41// Pause

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Christians Sicht

Ich starrte auf das Display meines Handys und wartete sehnsüchtig auf Nachricht von Luna. Doch sie meldete sich einfach nicht. Ich machte die Musik meines Kopfhörers lauter, ehe mich der Whats App Ton zusammen zucken ließ, dass war wohl zu laut und ich griff erneut zu meinem iPhone. „Sind auf dem Rückweg. Wollte dir viel Glück wünschen." Schrieb Luna mir und auf meinen Lippen huschte dieses dämliche Grinsen. „Wie war es?" Schrieb ich ihr gleich. „Du hast jetzt ein Spiel, ich stehe bereits am Gate. Denke an dich!" Würgte sie mich ab. Es war nicht, dass was ich von ihr hören wollte. Lieber wollte ich Details wie ihr Vorstellungsgespräch gelaufen war, doch sie wollte nicht reden, also ließen wir es. Mein Physiotherapeut kam zu mir. „Wollen wir?" Fragte er mich gut gelaunt. „Ja klar!" Murmelte ich und folgte ihm, ehe er mir den linken Oberschenkel versorgte. In den letzten Wochen hatte ich immer mal wieder ein paar Zipperlein im Oberschenkel gehabt. Wir arbeiteten daran, das es nicht schlimmer wurde und ich fit nach England gehen würde. Jetzt war es umso wichtiger gesund, fit und entspannt zu werden. Es war die übliche Routine vor dem Spiel, Aufwärmen, Taktikbesprechung, Umziehen, Warmspielen, Schuhe wechseln, Spielen. Pause, Spielen, Umziehen, Pflegen. Bett. Aufstehen. Duschen. Packen, Frühstücken, ehe es zum Flughafen ging und wir zurück flogen. Doch jetzt gerade wollten wir nur eins; Gewinnen. Gott wir wollten wirklich gewinnen. Ich verließ gerade die Kabine als Herr Schwarz vor mir stand. Ich runzelte die Stirn, er war doch mit Luna in London? Mein Blick schweifte umher, als ich die junge Frau entdeckte. Auch sie schaute automatisch zu mir hinüber und ich zuckte verlegen mit den Schultern. „Was tust du hier?" Fragte ich sie und ging zu ihr hinüber. „Es war die ganze Zeit sein Plan!" Sagte Luna und zeigte auf den älteren Polizisten. Ich schlang meine Arme um sie und küsste ihren Hals. „Wie war dein Vorstellungsgespräch?" Nervte ich sie und Luna verdrehte in üblicher Manier die Augen. „Ich habe den Job!" Sagte sie wie selbstverständlich. „Das ist doch super!" Freute ich mich. „In einem Jahr!" Fügte sie zähneknirschend an. Ich war überrascht. „Misses Bode möchte das ich mir Zeit für mich selbst nehme. Ab Juni muss ich einmal im Monat zum Dienst. Tests absolvieren. Solange soll ich die Zeit nutzen um gesund zu werden!" Sie machte eine Pause. „Gesund werden! Solange steht mir eine Zulage aus dem Polizei-Fonds zu." „Das hört sich doch super an, du machst eine Auszeit, bereitest dich für den Polizeidienst in London vor. Das ist doch toll!" „Ich verliere ein Jahr!" Schmollte sie. Ein Jahr war nichts, wenn man bedachte, was Luna durch gemacht hatte. Das Herr Schwarz und Frau Bode ihr eine Chance gaben war unfassbar. Ich gab Luna einen Kuss auf die Lippen. War ihr nicht klar, dass sie zur Zeit eh Dienstuntauglich war und zwölf Monate ein realistisches Ziel um wieder neu durchzustarten? „Ein Jahr haben wir ganz viel Zeit zusammen, ist das nicht wundervoll?" Freute ich mich, doch Luna wirkte so traurig, dass ich es ihr an der Nasenspitze ansah. „Wie toll das du hier bist, du wirst mir Glück bringen!" Grinste ich und streichelte ich ihr zärtlich über den Rücken. „Viel Spaß beim Spiel!" Wünschte sie mir. „Das erste Tor gehört dir!" Versprach ich Luna und streichelte ihr sanft über die Wange. „Danke das du da bist!" Sagte sie leise und etwas unbeholfen. „Für dich immer!" Versprach ich ihr und zwinkerte ihr zu. Verlegen stellte sie sich auf die Zehenspitzen und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. „Alles wird gut!" Versicherte sie mir.


Jacobs Sicht

Ich saß auf der Bank und hatte dennoch den weltbesten Ausblick. Unmittelbar neben der Bank sah ich Luna. Sie saß neben Herrn Schwarz und schaute gedankenverloren aufs Spielfeld. Ihre dunklen Locken umspielten ihr schmales Gesicht. Sie hatte den Kragen ihrer Jacke tief in den Nacken gezogen, das einzige was mir vom weitem auffiel, war ihr roter Lippenstift. Dieser rote Lippenstift auf ihren sinnlichen Lippen zog mich an, wie die Motte das Licht. Es war einfach nur roter Lippenstift, doch das dunkel gerahmte Gesicht zwischen all den anderen fiel einfach auf und ich kam mir schlecht vor, dass ich meinen Blick nicht von ihr abwenden konnte. Auf dem Feld kämpften die Jungens um jeden Ballbesitz. Der Trainer brüllte über den Platz, doch ich hatte nur Augen für den wundervollen roten Lippenstift der hübschen jungen Frau. „Meinst du nicht, dass es Zeit ist sie zu vergessen?" Fragte Thomas mich auf Dänisch, der versetzt hinter mir saß. „Wer?" „Nun du starrst sie seit einer Stunde unentwegt an!" „Wen?" „Du weißt wen!" Korrigierte er mich. „Ihr geht es nicht gut!" Sagte ich zu ihm. „Es ist nicht deine Aufgabe, dass wieder gut zu machen!" Erklärte er mir. „Er schafft es aber nicht, dass zu erkennen!" „Du bist nicht in der Position darüber zu urteilen!" Mein Blick haftete auf dem Ball, als Christian sich loseiste und gezielt losrannte. Der Pass von Marco Reus landete quasi auf seinem linken Fuß. Christian rannte und rannte, ehe er schoß und der Ball sich in die obere rechte Ecke bohrte. Alle sprangen auf, damit hatte Christian es geschafft, dass der BVB wegen ihm in Führung lag. Der Amerikaner sprang über die Bande, wo Luna saß und wollte zu ihr, doch die Sicherheitskräfte hatten etwas dagegen und hielten ihn ab. „Gott!" Brummte ich. Luna stand und applaudierte ihm artig zu. Da war es wieder, dieses unübersehbar Band zwischen Ihnen und merkte selbst gar nicht wie sich meine Hand zu einer Faust ballte. Ich konnte es kaum mitansehen und biss mir frustriert auf die Unterlippe. Warum hörte es einfach nicht auf weh zu tun? Immer wenn es weg war, kam es doppelt so heftig zurück. Wie ein Boomerang, doch das Ding landete jedes Mal gegen meine Schläfe. Es war schrecklich, denn es würde erst besser werden wenn wir uns nicht mehr so häufig sehen würden und je mehr ich dagegen ankämpfte, desto schlimmer wurde es. Luna war so nah und doch unendlich weit entfernt. Sie warf Christian ein Herz mit den Fingern hinüber und dass Schlimme daran war, das sie es ernst meinte. Sie liebte Christian, sie glaubte an ihn, sie glaubte an seinen Traum. Meine Finger wurden ganz taub und ich ließ meine Faust wieder los. Luna wusste nicht einmal das ich immer noch so darunter litt. Wir hatten bisher nicht mehr darüber gesprochen. Ich wollte Luna nicht belasten, also schwieg ich. Ich schwieg mehr und mehr und am liebsten hätte ich Sie angeschrieen, dass sie einen Fehler machte aber das Recht hatte ich nicht mehr. Also würde ich versuchen sie gehen zu lassen. Wer liebt muss auch loslassen, hatte man mir immer eingeredet. Das hatte man mir auch bei der Krebserkrankung meiner Schwester gesagt. Wenn die Kraft nicht mehr reicht, soll Sie gehen, denn wer liebt muss auch loslassen können. 


Lunas Sicht

Ich saß an der Hotelbar und wartete auf die Jungens. Denn ich hatte keine Lust auf dem Zimmer zu warten, während sie massiert oder schwimmen gingen, um sich vom Spiel zu erholen. Der nette Barmann hatte mir einen Cocktail mit Gin gemixt. Herr Schwarz war schon ins Zimmer gegangen. Der BVB hatte sein Zimmer einfach nicht vergeben, weil sie gewusst hatten, das er kam. Es war eine gelungene Überraschung nach London gewesen und Madrid war wunderschön. Es war recht warm in der Stadt, ehe Jacob an der Bar auftauchte. Er setzte sich neben mich und schwieg. „Na du!" Begann ich das Gespräch, nachdem ich ihn zum hundertsten Mal gemustert hatte. „Wie geht es dir?" Fragte er mich und jetzt war ich es die schwieg. „Wann haben wir aufgehört miteinander zu reden?" Fragte Jacob mich. „Du weißt wann!" Brummte ich und dachte einen Bruchteil an Regen, einen Parkplatz im Wald und diesen einen Augenblick, den auch ich verdrängte. „Ja aber selbst jetzt wo man dir ansieht wie schlecht es dir geht, schweigst du!" „Du weißt warum ich schweige, was sollen wir uns denn sagen?" Fragte ich ihn. Er warf mir diesen Blick zu, den ich nicht missverstehen konnte. „Du verschwindest nach London, allein. Mit jemanden den du gar nicht kennst..." „Da kennt mich keiner!" Gab ich zu und fuhr fort. „Da kann ich, wieder ich sein, ohne Kamera, ohne Beobachtung. Ohne diese ätzenden Machoschweine, die sich meine Kollegen nennen. Ich will einfach nur meinen Job machen!" „Dein Freund fängt in Chelsea an, alle Spieler haben Freundinnen und Frauen, die mit Instagram ihr Geld verdienen. Ibiza, Vegas, New York." Er musste mir das nicht sagen, ich wusste das alles bereits. Gerade blieb mir für ein Jahr gar nichts anders übrig. Was mich unglaublich frustrierte und sah Jacob an. „Was willst du mir sagen?" Fragte ich ihn. „Das ich mir Sorgen um dich mache. Mehr nicht!" Gab er zu. Für eine Sekunde stellte ich mir die Frage, ob er mich etwas anders fragen wollte. Manchmal blickte er mich immer noch so an, wie er mich am Anfang angesehen hatte. Manchmal war das Band zwischen uns immer noch vorhanden, egal wie häufig ich versuchte es durchzuschneiden. Eines wollte ich auf keinen Fall und das war Christians Gefühle zu verletzen. Er gab mir keinen Anlass dazu und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Ich wollte ihn einfach nicht enttäuschen. „Warum spielst du eigentlich nicht?" Fragte ich den hübschen Dänen. Selbst im Sitzen war er mehr als einen Kopf größer wie ich. „Ich habe mein Temperament nicht so gut im Griff!" Gab er zu und legte seine Hand auf die Bar. Seine Handknöchel waren blutig geschlagen und heilten gerade ab. Doch bevor ich etwas sagen konnte, kamen die anderen nach und nach. Thomas war der erste der uns unterbrach. Gleich gefolgt von Christian. Er schwang seinen Arm um meine Schulter und küsste meine Wange. Mein Blick haftete immer noch auf Jacobs Hand. Warum tat er so was nur? Was konnte ihn so frustrieren, das er nicht mehr wusste, wohin mit sich? Die einzige Antwort die mir darauf einfiel, war das ich keine Ahnung hatte was ihn gerade beschäftigte. Diese Frage interessierte mich brennend, denn sie lenkte so schön von meinen eigenen Fragen ab. „Hey Luna ich rede mit dir!" Ich hatte nicht einmal mitbekommen, das Christian mit mir geredet hatte. „Tut mir leid, was hast du gesagt?" „Wie war London?" Fragte er mich und strich mir liebevoll eine Strähne hinters Ohr. „Das Büro liegt gegenüber vom Parlament!" Erklärte ich ihm und fuhr fort. „Man kann den Big Ben sehen." „Wo bist du mit deinen Gedanken?" „Es war viel los heute! Du hast toll gespielt!" Sagte ich. „Ich habe dir ein Tor versprochen und das hast du von mir bekommen!" Lächelte er niedlich. In seinen Augen war soviel Liebe, doch ich hatte Angst vorm Alleine sein. „Meinst du ich kann Barnabas mitnehmen?" Fragte ich Christian. „Ich habe es dir doch angeboten!" Immerhin hatte ich ein Jahr ziemlich viel Zeit für das Pony. Ein Jahr um Zeit mit meinem Ponyfreund zu verbringen. Ich konnte mir nichts besseres vorstellen, damit meine Seele heilte. 

Neighbours  // Christian Pulisic & Jacob Bruun LarsenWhere stories live. Discover now