Kapitel 6

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Benjamin

"Na" höre ich jemanden hinter mir sagen und lächelnd drehe ich mich um. "Zacharias! Hey" begrüße ich ihn zurück und wir umarmen uns.
Seit meiner Entscheidung, ihm eine Chance zu geben, sind zwei Monate vergangen. Zumindest laut dem, wie ich die Tage gezählt habe. Mit jedem verstrichenden Tag lege ich einen Stein zu meiner Sammlung und mittlerweile habe ich über fünfzig Steine auf dem Haufen. Meine "Mom" fragt mich zwar immer, was diese alberne Sache soll, doch kann ich ihr wohl schlecht verraten, dass ich die Tage zähle.

Mittlerweile müsste es August sein, da es die letzten beiden Monate sehr warm war.
Woher ich es genau weiß?
Als ich hier hin gekommen bin, war es schon wirklich warm und die Tage sind lang.

Naja, zurück zu Zacharias und mir.

Wir sind uns mittlerweile näher gekommen. Also nicht so näher gekommen, sondern haben viele Informationen ausgetauscht, Interessen kennengelernt und viel unternommen. Zwar habe ich ihn noch nicht als Freund akzeptiert, aber er schlägt sich ganz gut.
Wir beide kommen gut miteinander klar und er stellte sich als ein besserer Kamerad heraus, als ich anfangs dachte.

Ich hatte erst meine Zweifel, ob es wirklich eine kluge Entscheidung war, ihm eine Chance zu geben aber ich bin mittlerweile froh, das getan zu haben.

Auch habe ich mich in den Alltag gut eingelebt. Ich weiß nun, was meine Aufgaben hier sind und wie ich am besten nicht blamiere oder irgendwie verrate. Außerdem ist mir die kleine Familie so langsam, ohne das ich es verhindern konnte, wirklich ans Herz gewachsen. Vor allem der kleine Joakim. Ich wollte schon immer einen Bruder haben. Und mit ihm hat sich mein Wunsch endlich erfüllt.

"Du bist früh hier" meine ich und er grinst. "Du aber auch" erwidert er und ich zucke mit den Schultern, bevor ich mich kurz strecke und dann auf das Graß niederlasse.

"Ich habe heute was...mitgebracht" sagt er und verwirrt runzel ich die Stirn, wobei ich zu seinen Händen schaue. "Aber deine Hände sind leer" Murmel ich und er nimmt meine Hand, ehe er mich hinter sich her zieht. "Ich dachte, wir könnten Mal einen Ausflug machen. Irgendwo hin, was nicht der See ist" erklärt er und wir bleiben vor zwei Pferde stehen.

Mit großen Augen betrachte ich die beiden Pferde, die seelenruhig vor mir stehen. Der linke ist nachtschwarz und scheint ein Friese zu sein. Der rechte ist eher kleiner und ist schneeweiß. An seinen unteren Beinen sind braune Flecken und um sein Auge ist ein schwarzer Fleck.

Auf den Rücken der Pferde sind wunderschöne lederne Sättel und in den Trensen sind Rubine eingeflochten, was sie unglaublich majestätisch aussehen lässt.

"W-Woher hast du diese Pferde?" Frage ich stotternd und er grinst. "Diese Pferde gehören mir. Das ist Shadow," er deutet auf den Friesen, "Und das ist Snow-white, oder auch snow" nun zeigt er auf das weiße Pferd, welche Rasse ich nicht benennen kann. Für Pferde habe ich mich auch nie sonderlich interessiert.

Zögerlich gehe ich dann auf das weiße Pferd zu. "Ich bin aber noch nie geritten" Wisper ich beschämt und er hebt eine Augenbraue. "Noch nie? Ach, reiten ist ziemlich einfach. Du brauchst einfach nur Schenkeldruck, einen guten Sitz und musst die Trense gut festhalten" erklärt er und Immer noch nicht überzeugt steige ich langsam auf und spüre meine Nervosität.

Bitte werf mich nicht ab, bitte werf mich nicht ab.

Ich kralle mich fest in die Trense und er treibt sein Pferd dann an. Ängstlich drücke ich die Zügel an meinen Oberkörper und zucke jedesmal zusammen, wenn snow irgendeine ruckartige Bewegung macht. "K-Können wir B-Bitte was anderes machen?" Wimmer ich und spüre, wie mein ganzer Körper vor Angst angespannt ist.

Ich schaue ihn nicht an, um seinen spöttischen Blick nicht zu begegnen und atme zittrig. "Hast du Angst?" Fragt er und zögerlich sehe ich zu ihm, als ich keinerlei Spott in seiner Stimme vernehmen kann.

Leicht nicke ich und spüre die Tränen in den Augen, da mir in den Sinn kommt, was mit einigen Reitern in meiner eigentlichen Zeit passiert ist.

"Okay. Ganz ruhig. Wir werden nicht weiter reiten" erwidert er und bringt sein Pferd zum stehen. Auch mein Pferd bleibt stehen und mein Körper ist wie gelähmt, weshalb ich mich kein Stück bewegen kann.

Vielleicht bin ich sehr dramatisch, aber dieser Ritt hat mir höllische Angst eingejagt.
Wir sind schnell geritten, ich weiß nicht, wie man wirklich auf einem Pferd sitzt. Dann noch die nervösen Bewegungen, als würde das Pferd jede Sekunde durchdrehen.

"Es tut mir leid, ich wollte nicht, dass du solche Angst bekommst" entschuldigt er sich aufrichtig und steigt ab, ehe er die Zügel von Snow in die Hand nimmt. "Vielleicht führe ich dich erstmal und erkläre dir, wie genau du sitzen sollst und was zu beachten ist. Es wird Spaß machen, vertrau mir" fügt er noch hinzu und ich schlucke den Kloß herunter, der sich langsam in meinem Hals gebildet hatte und straffe meine Schultern. Am Ende denkt er noch, ich bin ein Angsthase. "U-Und du lässt nicht l-los?" Hauche ich und sofort nickt er. "Ich werde nicht los lassen. Versprochen"

Ich nicke dann. "Versuch dich zu entspannen. Du krampfst zu sehr. Du brauchst keine Angst haben, snow ist ein braves Mädchen. Versuch an etwas schönes zu denken" gibt er mir Tipps und ich atme tief durch und versuche meinen angespannten Körper zu entspannen.

An was schönes denken.

An was schönes denken..

Sofort blitzt ein Bild von Alex in meinem inneren Auge auf.

Seine schönen Augen, die, wenn sie von der Sonne angestrahlt wurden immer so schön geglitzert haben. Sein breites Lächeln, jedes Mal wenn er zu mir sah. Seine starken Arme um meiner Hüfte, jedes Mal wenn ich Angst vor irgendwas hatte. Alexs weichen Hände, die meine Wangen so vorsichtig hielten, als wären sie aus zerbrechlichen Glas. Seine sanfte Stimme, die mich immer beruhigt hatte, wenn ich einen Albtraum hatte. Seine Augen, die ozeanblauen Augen, die tief in meine Seele schauen konnten und sich regelrecht darein gebrannt haben. Und seine Lippen, die jede Silbe perfekt sprechen konnte und immer, egal wann wir uns trafen, so unglaublich weich waren.

Wie sehr ich ihn doch vermisse.

Seine kindische Art.
Ich habe mich zwar oft über sie lustig gemacht, aber momentan vermisse ich sie einfach nur unglaublich sehr und ich wünsche mir nicht mehr, als das ich ihn einfach nur wieder in meinen Armen halten kann.

Genau in dem Moment kann ich spüren, wie ich immer mehr entspannter und ruhiger werde.

Allein der Gedanke an Alex beruhigt mich wirklich sehr.

"Na siehst du. Das machst du gut" lobt Zacharias und ich lächel und setze mich aufrechter hin. "Mit ein wenig Übung kannst du bald schon ganz alleine reiten" lächelt er und stolz sehe ich ihn an, dass ich nicht aufgegeben habe.

So gehen, beziehungsweise reiten, wir durch die Landschaft und ich genieße das Gefühl von Freiheit, während wir über verschiedene Themen reden und die neue Umgebung, naja eher für mich neu, genießen.

Wie schön das doch sein kann. Einfach nur Natur und keine Städte oder Autos, die sie verschmutzen. Kein Müll und Abfall, Tiere die herum laufen, ohne Angst, dass sie irgendein Plastikteil verschlucken könnten. Es ist wirklich schön. Und doch ist die Sehnsucht nach mein Zuhause in mir noch immer so groß.

Ob ich hier jemals weg komme? Oder werde ich für immer verdammt sein, hier zu bleiben und bis zum Lebensende bei fremden Leuten verbringen? Wer weiß, was die Zukunft noch für mich bereit hält.

The King's possession *PAUSIERT*Where stories live. Discover now