42 | Sie ist tot

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Love

Ich stand in unserem Garten und musterte ihren Blumengarten. Den Blumengarten von Hailey. Rote Rosen, orangene Tulpen, Sonnenblumen, Veilchen und dazwischen Unkraut. Jeder, der diesen Garten sah, schüttelte verständnislos seinen Kopf. Die Blumen passierten nicht zueinander. Sie agierten nicht miteinander.

Aber für Hailey hatte jede Blume eine besondere Bedeutung.

Die roten Rosen bedeuten für sie die wahre Liebe. Diese schenkte sie nur ihren Liebsten, also mir, Mum und Dad. Wenn jemand jemanden eine Rose schenkt, dann liebt die Person die andere, waren ihre Worte gewesen.

Dann gibt es noch die Tulpen. Diese stehen für die Sympathie. Hailey hat mal einige Tulpen gepflückt und diese ihrer Lehrerin gegeben. Tulpen zeigten, dass man die Person, der man eine Blume gibt, sympathisch findet.

Neben den Tulpen lagen die ausgetrockneten Sonnenblumen. Diese symbolisieren das ewige Leben. Das ewige Leben, das Hailey niemals hatte.

Meine Schwester bat mich mal ihre liebsten Sonnenblumen zu pflücken und die ins Krankenhaus zu bringen. Ahnungslos tat ich es und sah mit eigenen Augen wie sie diese den Krankenschwestern überreichte.

Wieder kamen mir die Tränen hoch und ich setzte mich auf den Boden, genau vor ihre Blumen und betrachteten sie. Der ungewöhnliche Duft stieg mir in die Nase und der Wind kam wieder entgegen.

Mein Blick fiel auf die Veilchen. Hailey hat diese nie angerührt. Sie schaffte es nicht eine zu abzureisen. Die Veilchen waren für sie eine Familie. Und sie wollte keine Familie zerstören. Sie wollte sie nur beim Wachsen beobachten und sich eine eigene Familie vorstellen.

Auch wenn jede Blume eine andere Bedeutung hat, als ihre eigenen, hat sie dies nie eigesehen. Sie hat mit einem Hauch von Fantasie die Bedeutungen ausgedacht.

»Was tust du hier?« Max stellte sich neben mich. Die Hände in seinen vorderen Hosentaschen versunken und blickte auf die Blumen. »Ich hab den Zettel in der Küche gelesen. Gehts dir besser?«

Er hatte wohl meinen Befreiungszettel gelesen. Ich nickte stumm und sagte nichts mehr, sondern betrachtete ihre Pflanzen. Das ungewöhnliche war, dass Hailey nicht die Blumen geliebt hat. Nein, sie liebte das Unkraut. Weil sie wusste, dass niemand diese liebte. Jeder hasste das Unkraut, aber Hailey nicht.

Meine Schwester war besonders.

»Love ich spreche mit dir.« Max hockte sich neben mich. »Was ist los?«, er fing an mich misstrauisch zu mustern, jedoch schüttelte ich meinen Kopf. »Nichts.«

Mein Leben ist im Tiefpunkt angekommen. Ich hatte Parker verloren. Meinen besten Freund. Ich hatte Rowen verjagt. Den Typen, den ich liebe. Und ich hatte das Vertrauen verloren. Kurz gesagt; alles.

Ich habe nur noch Mum und Max. Sogar mein leiblicher Vater meldet sich nicht bei mir. Obwohl er Kontakt mit mir haben wollte. Er ist verschwunden. Einfach so.

Ich merkte nicht, wie meine Tränen über meine Wangen flossen. Erst als Max mich an der Schulter berührte kam ich wieder zurück und spürte Feuchtigkeit an meinen Wangen.

»Hey«, hörte ich seine vertraute Stimme. »Alles wird gut, Kleines.« Ich hielt den Atem an und ließ meine Tränen stumm auf meine Wangen fallen. Ich möchte nicht weinen. Es soll aufhören. Ich unterdrückte meinen Schluchzer, bis Max mich in seine Arme zog und ich laut aufschluchzte.

Zitternd schlang ich meine Arme um ihn. Zum ersten Mal fühlte es sich so an, als wäre mein Vater hier. Als würde er mich lieben und für immer bei mir bleiben. Aber es war Max. Nicht mein Vater.

Till the Death | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt