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Drystan
Mich durchfuhr es heiß und kalt zugleich, aber ich bemühte mich um eine gefasste Miene. Chara neben mir schien die Nachricht jedenfalls gelassen hinzunehmen, zumindest merkte man es ihr nicht an.

„Es war nur eine Frage der Zeit, bis Allstair seine Infizierten einsetzt", seufzte sie und richtete den Blick auf die Karte vor uns. Unsere Truppen waren weiße Figuren, Allstairs schwarze.
„Wie lange haben wir, bis sie die Grenze erreichen?"

General Lasberc musterte die Karte grimmig.
„Morgen."
Charas Kopf fuhr hoch: „Morgen?"
Mein Magen zog sich zusammen, aber ich murmelte:
„Sie sind schneller als gewöhnliche Menschen."
Der General nickte und richtete sich auf. Jetzt sah er mir direkt ins Gesicht.
„Wie denkt Ihr, werden wir sie besiegen? Wie ist der Plan, Eure Hoheit?"

Meine Lippen wurden trocken. Wir würden sie nicht besiegen, das war auch nie unser Ziel. Wir spielten auf Zeit, aber das wussten nicht alle in den Führungsschichten des Militärs. Damit wollten wir zum einen nicht, dass ihnen bewusst war, dass sie die Soldaten in den Tod schickten, zum anderen nicht, dass sich diese Tatsache verbreitete. Wir brauchten ein starkes, entschlossenem Heer.
Aber ich wusste das alles. Und dieses Gewicht lud sich schwer wir Blei auf meine Schultern und schnürrte mir die Kehle zu.

Doch ich räusperte mich und sagte mit aller Überzeugung, die ich aufbringen konnte:
„Wir erwarten sie. Und dann werden wir sie mit den Göttern an unserer Seite dem Erdboden gleich machen."
Damit konnte ich vielleicht die Bewohner Traddis überzeugen, nicht jedoch den jungen General vor mir.
„Ich brauche eine Strategie, Eure Hoheit. Keine Glaubensbekenntnis."

Jetzt erst viel mir sein Ton auf. Sein leicht verkniffener Mund.
Er war General, hatte die Militärschule mit Bestnoten abgeschlossen, hatte seinen Dienst im Militär geleistet.
Und ich war nur ein verwöhnter Prinz, der ohne Fleiß hier das Sagen hatte. Zusammen mit Chara.

Ich hob kaum merklich das Kinn.
Aber ich hatte mehr Stunden in der Bibliothek mit Unterricht verbracht, als er in seinem Studium. Zwar konnte keiner von uns von Erfahrung sprechen, aber komplett auf den Kopf gefallen, war ich dann auch nicht.

Also deutete ich auf eine Stelle auf der Karte.
„Dort ist eine Engpass zwischen paar Bergen. Wenn wir sie dort durchlotsen, dann müssen wir uns nicht mit allen aufeinander aufhalten, wenn wir sie am Ende abpassen. Wir warten einfach vor dem Pass und erledigen sie, während sie sich noch durchquetschen müssen."
Professor Vincent, der hinzugezogenen Stratege, legte die Hand ans Kinn. Leutnant Francis hörte noch nachdenklich zu.

Für einen Moment sah der General noch auf die Stelle, auf die ich gedeutete hatte, ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen, ehe er langsam nickte.
„Gut. Aber der Pass liegt nicht auf dem direkten Weg zu uns. Sie werden dort nicht lang gehen."

Jetzt trat Chara näher an mich ran und unterstützte meine Idee: „Wir können sie umlenken, wenn wir den direkten Weg unpassierbar machen."
Jetzt war es Leutnant Francis, der eine Augenbraue hob.
„Wie stellt Ihr euch das vor, Eure Hoheit?"
Die Prinzessin machte zu Antwort eine Bewegung aus dem Handgelenk und die Karte vor uns schwebte mitsamt Figuren nach oben.

Die Generäle blinzelte überrumpelt, aber Chara ließ die Sachen sofort wieder sinken und sagte sicher:
„Überlasst das mir. Bewegt nur Eure Soldaten zu dem Pass."

Erst sah der General die Prinzessin eine Weile an, dann richtete er seine Augen auf den Professor und schien stumm auf sein Urteil zu warten.

Dieser musterte die Karte düster, ehe er die Schultern zuckte.
„Es ist die beste Chance, die wir haben."

~•~

Chara und ich ritten an der Spitze des Zuges auf dem Weg zum Pass, an dem wir uns den Infizierte stellen wollten. Die Prinzessin ritt mit geradem Rücken neben mir, man sah keine Sorge in den entschlossenen Zügen.

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt