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Nemesis
Ich sah auf die Tür, die hinter Krisha zufiel, dann nahm ich die Schüssel mit der Suppe und griff den Löffel.
Doch erstmal starrte ich noch auf die trübe Brühe mit dem violetten Fleisch.

Sie wusste, wer ich war. Sie wusste, dass ich den leymalischen König stürzen wollte. Sie kannte meinen Plan mit dem Amulett.
Nichts davon hätte ich ihr erzählen müssen. Nichts davon hätte diesen Raum verlassen, wenn ich sie umgebracht oder zumindest damit gedroht hätte. Dass sie mich verriet, war eine leicht verhinderbare Gefahr.

Du brauchst niemanden.
Liebe mach schwach.

Mein Griff um den Löffel wurde fester. Alles in meinem Kopf schrie, dumm dumm dumm.
Die Entscheidung, Krisha nicht mit dem Tod zu drohen, ohne es überhaupt in Betracht zu ziehen...
Das war nicht der König, der mich geführt hatte.
Das war meine Entscheidung. Ganz allein meine. 

Es fühlte sich zur gleichen Zeit grundlegend falsch und doch so richtig an.

Ich nahm einen Löffel der Suppe. Fokussierte mich wieder und aß auf. Dann nahm ich die Schüssel mit und trat, wenn auch etwas unsicher auf den Beinen, durch die Tür. Sie führte zu dem Raum, den man durch die Haupttür betrat.

Ich lehnte mich in den Türrahmen und musterte Krishas Gruppe. Matthias und Licca ging es scheinbar gut genug, um mit Verband an dem Gespräch teilnehmen zu können. Die sechs saßen in einem Kreis auf dem staubigen Boden und diskutierten wild.

„Es ist Nemesis!", sagte Darren mit aufgerissenen Augen.
„Sie hat unser Leben gerettet", erinnerte ihn Krisha wesentlich gefasster.
„Ja, aber es ist Nemesis."

Matthias neben Darren seufzte und sah zur Decke.
„Wollen wir uns weiter über einen Namen unterhalten oder über die Frau, die unser Dorf vor zwanzig Soldaten verteidigt hat? Allein."
Darren wirkte jetzt mindestens genauso genervt wie der braunhaarige Muskelprotz.
„Wir haben die Handlangerin des Königs bei uns! Sie könnte eine Spionin sein! Sie könnte dieses magische Amulett für ihn suchen! Wir können ihr nicht vertrauen!"

Licca strich sich mit dem unverletzten Arm einen ihrer zwei Zöpfe zurück.
„In der Höhle hat sie Matthias in Sicherheit gebracht und die Monster von uns abgehalten, obwohl sie mit ihrer Schnelligkeit hätte alleine verschwinden können.  Sie hätte uns schon längst töten können. Hat sich aber dazu entschlossen es nicht zu tun."
„Bis jetzt", kam es von Darren.
Krisha überging den Kommentar geflissentlich und stimmte Licca zu:
„Oder hat damit gedroht, als ich sie erpresst habe. Sie müsste uns nichts von dem erzählen, was sie uns erzählt hat."

Thibes hatte bis jetzt nur mit verschränkten Armen zugehört, stellte sich jetzt aber auf Darrens Seite.
„Selbst wenn es der Fall ist, dass ihr das unmögliche gelungen ist und sie von dem König geflohen ist, sie ihm nicht mehr treu ist und auch keine koranéeanische Spionin ist - wir dürfen den Ring nicht vergessen - so sollten wir kein Risiko eingehen. Ihr wisst, wie unsicher unsere Position ist. Jeder Mensch, ist eine zusätzliche Gefahr."
Darren nickte heftig, froh, dass wenigstens einer seine Ansicht teilte.
„Jeder Mensch ist eine Verstärkung", widersprach Licca ihrem Zwilling, „Sie hat Informationen über den König und die Burg von unschätzbarem Wert."

Darren sah sie an als hätte sie den Verstand verloren.
„Du willst sie anheuern?!"
Fragend sah die blonde Frau zu Krisha, die nachdenklich die Hand ans Kinn legte.
„Wenn sie für uns kämpfen würde..."

„Ich kämpfe für niemanden, außer mich selbst", fauchte ich und sie fuhren erschrocken zu mir herum. Sofort sprangen alle bis aus Matthias auf und ihre Hände zuckten zu den Waffen.

Ich blieb an den Türrahmen gelehnt und sah sie dunkel an.
„Mein ganzes Leben war ich eine Waffe", sagte ich eisig, „So lange der Krieg wütet, werde ich das wohl auch noch sein. Aber ich lasse mich nicht auch noch in euren Kampf reinziehen. Welcher auch immer das sein mag."

Krisha hatte im Gegensatz zu den anderen keine Anstalten gemacht nach ihren Zwillingsklingen zu greifen. Stattdessen hob sie beschwichtigend die Hände.
„Vielleicht ist meiner und dein Kampf ein und derselbe?"
Ich schwieg skeptisch.

„Wir sagen es ihr nicht wirklich, oder?", fragte Darren, bevor Krisha das weiter erklären konnte, „Es ist zu riskant ihr zu vertrauen. Denk daran, was auf dem Spiel steht."
Bevor Krisha sich entscheiden konnte, sagte auch ich:
„Ich will nichts damit zu tun haben. Ich bin nur hier um das Amulett zu finden und meinen Teil des Deals zu erfüllen, damit ich meine Rache bekomme."
Der Siegelring des Prinzen hing bewusst sichtbar um meinen Hals.
„Ich bin weder eine Spionin, noch eine Freundin."

Sie alle bedachten mich wachsam. Es gab genügend Geschichten über die Gräueltaten, die ich im Namen des Königs begangen hatte und wenige davon konnte man noch grausamer machen, als sie es ohnehin waren. Sie wussten um die vielen Toten, um die lange Liste an Namen, die mir zuzuschulden waren.

Mir entging ihre angespannte Haltung nicht. Die Bereitschaft, sich jederzeit zu verteidigen.

Krisha sah über die Schulter zu ihren Leuten. Stumm verständigten sie sich, dann seufzte sie.
„Warten wir ab, ob wir dir wirklich vertrauen oder nicht. Aber mit dem Amulett helfen wir dir."
„Tun wir?" Darren sah Krisha mit gehobenen Augenbrauen an.
„Ja. Tun wir." Ihr Ton duldete keine Widerrede.

Nachdem mein Blick von einem misstrauischen Gesicht zum nächsten gewandert war, stieß ich mich vom Türrahmen ab und ging über den knarzenden Holzboden zu ihnen rüber. Alle außer Krisha wichen kaum merklich zurück.

„Hat man Infizierte in der Nähe gesehen?", wollte ich wissen.
Matthias, der wegen seinem verletzten Bein immer noch auf dem Boden saß, zog bei meiner Frage eine Augenbraue hoch.
„Du musst nur in den Wald gehen. Früher oder später triffst du einen. Die gibt es hier genug."

Perfekt.

Nickend steuerte ich auf die Tür zu. Pochende Kopfschmerzen verfolgten mich noch immer, aber wenn meine Magie - oder wie auch immer ich das nennen sollte - so funktionierte, wie ich mir das vorstellte, dann würden sie verschwinden, sobald ich wieder Magie aufgenommen hatte.

„Wo willst du hin?"
Auf halben Weg zur Tür drehte ich mich zu Thibes um. Mir war die Alarmbereitschaft ist seiner Stimme nicht entgangen.

„In den Wald", sagte ich mit meiner üblichen leeren Stimme, „Infizierte jagen."
Sie starrten mich an, mittlerweile wohl ziemlich sicher, dass ich den Verstand verloren hatte.

Es war Matthias, der sich über das Gesicht rieb.
„Es ist offiziell: Du hast einen Todeswunsch."
Meine Augen glitten zu ihm.
„Der Tod und ich sind alte Freunde."
Er blinzelte und schien zu erschauern.
„Wenn das mal keine gruselige Aussage ist."

Krisha dagegen wirkte amüsiert und kam zu mir rüber.
„Warum braucht du einen Infizierten?"
„Ich kann sein Blut benutzen, um Magie zu wirken. So werde ich mit den Monstern ohne Probleme fertig."
„Ok ich korrigiere:", brummte Matthias, „Das ist eine gruselige Aussage."
Der Rest nickte zustimmend, ihre Anführerin schmunzelte.

„Und dann willst du nochmal in die Höhle?", hakte Krisha nach.
Ich nickte entschlossen.
„Es ist töricht, alleine zu gehen."
Mit verschränkten Armen begegnete ich ihrem zweifelnden Blick.
„Ich komme klar. Das habt ihr gesehen."
„Das macht dich gefährlich, aber nicht unbesiegbar", konterte die schwarzhaarige Frau vor mir, „Ich komme mit."

„Was machst du?!" Licca sah sie fassungslos an.
„Bist du jetzt etwa auch noch verrückt geworden?"
Krisha grinste wild und drehte sich zu ihrer Freundin im.
„Ich traue ihr nicht - nicht ganz jedenfalls - und will sie im Auge behalten. Und Gefahr schreckt mich nicht ab, das solltet ihr mittlerweile wissen."

Das leidgeprüfte Seufzen der anderen hieß wohl genau das. Mit neuem Interesse musterte ich Krisha, als sie sich wieder umdrehte.
„Sicher, dass du jetzt losgehen willst? Vor einer halben Stunde warst du noch bewusstlos."
Als Antwort griff ich nach der Türklinke.
„Je schneller ich diese Mission hinter mich bringe, desto besser"

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt