Kapitel 28

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Vergangenheit

Eine Woche... eine Woche ist nun um seit mein Vater seine Diagnose bekommen hat. Es hatte nur eine Woche gedauert das er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Mit schweren Schritten bewege ich mich wie auf Autopilot gestellt zur Information.
„Nico Wellenbrink...", sage ich mit leicht zittriger Stimme.
„Sie sind?", fragt die Frau am Empfang, mit einem Blick auf Papiere, in ihrer Hand.
„Helena Wellenbrink... seine Tochter...", höre ich immer noch das leichte Zittern in meiner Stimme.
„Zimmer 221, zweiter Stock links", antwortet sie und starrt weiter auf die Papiere in ihrer Hand.
Ich bewege mich in Richtung Aufzug und drücke auf die Zwei. Ich lehne mich an die Aufzugswand und denke in diesem Moment an nichts. Trotzdem reist mich das Klingeln des Fahrstuhls aus meiner Trance. Meine Beine tragen mich durch den Gang und meine Augen suchen nach der Nummer 211. Vor der Türe bleibe ich stehen. >>2.11...<<, 211 diese Parallele... als hätte man gewusst was dieses Datum für eine Bedeutung hat. Ich lege meine Hand auf die Türklinke und drücke leicht dagegen. Ein kleiner Spalt hat gereicht um zu sehen wie mein Vater da liegt. Wie als währe der Schalter umgelegt worden kehre ich ins jetzt zurück. Mit leicht zittrigen Beinen gehe ich durch die Tür und schließe sie hinter mir.
„Hell...", vernehme ich die schwache Stimme meines Vaters.
„Dad...", zittert meine Stimme.
„Zimmer 211", Zwinge ich mir ein Lächeln auf.
Mein Blick bewegt sich durchs Zimmer und ich sehe einen Stuhl den ich mir schnappe und neben seinem Bett platziere.
„Wie 2.11...", sagt er als ich mich auf den Stuhl setze.
„Der Tag des ersten Treffens...", sagen wir beide leise, vernehmen aber beide nur die Stimme des jewals anderen.
2.11 der Tag als ich diesem Menschen das erste mal gesehen hab. Eine dunkle Gasse an einem regnerischen Tag, zwischen Mülltonnen und Müllsäcken passierte es. Mein Leben began.
„Wie gehts dir?...", frage ich schüchtern.
„Jetzt wo ich dein Gesicht sehe...um einiges besser", blicke ich in ein schwaches Lächeln.
Ich ziehe traurig meinen rechten Mundwinkel nach oben. Wann ist dieser Mann mir so wichtig geworden?, wann hab ich diesen Menschen so nah an mich ran gelassen? In diesem Moment fühlt es sich an wie vor einundzwanzig Jahren, ich sitze auf dem Boden, mit dem Kopf in der Matratze und bete innerlich. Der Unterschied zu jetzt ist das ich auf einem Stuhl sitze, in braune Augen schaue und innerlich bete. Ich sehe es in seinen Augen, er leidet und versucht mit aller Kraft ums überleben zu kämpfen. Die Ärzte haben ihn aufgeben, er gibt sich nicht auf, er will kämpfen.
„Bis zu deinem letzen Atemzug...", spreche ich ausversehn meine Gedanken laut aus.
„Was?...", fragt mein Vater ahnungslos was gerade in mir vor geht.
Ich schrecke aus meinen Gedanken und bemerke erst jetzt was ich laut gesagt habe.
„Ich bin da... bis zu deinem letzten Atemzug...", kläre ich ihn auf und zwinge mir ein Lächeln über die Lippen.
Meinem Vater huscht ein schwaches Lächeln über seine Lippen. Mir ist nicht ganz klar was ich gesagt hab... >>ich bin da, bis zum letzten Atemzug<<. Soll das mir ein gutes Gewissen geben an mein Teenager ich, das ich mich von Mum nicht verabschiedet habe? Nein... ich tu es für ihn..., ich tu es für mich...
„Emy ist fleißig am lernen von Would I Lie To You", schmunzle ich und versuche meine Gedanken wieder ins reine, in eine Ordnung zu bringen.
Immer noch dieses Lächeln, es ist schwach und doch so ehrlich. Dieses Gespräch was wir führen hört sich gezwungen an, jeder der uns kennt weiß das, das für uns beide untypisch ist.
„Weiß sie's schon?...", verändert sich sein Lächeln.
Was genau meint er, von seiner Krankheit?, das ihr Großvater höchstens bis nächstes Jahr durchhalten kann?
„Halbwegs... so das sie's verstehet...", antworte ich und meine Gesichtszüge verdunkeln sich.
„Wie gehts ihr... wie gehts euch...?", fragt er so als währen wir die, die krank sind.
„Sie ist ängstlich... sie versteht nicht alles was gerade passiert... sie versteht nur du bist krank und es gibt kein Heilmittel...", antworte ich.
„Nicklas und ich sind grad sehr auf sie fixiert... da ist nicht viel Zeit selbst drüber nachzudenken...", lasse ich meinen Kopf fallen.
Es ist eine Lüge, ich bin für meine Tochter da aber meine Gedanken sind voll und ganz nur bei mir.
„Hell", ertappt mich mein Vater beim lügen.
„Wenn ich das sag... dann hört es sich egoistisch an...", antworte ich und hebe meinen Kopf.
„Hell... rede...", fordert er mich auf.
Er weiß genau was er sagen muss das ich anfange zu reden.
„Es ist nicht fair... Mum musste schon viel zu früh gehen... das ist nicht fair das du jetzt auch noch gehen sollst...", sage ich fast weinend.
Das ich mich alleine fühle sobald er seinen letzten Atemzug macht lasse ich aus, ich weiß das Nicklas und Emy bei mir sind aber... ich kann nicht mit dem Gedanken leben wieder ohne Eltern da zu stehen.

Adoptierte Wellenbrink Where stories live. Discover now