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Naevan
„Bereit?", fragte Nemesis neben mir, die Hand an der Mauer, die zu dem Geheimgang führte.

Kurz flog mein Blick zu ihr. Ihr Haar war noch nass, von dem Bad, das ich eingelassen hatte und in ihren Augen lag ein gehetzter Ausdruck, den sie gut mit ihrer Maske kaschierte. Aber mittlerweile konnte ich sie ganz gut lesen.

Ich ahnte, dass Wasser auch Erinnerungen triggerte und, dass das wohl auch auf das einfache Bad zutraf. Das würde zumindest ihr Verhalten nach dem dampfenden Bad im Tempel und auf dem Steg erklären.
Aber ich hakte nicht nach, denn ich wusste selbst, wie sowas Wunden wieder aufreißen konnte.

„Wir laufen in eine Falle."
Als Reaktion drückte sie den Stein und die Wand fuhr zur Seite.
„Ich nehme das als ein Ja."

Leicht schmunzelnd folgte ich ihr in den dunklen Hang. Wie immer legte sich das Kribbeln der Magie auf meine Zunge.
Hier waren die Barrieren zwischen der göttlichen und weltlichen Ebene sehr dünn. Das machte es einerseits möglich die Götter zu rufen, um mit ihnen zu sprechen, machte es aber gleichzeitig sehr instabil.
Sollten Riniah und Xenos ihre Magie zurückbekommen wäre es eines Leichtens, hier ihre physische Form anzunehmen.
Und dann würde genau das gleiche mit dieser Welt passieren, wie mit meiner. Dann würden sie weiter die Energie des Menschen und der Erde rauben, ohne dass man sie strafte.
Ohne, dass meine Welt gerächt wurde.

Der bekannte, bitter Schmerz des Heimwehs mischte sich mit einem neuen, heißeren Schmerz.
Genau deswegen würde ich die Magie nicht hergeben.
Auch wenn das Nemesis' Tod bedeutete.

Wir durchquerten wachsam die Tunnel, die Waffen griffbereit. Nemesis hatte ihre mit Blut befleckte Montur nicht wieder angezogen, dafür aber ein dunkelviolettes Hemd mit schwarzen Hosen. Das Oberteil hatte sie in den Bund gesteckt, um ihre Hüfte saß der Gürtel mit dem Schwarzstahl Schwert und weiteren Messern. Das noch feuchte Haar fiel ihr im üblichen Zopf über den Rücken.

Auch ich hatte meine Kleidung gewechselt und trug wieder die Stoffbahnen quer über der Brust zusammen mit der weiten Hose. So war mein verschnörkeltes Tattoo am Oberarm wieder zu sehen, das im Fackellicht geheimnisvoll schimmerte.

Wir betraten langsam den großen Raum, von den die drei Gänge zu den jeweiligen Statuen abzweigten.
Dort stand ein Mann mit dem Rücken zu uns.

Nemesis und ich tauschten einen Blick, gingen lautlos weiter rein. Auch wenn es totenstill war, waren unsere Schritte nicht zu hören.

Ich atmete flacher und langsamer, um dadurch keiner Geräusche zu machen. Nebenbei bewunderte ich, die Geschmeidigkeit, mit der Nemesis sich neben mir bewegte.

Bei der Erinnerung an ihren Kuss flatterte mein Herz. Es war verrückt, dass wir das getan hatten. Ein Schritt, der nur zu Schmerz führte.

Aber das änderte nichts daran, dass ich sie in jeden Moment am liebsten zu mir gezogen und geküsst hätte bis es keine Erinnerung mehr gab, an die sie dachte und es nur wir beide waren.

„Ich hatte bezweifelt, dass ihr kommt"

Der Mann drehte sich mit verschränkten Armen und grimmiger Miene um, sodass wir augenblicklich stehen blieben.
Nemesis zeigte keine Reaktion, auch wenn das Gesicht vor uns ein Bekanntes war.

„Phyrros", stellte sie ruhig fest, steckte die Waffe aber nicht weg.
Er neigte den Kopf: „Nemesis, Naevan."

Kurz sah sie an ihm hoch und runter, während ich meine Magie ausstreckte, um mental nach ihm zu tasten.
Sofort zuckten seine braunen Augen zu mir.
„Vergiss es, Hüter."
Zeitgleich traf ich auf eine steinharte Wand, eine mentale Barriere.
Die ziemlich gut war

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt