Kapitel 29

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„Ich hätte an diesem Tag nie gedacht ein Jahr später immer noch hier zu sitzen...", Knalle ich wieder auf den Boden der Tatsachen.
„Ich auch...", erwidert er.
Zwischen uns beiden herrscht eine unangenehme Stille, das einzigste was man hört ist unser Atmen. Die Stille ist nicht nur unangenehm sondern auch eine Qual für mich, ich bin alleine mit meinen Gedanken, habe keine Ablenkung. Ich senke den Kopf, Presse meine Lippen aufeinander und kneife die Augen zusammen, um die Tränen zu verhalten.
„Es tut mir leid Hell...", durchbricht mein Vater dieses quälende schweigen.
Ich schaffe es nicht meinen Kopf zu erheben, weshalb ich warte das er weiter spricht.
„Ich sagte dir vorher schon... ich wollte dir das leiden nehmen... und ich sehe wie du, wegen mir seit einem Jahr leidest...", erklärt er.
In seiner schwachen Stimme, erklingt das Schuldbewusstsein. Ich zwinge mich meinen Kopf zu heben und ihm in die Augen zu sehen.
„Im leben muss man leiden... je wichtiger der Mensch dir ist desto mehr tust du's...", erwidere ich mit zusammengepressten Lippen.
„Ich leide nur weil du mir zu wichtig geworden bist... ich hab dich zu sehr an mich ran gelassen... vor allem nach Mums tot...", erkläre ich weiter.
„Es ist keineswegs deine Schuld... es ist meine... ich habe dich an mich ran gelassen... ich hab entschieden dich als meinen Vater zu nennen... ich bereue es aber nicht, das ich's getan hab...", zwinge ich mir ein trauriges Lächeln über die Lippen.
„Manchmal frage ich mich womit ich das verdient hab... das gerade Aileen und ich die Personen waren die dich in dieser Gasse gefunden haben?...", zieht er seinen rechten Mundwinkel gewohnt nach oben.
„Wenn du wüsstest... womit hab ich es verdient das mich zwei so herzensgute Menschen aufgenommen haben?...", verziehe ich meinen Mundwinkel ebenfalls nach oben.
„Danke...", sage ich ohne das man irgendwas in meiner Stimme hört.
„Für alles... die letzten dreißig Jahre... ich werde nie sagen können wie dankbar ich euch beiden bin... ich weiß du hattest immer das Gefühl du wärst mir ein schlechter Vater gewesen...", pausiere ich meine Aussage.
„Du warst mir nie ein schlechter Vater...", behalte ich meinen Mundwinkel oben.
„Nie hätte ein Mensch ein fremdes Mädchen aufgenommen, dieses Mädchen als Tochter angesehen und mir hätte nie ein Mensch so ein Vater sein können wie du...", erwidere ich und wende kurz meinen Blick von seinem ab.
Mein Vater gibt darauf kein Kommentar, sondern wendet seinen Blick bloß von mir.
„Du hattest gemeint bis zu dem Tag als du das erste mal hierher gekommen bist... hast du erkannt das alles real ist, davor fühlte es sich an wie ein böser Traum...", fängt er an zu reden und schaut mich weiterhin nicht an.
„Es fühlt sich immer noch an wie ein böser Traum...", wendet er den Blick wieder zu mir.
„Du sagst es ist nicht fair das ich gehen soll... es ist nicht fair das du wieder leiden musst... wir haben dich aufgenommen um dir zu zeigen das, das Leben nicht nur grau ist, wir wollten dir das leiden ersparen... musst jetzt aber wegen uns leiden...", dieses Schuldbewusstsein verschwindet nicht aus seiner Stimme wenn er von mir und dieser Familie redet.
Ich habe meinen Vater noch nie so verletzlich gesehen wie in diesen Momenten... wenn es um diese Familie geht. Er macht sich schlecht... als hätte er in der Rolle des Manns alles falsch gemacht..., hat er nicht und hatte er nie.
„Dad... du sollst wissen, du hast nie etwas falsch gemacht", versuche ich ihn endlich dieses Schuldbewusstsein aus dem Kopf reden.
„Mich lässt das Gefühl aber nicht los... nicht nur als Mann des Hauses sondern vor allem als Vater...", höre ich ein leichtes Zittern in seiner Stimme heraus.
Mein Vater schaut mich an und ich kann in seinem Blick den er mir widmet, nichts deuten.
„Ich meine es ernst... und ich kann wetten Mum würde genau das selbe sagen", versuche ich es weiter.
Da ist er... dieser Blick... ein Funkeln in seinen Augen. Es ist Mum, dieses Funkeln in seinen Augen hat er immer wenn man über Mum redet.
„Wenn du kein guter Vater wärst, hätte ich dich nie Dad genannt", bleibe ich weiter bei meinem Versuch.
„Und wenn du kein Mann des Hauses hättest sein können, hätte Mum sich nie in dich verliebt", bringe ich Mum wieder in meine Worte, um dieses funkeln in seinen Augen zu sehen.
„Du weißt genau was du sagen musst...", kommt er wieder zu Worten, mit einem leichten schmunzeln.
„Es ist dieses Funkeln, dieses Funkeln in deinen Augen wenn man von Mum redet", schmunzle ich.
Er sieht mich an und er hat immer noch dieses Funkeln in den Augen, man kann es nicht wirklich beschreiben was man in diesem Funkeln deuteten kann, man weiß nur es ist Mum.
„Ich fragte dich mal als ich achtzehn wurde, warum du immer noch den Witwer spielst und nicht dich auf was neues einlässt", beginne ich meine Gedanken auszusprechen.
„Damals wolltest du es mir nicht beantworten, heute weiß ich die Antwort, dieses Funkeln was du hast wenn man über sie redet... du hast sie nie vergessen, keine Frau hast du so sehr lieben können wie sie... du konntest zu keinem so eine Nähe aufbauen wie zu ihr", erkläre ich und beantworte meinem alten ich die Frage.
„Das erkennst du in diesem sogenannten Funkeln?", fragt er ungläubig.
„Dieses Funkeln in deinen Augen, wenn man von Mum redet verrät noch viel mehr", beantworte ich mit einem schiefen grinsen.

Adoptierte Wellenbrink Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt