ZEHN

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Eddie hielt mir die Tür zu seinem Trailer auf bevor wir hastig hinein gingen. Der Regen prasselte noch immer herab und tränkte die Welt um uns herum in seine Dunkelheit.

„Warte hier."

Ich setzte mich auf das Sofa, welches noch immer in der Mitte vom Raum stand. Es schien als wäre es nicht berührt worden, seitdem ich es verlassen hatte. Eddie verschwand in seinem Schlafzimmer und schien hastig nach etwas zu kramen. Ich legte die Lederjacke von meinen Schultern ab und hing sie an den Haken neben der Tür. Ich fuhr mit meinen Fingerspitzen über die vielen aufgenähten Patches. Eddie war ein besonderer Mensch. Er passte nicht in die Rollen dieser Gesellschaft. Er war kein Sportler, kein Nerd, kein Genie. Eddie war genau das, was er sein wollte. Vielleicht sollte ich ein wenig mehr sein wie er. Wieder so wie früher. Doch meine Vergangenheit würde mich niemals loslassen können.

„Bist du soweit?"

Ich fuhr erschrocken herum und sah wie er sich mit einem Joint zwischen den Fingern in den Türrahmen lehnte. Er zündete ihn mit einem Feuerzeug an und ließ sich auf das Sofa fallen.

„Na komm."

Ich setzte mich neben ihn und zog an dem Mittel was mich für wenige Stunden all meinen Schmerz vergessen ließ. Ich pustete den Rauch in die Luft und sah dabei zu wie er sich langsam auflöste. Eine ganze Weile saßen Eddie und ich auf dem Sofa, bis von dem Joint nichts mehr übrig war. Mein Kopf war frei, mein Körper leicht und ich fühlte mich zum ersten Mal seit langem zufrieden. Eddie stand vom Sofa auf und zog eine Trittleiter aus der Decke des Trailers.

„Bereit für den verrückten Teil?"

Seine leicht rot schimmernden Augen funkelten mir entgegen als ich aufstand und ihm aufs Dach des Trailers folgte. Wir schlossen die Luke hinter uns und standen im strömenden Regen auf dem Dach seines Trailers. Wortlos legte er sich auf das Dach und zog mich zu sich herab. Die Regentropfen prasselten auf meinen Körper und ich spürte wie ein kalter Luftzug über meine Haut zog. Innerhalb von Sekunden waren wir vollkommen durchnässt. Ich drehte meinen Kopf und blickte zu Eddie. Seine Augen waren geschlossen und seine Haare hingen nass an seinem Gesicht. Das weiße Hellfire Tshirt klebte wie eine zweite Haut an seinem Körper und zeichnete die Konturen seiner Muskeln perfekt nach. Schmunzelnd tat ich es ihm gleich und schloss meine Augen. Ich spürte Blicke auf mir, doch blieb ich in meiner Position. Mein gesamter Körper fühlte sich an wie eine Feder auf eiskaltem Wasser und mein Kopf war zufrieden.

„Ich weiß wie du dich fühlst, Nova."

Ich öffnete meine Augen und sah zu Eddie. Sein Blick lag auf mir.

„Ich habe meine Eltern verloren, vor einigen Jahren."
„Das wusste ich nicht, es tut mir leid."
„Es ist schon in Ordnung, deshalb wohne ich bei meinem Onkel. Auch wenn er nie hier ist."

Sein Blick wurde sanft.

„Ich war am selben Ort wie du."

Ich wandte meinen Blick ab. Spürte wie eine unglaubliche Ruhe durch meine Adern floss. Eddie war wie ich. Er verstand mich und versuchte nicht mich krampfhaft aus diesem Loch zu reißen. Ich konnte ihm vertrauen. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich sicher. Vollkommen sicher.

„Irgendwann wird es besser und du lernst wieder zu leben. Irgendwann findest du einen Grund um wieder glücklich zu sein."

Sein Blick lag noch immer auf mir, als ich in sprachlos ansah.

„Du hast bestimmt Dinge gehabt, die dich glücklich machten."
„Scoops Ahoy und die Rollschuhbahn."

Eddie lachte.

„Scoops Ahoy?"
„Steve arbeitet dort und ich verbrachte jeden Tag in diesem Laden. Er nahm mich immer heimlich mit in den Mitarbeiterbereich damit ich die neuesten Kreationen von ihm probieren durfte."

Wir lachten und erneut spürte ich die Wirkung des Joints. Alles wirkte leicht und unbeschwert. Als würde nichts schlimmes geschehen können.

„Steve ist dir sehr wichtig, nicht wahr?"
„Er ist seit meiner Kindheit mein bester Freund."

Eddie nickte und sah mich plötzlich mit einem leicht schmunzelnden Blick an.

„Gebe dein Leben nicht auf, das hätte er nicht gewollt."

Für einen Moment wusste ich keine Antwort.

„Ich fühle mich schuldig, bei jedem Atemzug."
„Du warst nicht Schuld, an seinem Tod."

Kopfschüttelnd blickte ich hinauf in den schwarzen Himmel. Durch die Regentropfen war es schwer meine Augen offenzuhalten und dennoch wollte ich meinen Blick nicht abwenden. Wie gerne würde ich Eddie die Wahrheit erzählen, dass es kein Autounfall gewesen war. Sondern das Billy mich gerettet hatte und aus diesem Grund starb. Wie gerne würde ich ihm erzählen, dass es wirklich meine Schuld war.

„Das Schlimme ist, dass niemand die wahre Geschichte kennt. Was wirklich passiert ist."

Eddie sah mich fragend an und öffnete gerade seinen Mund als ich ein Auto anfahren hörte. Der Motor blieb angeschaltet als sich eine Tür öffnete und laut wieder schloss. Nur wenige Augenblicke später klopfte jemand an Eddies Eingangstür. Wir blickten uns verwirrt und krabbelten über das Dach. Vorsichtig blickten wir über den Rand und erkannten Steve der unruhig vor der Tür auf und ab ging.

„Mist."

Eddie kam näher und unsere Schultern berührten sich als er mir leise ins Ohr flüsterte.

„Was ist los?"
„Ich habe vergessen, dass er mich bei Mike abholen wollte."

Mit fragendem Blick sah Eddie mich an und unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Das Wasser tropfte von seinen Haaren und landete auf meiner Nasenspitze.

„Und jetzt?"
„Bekomme ich Ärger."

HELLFIRE || Eddie Munson FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt