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Kann ja sein, dass man nur ein Leben hat. Nichts ermutigt so sehr zum Leben wie der Tod. Hat wahrscheinlich jemand mal gesagt. Keine Ahnung wer. Aber ich, meine Lieben, ich habe Tausende.

Jeden Tag versau ich's, jeden Tag nehme ich eine neue Chance in Griff. Ich wach auf, ein eiskaltes Pulver gibt mir den Kick zum Aufstehen, ich fang an zu denken und das ist mein Morgen. Jeden Tag. Leben.

Ich weiß es ist naiv ernsthaft zu glauben, dass sich an einem beliebigen Tag, der mit derselben Routine beginnt, irgendetwas daran ändern wird. Das können nur radikale Veränderungen tun. Mal was probieren. Raus gehen. Sich zeigen. Scheiß drauf, ich geh ins Bett. Wieder.

Tägliche neue Chancen, eine tägliche Neugeburt und alles läuft immer aufs gleiche hinaus. Gleiche Gesichter, keinen denen man vertrauen kann, keine die man ernsthaft kennt. Das Leben ist wie ein Buch und ich will mittlerweile den zweiten Band beginnen, der mit einem offenen Anfang eingeführt wird und keine der alten Charaktäre beinhält.

Die Welt ist verdammt groß, es gibt Billionen Menschen und ich denke kein einziger könnte mich ernsthaft mögen oder es lange mit mir aushalten. Ich bin, würde ich sagen, Nebencharakter in meiner eigenen Story. Ich existiere passiv. Das wiederkehrende Prinzip: keiner freut sich drauf, mit mir Zeit zu verbringen, also freiwillig. Es passiert halt einfach mal so und ist dann auch schnell vorbei.

Woran es liegt? Keine Ahnung. I am extremely unlikeable. Augenkontakt kann ich halten. Meine Interessen sieht man mir an. Can't you tell that I'm a lowlife punk, just like you? Go ahead, talk to me, baby.

Und trotzdem funktioniert da nichts. Mir fehlt die Aura, die Lust, der Wille und die Lebenskraft. Als ob ich in diese Welt gesetzt wurde aber Gott noch nicht wirklich über das nächste Kapitel nachgedacht hat. Schwebezustand. Zwischen den Zeiten. Über der Straße.

So vergeht ein neuer Tag und sobald ich dann wieder in dem kaputten Holzbett liege, mit einer Decke so schwer wie Stein, fällt mir auf wie schmerzhaft simpel diese Welt ist. Magie gibt es, ich nenne es Liebe und Hass, doch wir vögeln diese zwei Besonderheiten so dermaßen durch, sodass sie komplett entwertet und beschmutzt sind. Und, sobald man sich's versieht, sitzen alle wieder wartend auf einen bärtigen, alten Schnorrer rum, der mit seinem Zauberstab verspricht ihr Leben einfacher machen zu können.

Sinnloses Warten, dass etwas besonderes passiert. Irgendwas neues. Liebe und Hass dienend als unbeachtete Begleiter. Tag ein, tag aus. Eiskaltes Pulver vorm Schlafengehen. Wird auch bald alle sein.
Also ernsthaft;

wofür lohnt es sich dann noch zu leben?

Depressions-TagebuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt