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Nemesis
Krisha blinzelte, dann legte sie den Kopf in den Nacken und lachte. Der Rest ihrer Kollegen wirkte ebenfalls sehr amüsiert.
„Man kann ihn und seine Armee nicht aufhalten."

„Was wenn doch? Was weißt du denn schon von mir?"
Krisha zog eine Augenbraue hoch. Dann schnippte sie ein imaginäres Staubkorn von ihrer Hose.

„Von deiner Haltung und deinem Gang her hattest du eine kriegerische Ausbildung. Das Schwert ist nicht nur zur Zierde da, du kannst es auch benutzen. Dein Haar ist straff gebunden, deine Montur nicht die beste, aber dennoch sehr gute Qualität. Das Schwert ist aus Schwarzstahl, zumindest lässt es die Machart des Griffes vermuten. Du sprichst fließend leymalisch, bist hier geboren, gehst aber ausgerechnet nach Gottend. Für einen „Auftrag" wie du sagst. Du willst in den Götterschlund - und das wollen nur die, die wirklich verzweifelt sind - und brauchst meine Hilfe, weil du keinen Plan von diesen Tiefen hast."

Als ich ausdruckslos schwieg, fuhr sie einfach fort:
„Das verrät mir folgendes: Erstens, deine Montur ist die einer Soldatin. In Leymalien ist sowas für schweres Geld aufzutreiben und das hat niemand außer der König"
Sie fixierte mich.
„Was mich zu der nächsten Annahme führt: du bist eine Soldatin von Allstair."

Alle im Raum ließen mich nicht aus dem Blick, aber ich reagierte nicht. Kein Anspannen meiner Schultern, kein besorgtes Runzeln meiner Stirn. Garnichts.
Ich wartete, was sie sonst noch zu sagen hatte.

„Aber du bist hier und nicht beim König, was heißt du bist desertiert. Vielleicht, weil du seine Ansichten nicht teilst, vielleicht gefällt dir sein Vorgehen nicht."
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Das erklärt deine Verzweiflung. Jedoch nicht, warum du in den Götterschlund willst. Da gibt es nichts, das dich vor König Allstair beschützt."

Zugegeben beeindruckt von den vielen richtigen Schlüssen, die sie gezogen hatte, kam ich langsam näher an ihren Tisch. Die Zwillinge links und rechts von ihr spannten sich sichtlich an, aber Krisha machte keine Anstalten, ihre Beine vom Tisch zu nehmen.

Ich stützte mich auf dem wackeligen Holz ab und beugte mich vor.
„Du hast recht, ich war eine Soldatin Allstairs. Aber er ist nicht mehr mein König"
Krisha senkte bei meinen kalten Augen nicht den Blick. Stattdessen nahm sie die Füße vom Tisch, um sich ihrerseits weiter vorzubeugen. Dabei brach sie keine Sekunde lang den Blickkontakt ab.

„Aber es gibt nichts mehr, was ich vor ihm fürchten muss", raunte ich, „Und ich bin nicht verzweifelt. Ich kann mir holen, was ich will. Und nichts hält mich auf."

Die Spannung zwischen mir und Krisha war greifbar. Sie vertraute mir kein bisschen, was ich ihr insgeheim hoch anrechnete.

„Wieso sollte ich deine Hilfe annehmen?", zischte sie, „Wo du doch zu denen gehörtest, die uns angreifen werden."
Ich bleckte die Zähne. „So wie ich das sehe, hast du keine Wahl. Hier ist sonst niemand, der sich den Soldaten entgegenstellt, wenn sie kommen."
Nicht falls. Wenn. Daran führte für das Dorf kein Weg vorbei.
„Ich könnte sie evakuieren", sagte Krisha.
„Er findet euch. Das tut er immer."

Die Anführerin der Gruppe presste die Lippen aufeinander, den sie wusste es genauso gut wie ich. Keine Dorf würde sie aufnehmen, sie hatten keinerlei Mittel um sich irgendwo anders anzusiedeln. Und welches Leben gaben sie auch schon auf, wenn sie starben? Ein Leben in Elend und Verzweiflung.
Die Menschen hatten die Hoffnung vor langer Zeit aufgeben. Krisha hatte das Todesurteil mit ihrer Jagd nur aufgeschoben.

Knurrend riss sie ihren Oberkörper zurück.
„Schön, Mary. Dann rette uns."

Innerlich grinsend, weil ich diese Runde gewonnen hatte, richtete ich mich ebenfalls auf. Äußerlich natürlich ohne jede Regung.

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt