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Was ein verdammtes Schauspiel. Ich spiele Ich-Sehe-Was-Was-Du-Nicht-Siehst, doch ich sehe nicht mit wem. Zum Teufel es juckt mich auch nicht; es tut nur weh.

Ob man eine Rolle spielt im Leben, das ist meine Frage. Wenn ja, hab ich meine also endgültig gefunden? Und wenn nein: Was für eine Scheiße zieh ich hier dann eigentlich ab? Und dann kommt noch die Frage der Realität und ob sie nur von mir wahrgenommen und beurteilt werden kann, weil ICH sie ja sehe und ICH bin ICH und kein anderer und dann wird's mir auch schon zu viel und ich merke, es juckt mich eigentlich auch gar nich.

Doch dann kommt in einer Millisekunde der Anschein, gar die Furcht, dass ich womöglich verrückt sein könnte. Denn ich beobachte nur und rede nicht. Sehe alles wie im Film. Buch. Serie. Film. Ich guck hinauf, alles das Gleiche. Kein Unterschied. Bastarde. Sie sehen nicht das, was ich seh.

Wahrscheinlich sind's die Erwartungen die ich nicht erfülle, die lauern immer im Schatten, am Rande der Vergesslichkeit. Denn man soll ja reden, nicht nur gucken. Reden soll man, ne? Ganz viel. Mach ich aber nich, also kann ich meine Kreuze nicht auf der gesamten Checkliste verteilen, die die Voraussetzungen gibt ein mental gesunder Mensch zu sein. Also dann; Psychologe? Shall we try this again, Sire? Oder hab ich den Jackpot gekrallt, indem ich eine an der Klatsche habe, wird unrealistisches Denken mich an die Spitze der Wahnsinnigen bringen, denn wir alle sind's ja, auch wenn es keiner sein will. ,,Jeder ist ein Arschloch und ich steh dazu". Ja tatsächlich, ein freches Motto hab ich mir bei dieser ganzen Sache angeeignet, obwohl ich es nie sagen würde, denn es hört ja keiner zu. Oder ich red zu leise. Das eine führt zum anderen.

Böse Gedanken, eine offen dargelegte verottete Seele. Ich bin ich und ich glaub ich mag das. Verdammt, je mehr ich drüber spekuliere desto unglaublich geiler kommt mir die ganze Story vor.

Ich habe vor ein paar Monaten viele stoische Werke gelesen, vermehrt von Petron um meine Chance auf ein besseres Leben zu ergattern. Es lief wie geschmiert in den ersten Wochen, ich bekam den Dreh langsam raus Trauer und Freude gleichwertig zu aktzeptieren und die Schönheit in beiden zu sehen. Ein verdammter Stoiker wurde ich. Doch nun ging's nach hinten los, wohl weil ich von Grund auf an nicht der geeignete Typ dafür bin; ich scheine mich nun für nichts mehr wirklich zu interessieren und nehme alles dermaßen locker hin, dass ich auf Menschen abstoßend und dumm wirke oder mir selber die Freude erspart bleibt. Meine negativen Eigenschaften häufen sich nun, in der Form eines großen stinkenden Müllhaufens an.

Ich lüge nicht. Nervt die anderen ganz schön, wenn ich mich dagegen entscheide in ihrem Schauspiel mitzumachen. Minuspunkt.
Ich rede nicht. Wer nicht redet, muss ja dumm sein. Bin ich auch, deshalb rede ich nicht.
Minuspunkt.
Ich kann keinen sozialen Umgang führen. Menschen lernen sich kennen, wie wenn zwei Hunde sich gegenseitig am Arsch schnüffeln. Ich würde mein Hinterteil nach dem ersten Riecher graziös wegdrehen und alles was dem anderen Hund dann bleibt, ist der erste Arschgeruch, jedoch keine neue Bekanntschaft. So würd ich's als Hund machen, und ganz ehrlich, so mach ich's auch als Mensch.
Minuspunkt.

Hab kein Wissen. Kann mich nicht artikulieren. War noch nie auf Parties, hab keine Freunde und keine Ausdauer. So tief im Minusbereich gelandet; das kann nur faszinierend sein.

Bleibt die Frage; kann ich meine ganze Person, meinen Charakter, meine Rolle einzig und allein durch das Schreiben definieren? Sobald ich tippe, scheinen all die genannten Aspekte meines verschissenen Individuums zu verpuffen und ich fühl mich wie Jesus. Oder Judas. Oder halt wie ich. Fühle mich mächtig. Mächtig schlau, mächtig talentiert und bin dabei doch echt nur mächtig auf den Kopf gefallen.

Lovestories sind nicht echt, Kinder ruinieren Ehen und das Eis zum Selbstservieren schmeckt scheiße. Kennt man, weiß man. Jedoch die größte Wahrheit von allen, die meinen Geist mit größter Befriedigung erfüllt, sodass mir die Kotze im Rachen stecken bleibt; ich hab nicht die leiseste beschissene Ahnung wer zur verdammten Hölle ich überhaupt bin. Und wissen will ich's nicht. Denn, Menschenskind, interessieren tut's mich am Ende doch im Großen und Ganzen nicht die Bohne.

Depressions-TagebuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt