8//Tiger

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22. Lunas Sicht

Mir war schlecht, ich hatte Kopfschmerzen und Durst als ich wach wurde. Allerdings war ich erleichtert, denn ich hatte noch eine Stunde bis ich mit Christian laufen würde. Gedankenverloren schnappte ich mir mein Handy und schaute mir das gestrige Foto von Jacob und mir noch einmal genau an. Dieser hatte mir gestern Nacht noch eine Nachricht geschickt. „Das sollten wir wiederholen..." Mehr stand da nicht und ich fühlte mich geschmeichelt, denn ich mochte ihn irgendwie. Ich wollte mich erst später bei Jacob melden, denn ich wollte ihn ausschlafen lassen. Gestern Abend war er doch ziemlich müde gewesen. Außerdem musste ich mich jetzt auf mich konzentrieren. Immerhin wollte ich gleich zehn Kilometer joggen. Ich ging also duschen, zog mich zum laufen an und stand um kurz vor zehn unten vor dem Haus. Christian wartete bereits auf mich. Er hatte kleine Augen und seinen Hoodie tief ins Gesicht gezogen. Er gähnte und hatte Kopfhörer umgebunden. „Guten Morgen!" Sagte ich leise. „Na Schlafmütze!" Zog er mich auf. „Oh man, mir tut es leid, dass ich gestern im Taxi eingeschlafen bin!" Sagte ich peinlich berührt. „Du hast mir auf die Schulter gesabbert!" Zog er mich mit einem breitem Grinsen auf. „Niemals!" Grinste ich ihn an. Es war mir peinlich genug, dass ich einfach eingeschlafen war, doch zwischen den beiden Junges hatte ich mich beschützt gefühlt und das obwohl ich die Jungens so gut wie nicht kannte. Christian sah müde aus und trotzdem war er aufgestanden, um mit mir laufen zu gehen. Ich dehnte meine langen Oberschenkelmuskeln und begutachtete dabei Christians Sportoutfit. Er hatte einen dicken Hoodie und kurze Hosen von Nike an, scheinbar waren die Sportsachen von der amerikanischen Nationalmannschaft. Ich wusste das er Amerikaner war, aber nicht das er scheinbar auch für die Nationalmannschaft spielte. Er war noch so jung. „Wann geht es das nächste Mal in die USA?" Fragte ich ihn, während er sich seine Laufschuhe zu band. „Nächste Woche nach Boston." Sagte er zu mir, als wäre es das normalste auf der Welt. „Ich spiele in der Nationalmannschaft seit zwei Jahren!" Sagte er beiläufig und so cool wie möglich. „Echt? Der Wahnsinn!" Rutschte es mir hinaus. „Das ist der Grund warum ich Fußball spiele!" Grinste er freundlich, als wir uns auf den Weg machten. Er war stolz auf die Ziele, die er erreicht hatte. Tatsächlich war Christian von der Laufgeschwindigkeit genauso schnell, beziehungsweise noch schneller als ich. Allerdings mochte ich es, mich anzustrengen. Wir liefen die gleiche Strecke wie ich beim letzten Mal mit Jacob. Allerdings waren wir deutlich schneller unterwegs, nach etwa drei Kilometer, ging ich vom Tempo, ich ging ein paar Schritte langsamer und wischte mir den Schweiß aus dem Gesicht. „Du hältst gut mit!" Sagte Christian zu mir. „Du bist schneller als Jacob!" Keuchte ich vor Anstrengung. „Nein wirklich, du bist gut in Form!" Lobte er mich und ich musste albern kicheren. „War das ein Kompliment?" Fragte ich ihn und blickte ihm in seine großen braunen Augen. „Nein, das kriegst du erst, wenn du die Strecke noch weiter durch hältst." Er spornte mich an und das mochte ich an ihm. Christian zog mich mit und ich rannte weiter, trotzdem war er deutlich schneller als ich. Im Westfalenpark brauchte ich definitiv eine Pause. Mir brannte die Lunge und die Beine und ich schwitzte furchtbar. „Ich brauche eine Pause!" Sagte ich abgemüht und kämpfte gegen Seitenstiche. „Geht es?" Fragte Christian mich. „Tut mir leid, ich war wohl zu schnell!" Entschuldigte er sich bei mir und kam auf mich zu. „Nein, Nein, dass geht schon!" Versicherte ich ihm japsend. „Seitenstiche?" Fragte er und ich nickte nur noch. „Arme hoch!" Sagte er mir und stellte sich genau vor mich. Sanft nahm er meine Arme nach oben, „Weiteratmen, durch die Nase ein, durch den Mund aus!" Erklärte er mir ruhig. Ich kam mir ziemlich dämlich vor. Hatte ich wirklich so einen Anfängerfehler gemacht? Allerdings waren meine Seitenstiche wirklich unangenehm und ich brauchte einen Augenblick um mich zu entspannen. Dabei stand Christian nur ein paar Zentimeter von mir entfernt. Meine Arme ruhten auf seiner Schulter und ich dehnte meine Muskeln. Die Nähe zu ihm war alles andere als nicht unangenehm. „Warum hast du gestern nicht mit mir getanzt?" Fragte ich ihn, schaute ihm dabei genau in die großen braunen Augen. Ich brauchte noch einen Moment um mich zu erholen und die Frage hatte mich letzte Nacht wirklich beschäftigt. Christian schaute erst nach links, dann nach rechts und antwortete ruhig: „Sonst wären wir ja nicht hier!" Grinste er mich schelmisch an. Ich ertappte mich dabei, wie mein Herzschlag sich um ein paar Takte beschleunigte. Er hielt immer noch meine Arme fest und schaute zu mir hinab. Erst als er das Gefühl hatte, dass es mir besser ging, ließ er mich los. Ich wollte mich auf den Knien abstützen. „Wir müssen weitergehen, sonst übersäuern deine Muskeln und du kannst dich morgen nicht mehr bewegen!" „Es geht schon!" Versicherte ich ihm und legte ihm kurz meine Hand auf die  Brust. Liebevoll blickte er zu mir hinab. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Was passierte hier eigentlich gerade? Wir liefen erst mal im Schritttempo weiter und schwiegen uns an. Aber es war kein unangenehmes Schweigen, ganz im Gegenteil, die Blicke die wir uns zuwarfen verunsicherten uns beide. Als ich mich ein wenig erholt hatte, begann ich wieder zu joggen. Christian holte gleich wieder auf. „Du bist irre!" Sagte er mir. „Ich will den Kilometer irgendwann unter vier Minuten laufen." Rief ich ihm zu. „Das tust du doch schon!" Grinste er und zog erneut an. „Oh man!" Grunzte ich und holte zu ihm auf. „Man, kein Mitleid?" Fragte ich ihn und stupste ihn an. Er ärgerte mich und wir alberten einen Moment herum. Ich fühlte mich unglaublich wohl in seiner Nähe. Er schien mich niemals zu verurteilen, eine Eigenschaft, die ich sehr an ihm bewunderte.

Neighbours  // Christian Pulisic & Jacob Bruun LarsenWhere stories live. Discover now