dem von Blättern bedeckten Erdboden.

"Okay Taehyung, ich weiß, du weichst dem Thema zu gerne aus.. Aber mal im ernst, ich habe keinen blassen Schimmer, warum ihr nicht mehr befreundet seid. Ich meine, ihr seid zusammen aufgewachsen, man konnte euch nie trennen, habt euch gegenseitig überall mit hingeschleppt.. Ihr wart ein Herz und eine Seele und von jetzt auf gleich, wart ihr plötzlich zerstritten? Es ergibt für mich einfach keinen Sinn.. Ihr hattet eine so verdammt enge Bindung, kanntet den anderen in- und auswendig und ich dachte wirklich, ihr zwei würdet euch nie wieder von der Seite weichen.. Und jetzt erwähnst du nicht einmal mehr seinen Namen.. und weichst allem aus, was mit ihm zutun hat.. "

Es wurde still. Bis auf das Rascheln der Blätter an den Bäumen, welches durch die kühlen Windstöße verursacht wurde, war nichts zu hören. Er wusste ganz genau, wie ungern ich dieses Thema anschnitt. Es hatte immerhin seine Gründe, warum ich nie von ihm redete.

"Taehyung, ich zwinge dich nicht dazu, mir zu erzählen, was passiert ist. Jeongguk hat mir auch nie etwas erzählt.. Aber ich versteh es einfach nicht. Er hat immer den Eindruck gemacht, dass du ihm verdammt fehlen würdest. Und offensichtlich geht es dir ja nicht anders. Also was steht euch bitte im Weg? Ich versteh das alles nicht."

Ich starrte monoton auf das holzige Baumhaus, versuchte den Klos in meinem Hals herunterzuschlucken.
Wie sollte ich ihm das nur erklären? Ich konnte ja wohl kaum die ganze Geschichte erzählen, denn dann würde er enttäuscht von mir sein. Immerhin war ich es auch.

"Vielleicht war das ja das Problem...", murmelte ich, sah zu Boden, ehe mein Großvater verwirrt nachhakte.
"Was, Taehyung?"
"Wir kannten uns in- und auswenig. Wohl etwas zu gut. Wir sind zu weit gegangen.. Er hat Lügen über mich verbreitet und dann ging das alles rum und-"
"Stop stop, halt mal. Du redest in Rätseln, Taehyung."

Mein Herz klopfte so schnell und stark gegen meinen Brustkorb, dass ich den Puls schon in meinem Hals spüren konnte.
"Opa, er hat damals das Gerücht verbreitet, dass ich ihn zu Sex gezwungen habe und schwul bin."
Langsam hob ich den Blick und sah in sein wütendes Gesicht.
"Er hat was?", fragte er entsetzt und ballte seine Hände zu Fäusten.
"Was fällt dem Kerl denn ein, so eine Scheiße zu behaupten? Du hast doch nicht wirklich was mit ihm am laufen gehabt, oder?!"
In seiner Stimmlage lag so viel Wut und Enttäuschung, sodass mir ein Schauer den Rücken hinunterlief. Ich hatte ganz vergessen, wie mein Großvater bei solchen Themen reagierte.

Punkt Eins || taekookWhere stories live. Discover now