SIEBEN UND FÜNFZIG

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Ich wartete und wartete bis spät in die Nacht. Es wurde dunkel in der Anstalt. Nur noch vereinzelt liefen Soldaten durch die Flure. Eine unangenehme Stille legte sich über all das hier. Ich saß im Schneidersitz auf meinem kleinen Bett. Die Hände faltete ich in meinem Schoß zusammen. Ich würde ausbrechen. Zumindest würde ich es versuchen. In nur wenigen Augenblicken. Entfernt hörte ich leise Schritte eines Soldaten. Er war der einzige. Ich belauschte ihn bereits seit Beginn der Nachtschicht. Sobald er mein Zimmer hinter sich ließ, dauerte es genau eine halbe Stunde bis er wieder daran vorbei lief. So wartete ich geduldig bis seine Stimme lauter wurden und langsam wieder verschwanden. Der Zeitpunkt war gekommen. Ich sprang von meinem Bett und kniete mich vor die Metalltür. Ich legte meine Hand über das Schloss. In meinem Kopf drehte ich die Mechanik wie einen der Kreisel im Regenbogenzimmer. Mein Kopf dröhnte und die Innenseite meiner Hand kribbelte angenehm warm. Ein leises Klicken schnitt durch die einsame Stille. Ich hatte es geschafft. Vorsichtig öffnete ich die schwere Tür und spähte in den breiten Flur. Die gedämpften Lichter der Neonröhren an der Decke hüllten alles in einen fast schon wohligen Schimmer. Doch der Schein trügte. Hier war nichts wohlig. Hier befand sich die Hölle. Leise schloss ich die Tür hinter mir und tapste auf Zehenspitzen durch die Flure. Ich kannte den Weg. Ich überredete Doktor Brenner heute zu einem Spaziergang. So konnte ich meinen Fluchtweg genau planen. Ich wusste wohin es mich führte, welche Tür ich nehmen musste. So lange bis ich vor einem großen Aufzug stand. Ich drückte hastig auf den Knopf und lauschte den Maschinen dabei wie sie langsam in Fahrt kamen. Der Aufzug schob sich hörbar zu mir herab. Die Sekunden zerrten sich wie Stunden, Tage. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und brachte meine Schläfen zum pochen. Mir wurde schwindelig und doch versuchte ich mich zu konzentrieren. Doch etwas gefiel mir nicht. All das war zu einfach. Zu leicht. Das Ausbrechen aus einer derartigen Anstalt sollte nicht einfach sein. Doch das war es. Die Türen des Aufzuges öffneten sich und ich stieg hastig ein. Ich drückte auf den großen runden Knopf für das Erdgeschoss. Dort würde ich endlich, nach einer Ewigkeit, den Himmel wiedersehen. War es Tag? War es Nacht? Würde strahlende Sonne auf mich warten oder der sternenklare Nachthimmel. Doch da alle anderen schliefen und die Anstalt wie ausgestorben wirkte. War es wohl die Nacht, die mich erwarten würde. Meine Gedanken kreisten als sich die Türen öffneten. Hastig eilte ich in eine große Eingangshalle. Ich erkannte eine Rezeption, ein paar Sofas in einer gemütlichen Ecke mit einem Couchtisch. Es wirkte wie eine Hotellobby. Doch tief im Keller, wartete ein Gefängnis. Ich eilte auf den Ausgang zu als ich plötzlich einen scharfen Schmerz an meinem Rücken spürte. Ein starker Schmerz durchschoss mich und riss mich schreiend zu Boden. Meine Muskeln krampften und mir blieb die Luft weg. Als wäre mir mit einem Mal all der Sauerstoff aus der Lunge gezogen worden. Ich riss mich auf meinen Rücken und stützte mich auf meinen Unterarmen ab als ich auf einen Soldaten blickte der die Schnüre seines Elektroschockers einrollte. Doktor Brenner stand mit verschränkten Armen daneben.

„Du denkst wirklich, wir hätten es nicht bemerkt?"

Ich wusste es. Es war zu einfach. Wie konnte ich mir einbilden ich würde ihnen jemals entwichen könnten.

„Du bist noch nicht fertig, Eins."

Ein gefährliches Grinsen zog sich über sein Gesicht und mir lief es eiskalt über den Nacken.

„Noch lange nicht."

Er blickte den Soldaten an der ein großes Halsband aus Metall in seinen Händen hielt. Ein einziges Mal trug ich dieses Armband. Am Tag als sie mich entführten. Es würde meine Kräfte verhindern.

„Leg es ihr an."

Er kam mir mit langsamen Schritten näher. Die Welt stoppte. Sollte ich nun gefangen werden, würde ich Eddie nie wiedersehen. Doktor Brenner würde mich auf ewig als Spielzeug, Waffe und Testperson verwenden. Ich konnte es nicht zulassen. Kurz bevor der Soldat nach mir greifen konnte begann ich zu schreien. Die Fensterfront hinter uns zerschellte in tausend Teile. Die Sofas und der dazugehörige Tisch flogen durch die Luft, die Bilder fielen von den Wänden und die beiden Männer vor mir wurden zu Boden gerissen. Scharfe Scherben schnitten mir in den Rücken und zerfetzten meine Klamotten. Ich blickte auf das weiße Tshirt und die graue Jogginghose die ich trug. Sie tränkten sich mit meinem Blut. Ein scharfer Schmerz schoss durch meine Wange. Doktor Brenner lag am Boden. Er rührte sich nicht mehr. War er tot? Hatte ich jemanden ermordet? Trug ich eine Seele auf meinem Gewissen.Doch der Soldat erhob sich langsam, strauchelnd. Er zückte den Elektroschocker als ich ruckartig meine Hand hob. Er schnappte nach Luft als ich ihn in die Luft schweben ließ. Er röchelte, seine Lippen liefen blau an und er strauchelte mit Armen und Beinen. Ruckartig schleuderte ich ihn gegen die Wand hinter der Rezeption. Er riss Ordner und Vasen mit sich als er reglos hinter dem Tresen zu Boden fiel. Langsam richtete ich mich auf und spürte das scharfe Glas unter meinen Füßen. Ich wischte mit meinem Handrücken über das Blut unter meiner Nase und starrte auf das Trümmerfeld vor mir. Doch ich tapste durch den Pfad aus schmerzen, durch die zersprungenen Scheiben hinaus in die Freiheit.

HELLFIRE || Eddie Munson FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt