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Es ist schon länger her, seit ich mich gemeldet habe. Solange hatte ich Zeit, mir mein ganzes Buch noch einmal selber durchzulesen. Und mir ist etwas aufgefallen.

Es hat sich viel geändert, in einer kurzen Zeit. Früher, am Anfang dieses Buchs, war ich das Mädchen, welches jegliche Emotionen versteckt hat und witzig und offen war. Mit A und J an meiner Seite, die mir das Leben ständig schwer gemacht haben.

Doch seitdem ist jeder Tag anders gewesen. Es hat sich immer in die eine Richtung verändert. Nun bin ich das Mädchen, welches wie ein Junge aussieht und in der Klasse, still, alleine und mit schwarzen Klamotten in der hintersten Reihe sitzt. A und J haben sich langsam entfernt. Keiner redet mit mir, ich rede mit keinem. Auch für meine Eltern existiere ich kaum noch. Ich bin ein Geist geworden, eindeutig.

Ich wusste, dass ich nicht immer so wie früher bleiben könnte, mit versteckten Emotionen und strahlendem Gesicht. Es wissen nun alle. Und keinen interessiert es. Im Gegenteil, sie lachen. Doch ich sage nichts. Ich wüsste nicht was.

Doch das wollte ich immer so. Lieber ignoriert werden, sodass man langsam und umbemerkt verschwinden kann. Depressionen auf Dauer zu unterdrücken ist schmerzhaft.

Ich habe mich noch nicht richtig daran gewöhnt, keinen in meinem Leben zu haben. Eine leere Hülle zu sein. Kaum zu reden. Doch so wollte ich es immer. Und bestimmt ist es auch besser so. Man kann so viele Dinge machen, die komplett unbemerkt bleiben. Sich isolieren. Fantasieren. Verschwinden.

Ja, ich wollte es so. Es muss besser sein als alles andere. Das ist es bestimmt. Ich bin mir sicher.

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Depressions-TagebuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt