Kapitel 26

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Vergangenheit

Es klingelt an der Tür und ich bewege meine Beine in die Richtung. Als ich sie öffne sehe ich in das Gesicht meines Vaters, sein Blick erinnert mich an die Zeit von Mums tot. Ich trete wortlos zur Seite und schließe die Tür hinter ihm.
„Dad... ist alles gut...?", frage ich besorgt auf sein Gesicht das nichts aussagen kann, außer das ihm etwas auf der Seele liegt und belastet.
Ich folge ihm ins Wohnzimmer und setzte mich zu ihm auf die Couch. Ich sehe wie mein Vater sich die Worte zusammen sucht, wie er es erklären soll. Ich sitze da und warte, bis er soweit ist. Er fährt sich mit der Hand durchs Gesicht, sein Blick verrät immer noch nichts neues. Mit einem Mal tief ein Atmen sieht es aus als währe er soweit mir zu erklären was los ist.
„Ich hab Lungenkrebs...", berichtet er kurz und knapp.
Bevor er weiter fortfahren kann spreche ich ihm ins Wort.
„Wie stehen die Chancen...?", stehe ich den Tränen nahe und versuche es mit einem tiefen einatmen zu verhalten.
„Es ist das... letzte Stadium", bringt er nur schwer über die Lippen.
„Heißt das...", spricht nun mein Vater mir ins Wort.
„Es gibt keine Hoffnung auf Heilung...", lässt er den Kopf senken.
„Nein...", sage ich und spüre wie ich die Tränen nicht mehr zurück halten kann.
„Nein...", bannen sich die Tränen an die Oberfläche.
„Es muss doch eine... es muss eine Heilung geben", fange ich an zu schluchzen.
„Hell... leider nein...", lässt mein Vater seinen Kopf sinken.
Ich fühle mich hilflos, ich bin es ja auch, ich kann ihm nicht helfen.
„Es muss eine Heilung geben", fange ich an zu weinen.
Mein Vater setzt sich fürsorglich zu mir und nimmt mich in den Arm.
„Ich kann dich nicht verlieren...", schluchze ich in seine Halsbeuge.
Ich höre mich gerade egoistisch an, aber dieser Gedanke macht mich fertig. Ein schlechtes Gewissen macht sich in mir breit, ich sollte für meinen Vater gerade da sein und nicht er für mich, er hat diese Krankheit ich hab nur seine Diagnose erfahren.
„Wie lange...", versuche ich mich wieder zu beruhigen.
Mein Vater atmet einmal tief ein und wieder aus.
„Mindestens ein Jahr, mit Glück...", antwortet er mit zittriger Stimme.
Ich schaffe es kein Wort über die Lippen zu bringen. Mein Blick versteift sich auf die tränengefühlten Augen meines Vaters. Die Haustür reist mich aus meiner Trance, ich wische mir mit einem Handdruck die Tränen aus den Augen und zwinge mir ein Lächeln auf. Ich erhebe mich langsam und bewege mich in Richtung Türe.
„Mum", sehe ich im Gegensatz zu mir ein ehrliches Lächeln meiner Tochter.
Sie läuft mir in eine Umarmung.
„Du bist schon daheim?", blicke ich in das nächste ehrliche Lächeln, das meinem Mann gehört.
Er gibt mir einen zarten Kuss zur Begrüßung, doch bevor er sich löst flüstert er zu mir.
„Das ist nicht dein echtes Lächeln..."
Dieser Mann kann wirklich alles analysieren, er kennt mich einfach viel zu gut. Ich lass für eine Sekunde mein gefälschtes Lächeln fallen, setzte es aber so schnell wie es geht wieder auf.
„Ein Überraschungsgast ist hier...", blicke ich wieder zu meiner Tochter und vernehme Bewegung hinter mir.
„Opa", ruft Emy fröhlich sobald sie die Person hinter mir wahrgenommen hat und rennt auf ihren Großvater zu.
Er erwidert ihre Umarmung und ich sehe ein Lächeln auf seinen Lippen, dieses Lächeln sieht nicht gefälscht aus. Es ist das selbe ehrliche Lächeln das ich seit meinem siebten Lebensjahr von ihm kenne. In diesem Moment kreisen meine Gedanken in einem Chaos, dieser Moment wird nicht mehr so sein. Ich war fünfzehn Jahre alt als ich meine Mutter verlor, Emy ist erst zehn und soll ihren Großvater verlieren. Es ist schon schlimm genug das Emy ihre Großmutter nie kennenlernen konnte, ich bin mir ziemlich sicher, meine Mutter hätte die kleine geliebt. Ihr Großvater ist ihr großes Vorbild und dieses Vorbild soll dieses lebensfrohe Mädchen jetzt verlieren. Ich weiß nicht wie ich es ihr erklären soll.
„Ich kann jetzt Would I Lie To You alleine auf Klavier spielen", erwidert Emy stolz an ihren Großvater gewannt.
„Wirklich, das will ich hören", erscheint sein schiefen grinsen und er folgt seiner Enkelin in ihr Zimmer.
„Rede...", flüstert er zu mir im vorbei gehen, ich weiß sofort was er damit meint.
Sobald die beiden hinter Emys zimmertüre verschwunden sind lasse ich mein gefälschtes Lächeln fallen. Ohne auf mich einzureden, nimmt mich Nicklas in den Arm. Ich spüre wie sich wieder die Tränen an die Oberfläche anbahnen. Bevor es zu spät ist und ich zu schwach werde erzähle ich dem Mann der mir versprochen hat in guten wie auch in schlechten Zeiten da zu sein, alles. Als das letzte Wort meine Lippen verlässt, werde ich zu schwach weiter gegen die Tränen zu kämpfen. Wie es mir geht, was mir durch den Kopf geht schaffe ich nicht mehr zu sagen, aber Nicklas weiß es genau.

Adoptierte Wellenbrink Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt