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Nemesis
Mein Magen rumorte und in meinen Handschuhen schwitzten meine Hände. Aber ich packte mein Schwert aus Schwarzstahl fester, als ich um die steinige Biegung herumglitt. Die anderen folgten mir.

Mit höchster Alarmbereitschaft glitten meine Augen über die zerklüftete Felsen rechts und link von uns. Gleichzeitig horchte ich auf etwaiges knirschen von Kies oder losgetretenen Steinchen.
Aber es war mucksmäuschenstill.

Naevan war ein lautloser Schatten neben mir, aber der Rest, war für einen Jäger deutlich zu hören.

Je weiter wir gingen, desto stärker spürte ich Arnicus' Magie, da ich immer noch in meinem Kampfzustand war.

Raben zogen krächzend über den grauen, bewölkten Himmel, als wir uns Stück für Stück weiter vorwagten.

Nach einer Weile bildete sich plötzlich Rauch zu unseren Füßen. Er kam aus dem Stein gekrochen, strich eisig kalt um unsere Beine und sammelte sich ein paar Meter vor uns.
Virginia keuchte überrascht auf, während Martell reflexartig einen Fuß hochhob.

Sofort blieben wir stehen und fixierten das schwarze Etwas aus Rauch, das sich drehend auftürmte bis sich eine Person manifestierte.
„Oh nicht schon wieder", grummelte Drystan.

Schlagartig fuhr ich alle Mauern hoch, sicherte, dass in meinem Gesicht nichts zu lesen war, außer gelangweilte Gleichgültigkeit.

Denn es war Allstairs Projektion, die vor uns stand. Dreimal so groß wie wir.

Die Ränder seines dunklen, gepflegten Haares verloren sich mit dem Rauch, aber seine Gesichtszüge waren rasiermesserscharf. Es waren immer noch die gleichen schwarzen, grausamen Augen, die mich im Schlaf verfolgten. Die harten Züge, die leichten Falten um Auge und Mundwinkel und der zu einem aalglatten Lächeln verzogene Mund.

Um seine Schultern waberte ein schwarzer Pelzmantel, unter dem er seine übliche schwarze Montur trug, die meiner nicht unähnlich war.

„Seid gegrüßt."
Seine Stimme hallte magisch verstärkt durch die Schlucht und kroch unter meine Haut.

Du bist nichts.

„Ich würde ja sagen, dass es eine Überraschung wäre, aber das wäre gelogen."
Seine Augen glitten über uns. Wir sahen grimmig zurück.
„Denn wie Nemesis mich spüren kann, so konnte ich auch sie spüren. Ich wusste, ihr kommt. Dementsprechend hab ich mir die Mühe gemacht, euch einen Empfang vorzubereiten."

Er winkte lächelnd mit der Hand, da drang ein Scharren an mein Ohr. Als ich wie die anderen nach oben zu den Klippen der Schlucht sah, konnte ich die Infizierten entdecken, die einer nach dem anderen auftauchten.
Und es wurden immer mehr. Bis der ganze Pfad auf dem wir standen von vorne bis hinten von ihnen gesäumt war.
Und wir saßen zwischen ihnen direkt in der Falle.

Martell fluchte unterdrückt und auch Drystans entschlossene Miene wankte.
Naevan dagegen musterte die Infizierte, als wären sie nur weitere Felsen in der Schlucht. Er wirkte beinahe gelangweilt, als er zurück zu Allstair sah.

Meine Muskeln waren bis zum zerreißen angespannt und Erinnerungen hämmerten wie Wahnsinnige an der Grenze zu meinem Bewusstsein, aber ich konnte sie aussperren.
Noch.

„Und auch wenn wir dich nicht überraschen konnten, so versteckt du dich trotzdem hinter der Projektion", sagte Naevan gedehnt, „Wirkt für mich, als hättest du Angst."

Allstair lächelte immer noch.
„Du solltest dich geschmeichelt fühlen. Die Infizierte sind extra für euch."
Jetzt legten sich seine Augen auf mich und jeder Instinkt in mir schrie mir zu, zu rennen.
„Aber so lange ihr beschäftigt seid, kann Nemesis zu mir kommen. Ich habe eine wichtige Lektion für sie."

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt