Undercover Homo

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Keuchend lagen Goldlöckchen und ich nebeneinander auf dem Bett. Ich drehte meinen Kopf zu ihr. „Hi..." Die ganze Zeit war es eine Abwechslung zwischen Hüpfen und Reden gewesen. Springen. Da stehen und herumalbern. Springen. Tratschen über belanglose Dinge. Ich liebte es irgendwie. Es fühlte sich so einfach an.

Sie da mich ebenfalls an, lachte. „Du bist komisch, Tom."

„Ben", korrigierte ich sie erneut.

„Ben." Sie kicherte. „Sorry. Irgendwann werd ich mir deinen Namen merken." Sie stützte ihren Kopf hoch, während sie auf der Seite lag. Ich hatte die beste Aussicht auf ihr Dekolleté. Es blieb nicht aus, dass ich drauf sah. Aber das ließ mich völlig kalt. Natürlich tat es das. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre ganz normal. Dass mich der Anblick von Brüsten verrückt werden ließ. Dies jedoch war eben nicht der Fall.

„Bist du öfter auf solchen Partys? Ich hab dich noch nie gesehen." Auch in der Schule hatte ich sie nie bemerkt.

„Oh! Ich bin gerade erst hergezogen."

„In dieses Kaff? Freiwillig?"

„Ja, meine Eltern fanden es hier so schön."

„Wow..." Ich schmunzelte. „Das hab ich ja noch nie gehört."

„Hey, die Stadt hat ihren Charme!" Sie schob mir eine Strähne aus der Stirn. „Also, Ben. Wenn ich dich öfter von deinen Idiotenfreunden retten soll, kann ich gern öfter zu solchen Partys kommen."

„Ist das ein Versprechen?" Ich nahm ihre Hand und verschränkte unsere Finger miteinander.
Eine Weile schwiegen wir. „Ich könnte einen guten Freund gebrauchen...", gab ich leise zu.

Sie küsste meine Finger. „Schätzchen, sprich mit mir. Dich bedrückt doch irgendwas." Ich hatte das Gefühl, mit ihr auf einer Wellenlänge zu sein. Es fiel mir leicht mit ihr zu reden. Auf dem Bett herumzuspringen und einfach Spaß zu haben. Dabei kannten wir uns erst seit wenigen Stunden. Wenn überhaupt. Mit keinem meiner Freunde hätte ich das getan. Einfach so.

Ich zögerte. „Worüber wir reden, bleibt unter uns?", fragte ich sie.

„Natürlich! Was gehen andere Leute unsere Gespräche an?"

Ich schnaubte leise. „Glaub mir, in meinem Freundeskreis weiß innerhalb einer Woche jeder Bescheid."

„Ich gehöre nicht zu deinem Freundeskreis."

Ich betrachtete sie. Wenn ich könnte, würde ich mich wohl in sie verlieben wollen. Sie schien perfekt zu sein. Doch das konnte ich mir eben nicht aussuchen. „Ich... bin verliebt in jemanden." Ich legte unsere Flossen, die sich noch immer umschlossen hielten, auf meiner Brust ab.

„Wer ist sie?", fragte Lucia neugierig. Es schien ihr überhaupt nichts auszumachen, dass wir hier so lagen, einander die Hände hielten.

„Sie... ist keine sie. Sie ist ein er. Also er ist ein er." Ich holte tief Luft, hielt sie an. Es war das erste Mal. Zuvor hatte ich nie darüber geredet. Wahrscheinlich wartete ich nur darauf, dass sie ihre Hand zurückzog und das Zimmer verließ.

Goldlöckchen blieb jedoch neben mir liegen, verstärkte den Griff sanft. „Bin ich die erste, die das weiß?"

„Die erste und die einzige. Und ich will, dass das so bleibt!"

„Keine Sorge, Schätzchen. Ich sage niemandem etwas." Sie ließ ihren Lockenkopf ins Kissen fallen. „Willst du mir von ihm erzählen?"

Mir schlich ein Lächeln über die Lippen, als ich an ihn dachte. Der Schnee fing an zu fallen. In meiner Brust. Ich liebte Schnee. „Er... sitzt in den Pausen immer in der Halle in einer Ecke und liest. Wenn er sich mit anderen unterhält und lacht, bleibt mein Herz irgendwie stehen. Keine Ahnung. Ich hab nie mit ihm geredet oder so. Ich kenne nicht einmal seinen Namen! Aber ich kann an nichts anderes mehr denken. Seit dem Moment, als er mir aufgefallen ist. Er... er... hat etwas mehr auf den Rippen. Versteh mich nicht falsch! Ich finde nämlich, dass ihn diese Tatsache irgendwie noch viel schöner macht... Ich frag mich die ganze Zeit, wie er wohl riecht. Wie sich seine Haare anfühlen. Wie seine Stimme klingt, wenn er mit mir reden würde. Was würde er sagen? Welche Farbe haben seine Augen? Er trägt eine Brille. Die steht ihm so gut! Ich... möchte seine Pullis tragen, mich an ihn kuscheln... Oh Gott." Ich legte meine freie Hand auf mein Gesicht.

„Das ist so... unglaublich süß!" Sie kicherte. „Wieso sprichst du ihn nicht einfach an? Du musst ihn mir in der Schule unbedingt zeigen, okay?"

„Er... Na ja ich..." Ich seufzte. „Er hängt viel mit den Losern der Schule herum. Ich eben mit den coolen Kids. Außerdem weiß niemand, dass ich auf Jungs stehe. Beziehungsweise... stehe ich überhaupt auf Jungs? Oder nur auf ihn? Ich weiß es nicht! Ich... weißt du, meine Freunde machen immer Scherze über Schwule und so. Und die ,Freaks' an der Schule sind eh unten durch. Würde ich offen sagen, dass ich in einen von ihnen verliebt bin..."

„Ben, du lässt dich viel zu sehr von deinen sogenannten Freunden beeinflussen."

Ich sah sie an. „Ich würde selbst zu den Losern gehören."

„Na und?"

„Das würde mich zu einem Loser machen."

„Na und?"

„Ich hab verdammte Angst davor."

Sie seufzte leise und rappelte sich auf. „Gut, dann verstell dich eben weiter. Wenn die Jungs da draußen deine Freunde sind, akzeptieren sie dich wie du bist. Ich tu es jedenfalls. Und ich hoffe für dich, dass du dich vielleicht irgendwann traust, du selbst zu sein. Hm?"

Ich setzte mich an die Bettkante, sah ihr zu wie sie ihre Schuhe anzog. „Lucia...?"

„Ja?" Sie lächelte mich sanft an.

„Bleiben wir in Kontakt?"

„Auf jeden Fall! Was ist das denn für eine Frage? Gib mir dein Handy."

Ich legte ihr mein Smartphone in die ausgestreckte Hand und richtete mein Hemd. Nach dem Herumspringen auf dem Bett, sah ich etwas wild aus. Goldlöckchen gab mir das Telefon wieder.

„Oh!" Sie lachte, ehe sie sich ihre Unterhose auszog. „Ich wette, deine Idiotenfreunde wollen Beweise!"

Ich lief wohl knallrot an, als sie mir ihren Slip auf den Schoß warf. „Äh...?!" Was war nur los mit diesem Mädchen?

„Wir sehen uns, Undercover Homo!" Sie zwinkerte mir lachend zu, ehe sie das Zimmer verließ. Ich wusste, dass sie es keineswegs böse meinte. Das machte mich irgendwie unglaublich glücklich.

Losers [boyxboy]Where stories live. Discover now