EIN UND SECHZIG

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Ich saß im Schneidersitz auf dem Bett im großen Camper. Eine dünne Decke aus hellblauem Stoff lag über meinem Schoß. Eddie war bei den anderen draußen am Lagerfeuer und besorgte uns etwas zu essen. Sie waren nicht böse, dass ich mich in den Camper verzog. Sie verstanden es. Ich brauchte Zeit für Eddie. Für Eddie und mich. Für uns. Doch nun da ich alleine war, spürte ich die Schmerzen in meinem Körper. Die Schnitte auf meinem Rücken brannten und mein Kopf dröhnte. Alles fühlte sich schwer an, doch war es die Erleichterung über meine Freiheit, die mich alles vergessen ließ. Ich zuckte erschrocken zusammen als sie die Tür öffnete und schrie leise auf. Sofort zeichnete sich ein schlechtes Gewissen auf Eddies Zügen ab.

„Ich hätte klopfen sollen, es tut mir leid."

Ich schüttelte meinen Kopf und ließ meinen Körper entspannen. Immer und immer wieder redete ich mir ein, dass ich endlich sicher war. Eddie ließ sich neben mir fallen und stellte einen Teller vor uns ab. Ich blickte hinab auf gerolltes Brot, dass definitiv von Steve über dem Feuer gebacken wurde. Ich würde es sofort erkennen. Genauso verbrannt sahen seine Brote schon im Sommercamp aus. Ich schmunzelte als Eddie ein Glas mit Nougat Creme und eines mit Erdnussbutter hinter seinem Rücken hervor holte. Ein breites Grinsen lag auf seinen Lippen als er es triumphierend in die Höhe hielt.

„Welches? Oder beides?"
„Nougat. Bitte."

Grinsend schnitt er das Brot auf und verteilte eine dicke schickt der Creme darauf. Doch seine Züge wurden ernster.

„Morgen gehen wir wieder einkaufen. Dann kann ich dir etwas besseres holen."
„Es ist gut."

Er sah zu mir auf und unsere Blicke trafen sich.

„Es ist nicht genug."

Liebevoll strich ich mit meinen Fingerspitzen über seine Wange. Doch noch bevor ich etwas sagen konnte verlief sein Blick über mein Handgelenk und er stockte. Leise murmelte er etwas vor sich hin während er meine Hand packte und meine Haut genauer inspizierte.

„Was zum..."

Seine Stimme versagte beim Anblick meines Tattoos. Meiner Nummer.

„Eins?"
„Ich bin wie Elfi."
„Aber müsstest du dann nicht die zwölf sein?"

Ich schüttelte meinen Kopf.

„Ich bin nicht ganz wie Elfi. Deswegen die eins. Ich bin das neue Projekt."
„Du bist kein Projekt."

Seine Worte kamen zwischen wütend aufeinander gepresstes Zähnen hervor.

„Irgendwie schon."

Eddie stellte den Teller auf den kleinen Esstisch und kam hastig wieder auf mich zu. Er kniete sich vor das Bett, nahm meine Hände in seine und sah mich mit leuchtenden Augen an. Noch immer trug er den selben Schimmer in seinen Augen, wenn er mich vor sich hatte.

„Nichts, nichts und niemand könnte meine Gefühle für dich jemals ändern. Dafür müssten sie mich töten."

Er strich sanft über meinen Handrücken.

„Und selbst nach meinem Tod werde ich dich immer lieben."
„Ich liebe dich auch, Eddie."

Sein linker Mundwinkel zog sich zu einem kleinen Grinsen zusammen und legte seine lieblichen Grübchen frei.

„Bevor wir essen, kümmere ich mich schnell um deinen Rücken, ja?"

Ich hatte meine Wunden und die Schmerzen vollkommen vergessen. Doch waren sie noch immer da. Vorsichtig half Eddie mir, das Shirt über meinen Kopf zu ziehen. Seine Augen weiteten sich beim Anblick meines halb nackten Körpers. Wie ein Teenager, der zum ersten Mal verliebt war. Doch er nahm hastig eine kleine pinke Tasche aus einem der vielen Einbauschränke und legte sie neben uns. Das Aussehen der Tasche und der ordentliche, gewissenhafte Inhalt ließ mich darauf schließen, dass Nancy dafür verantwortlich war.

„Es wird weh tun, mein Engel."

Ich nickte fast unmerkbar, bevor Eddie ein Tuch getränkt in Desinfektionsmittel auf meine Wunden drückte. Einen kleinen Schrei konnte ich nicht unterdrücken und ich hörte wie er leise Entschuldigungen murmelte. Ich hatte schlimmere Schmerzen ertragen müssen, in der Anstalt. Doch würde ich ihm davon, niemals erzählen. Er sollte nicht darüber nachdenken, was ich alles erlebt hatte. Er versorgte gewissenhaft meine Wunden bevor er mir nach einem schwarzen Shirt aus den Schränken griff und es mir entgegen hielt. Hastig zog ich es mir über und stand auf. Meine Knie waren noch immer schwach und ich strauchelte einige Momente. Doch fand ich meinen Weg zur Sitzbank am kleinen Tisch. Eddie ließ sich mir gegenüber fallen und schob mir den Teller entgegen.

„Du musst essen."
„Ich bin müde. Jonathan und Argyle haben mich mit Pizza voll gestopft."
„Nur ein bisschen."

Ich nickte und biss von meinem Brot ab. Es schmeckte noch genauso wie damals im Sommercamp. Als Steve und ich normale Kinder waren. Es gab keine Monster, keine andere Realitäten und keinen Tod. Keinen Schmerz. Wir waren glückliche Kinder, die verbranntes Brot aßen. Doch führte mich jeder Schmerz und jedes Erlebnis zum hier und jetzt. Vielleicht hätte ich ohne all das, niemals zu Eddie gefunden. Vielleicht war es all das wert. Vielleicht war all mein Leiden es wert, endlich an der Seite von ihm zu stehen. Ich war tief in meinen Gedanken versunken und bemerkte nicht, wie er mich liebevoll musterte. Die Erleichterung mich endlich wieder bei sich zu haben, war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Er konnte seine Blicke kaum von mir lösen, doch mir ging es genauso. Ich wusste, dass ich alles dafür geben würde. Diesen Menschen niemals zu verlieren.

HELLFIRE || Eddie Munson FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt